Eine Seiltänzerin, die elegant über dem Boden schwebt. Ein Clown, der die Menschen zum Lachen bringt. Mutter und Ehefrau, die auf dem Bauernhof den Haushalt schmeisst. Das ist Katharina Amrein. Lachend balanciert sie auf dem Klauenstand, auf den sie für das Foto geklettert ist. Sie hat sich eine Blume ins Haar gesteckt, die Lippen knallrot geschminkt und winkt mit einem Fächer in der passenden Farbe in die Kamera. «Das Spielerische gefällt mir», erklärt sie. Als Clown oder komische «Personnage» wie sie es nennt, trägt sie zwar nie eine rote Nase. Doch Schminke und Utensilien gehören zu ihrer Erscheinung dazu und helfen, sich in eine andere Person zu verwandeln.


Vom Seiltanz zum Clown


Für Katharina Amrein war schon früh klar, dass sie einmal Seiltänzerin werden wollte. Zuerst absolvierte sie jedoch das Lehrerseminar. «Weil da Sport wichtiger ist als im Gymnasium. Und weil ich gerne mit Kindern arbeite», erklärt die 38-Jährige und lacht. Sie arbeitete schliesslich nur kurz als Lehrerin, bevor sie sich endgültig dazu entschied, die Zirkusschule in St. Gallen zu besuchen.


Es folgten Ausbildungsjahre in Frankreich, Italien und Belgien. Nach ihrem Abschluss war sie eine Saison lang mit dem Zirkus Harlekin in der Schweiz unterwegs, dann zwei Jahre mit einem Zirkus in Italien. Ihre Seiltanznummer wurde bald durch komisch-lustige Elemente ergänzt. «Bereits im Lehrer-Semer sagten alle, ich werde sicher der Clown im Zirkus. Das wollte ich nie. Ich habe mich dagegen gesträubt. Ich dachte immer, Clown sei, wer sonst nichts könne», erzählt Amrein. Bis sie mit einem Regisseur zusammenarbeitete, der sagte: «Clowns dürfen alles, auch auf dem Seil tanzen.» Das eröffnete ihr neue Perspektiven. Von da an genoss sie es, die Leute mit Spässen zum Lachen zu bringen. «Für mich gehört nun beides – der Seiltanz und der Clown – zum Zirkusmachen dazu», sagt sie.


Das Leben als Artistin nahm ein jähes Ende, als sie vom Seil stürzte und sich verletzte. Sie entschied sich, zurück in die Schweiz zu kommen, um wieder zu unterrichten. Ausserdem bildete sie sich weiter und studierte Theaterpädagogik. «Für mich ist es wichtig, mich weiterzuentwickeln und meine Träume auszuleben. Das muss nicht alles gleich morgen wahr werden. Aber ich habe eine Liste mit Projekten, die ich einmal verwirklichen möchte und es ist immer wieder schön, wenn ich den einen oder anderen Punkt erfüllen kann», erzählt Amrein.


Kinder halten auf Trab


Vor sechs Jahren lernte sie ihren Ehemann Martin Schweizer kennen. Ein Jahr später zog sie zu ihm auf den Bauernhof in Köniz BE. Damit verabschiedete sie sich endgültig vom Leben als Artistin, die immer umherzieht, im Wohnwagen wohnt und die grossen Städte besucht.

Ein Leben auf dem Bauernhof war vielleicht nicht so geplant. «Aber wenn man jemanden gern hat, spielt das gar keine Rolle», sagt Katharina Amrein. Ausserdem habe sie zu der Zeit sowieso überlegt, aufs Land zu ziehen und vielleicht einen Hund zu kaufen. Sie sei lange gereist. Den Drang nach Neuem habe sie stillen können. Und sich auf einem Bauernhof niederzulassen, sei eigentlich das Passendste: «Zirkusleute haben grosse Ähnlichkeit mit Landwirten. Sie arbeiten ebenfalls selbstständig, geniessen dadurch Freiheiten, chrampfen aber auch viel. In der Manege gehörte das Seil mir. Hier schauen wir zu unserem Betrieb.» Mehr Ferien seien zwar ein Dauerthema in ihrer Beziehung. Doch sie habe als Artistin auch nicht wirklich mehr Freizeit genossen, meint Amrein und schmunzelt.


Heute ist Katharina Amrein Mutter von zwei kleinen Kindern und hat damit alle Hände voll zu tun. «Die beiden geben den Rhythmus des Tages vor. Früher hatte ich 100'000 Projekte aufs Mal. Jetzt konzentriere ich mich auf meine zwei Töchter», erklärt die Mutter. Auf dem Bauernhof hält sie den Haushalt in Schuss. «Ich mag es, Lebensmittel wie Brot oder Konfitüre selber herzustellen. In andere Aufgaben, etwa das Kochen, muss ich noch etwas hineinwachsen. Doch wenn dann ein grosser Tisch voller Leute am Zmittag sitzt, finde ich das super», so die 38-Jährige.

Zusätzlich arbeitet sie an zwei Tagen in der Woche als Spital-Clown bei der Stiftung Theodora. Zum einen sei das eine schöne Abwechslung. Zum anderen ein willkommener finanzieller Zustupf: «Das ermöglicht vielleicht später einmal eine Haushaltshilfe.» Denn Putzen, Waschen und Kochen gibt manchmal ganz schön zu tun. Auf die Dauer wolle sie das nicht als einzige Tätigkeit machen, meint sie. Im Moment ist es für sie eine Herausforderung, die Kinder halten sie auf Trab und sie geniesst das sehr.


Ideen für Theater


Doch wenn die Töchter älter werden, wird Katharina Amrein wieder mehr Zeit haben und will dann wieder andere Sachen in Angriff nehmen: «Ich kann mich in der Arbeit verlieren. Der grosse Haushalt ist im Moment eine Ausrede dafür, nicht kreativ zu sein.» Längerfristig möchte sie sich dafür aber wieder vermehrt Zeit nehmen.

Die Künstlerin überlegt beispielsweise, einen kulturellen Treffpunkt auf dem Hof zu eröffnen, mit Theaterworkshops für Klein und Gross. «Das ist so ein Punkt auf meiner Ideenliste», sagt sie und lacht. Das wäre die Möglichkeit, anderen Menschen ihre Leidenschaft für die Akrobatik, die Komik und das Leben auf der Bühne weiterzugeben. Sie könnte Kunst, Unterricht und Bauernhof verbinden – alles Aspekte, für die Katharina Amrein mit Begeisterung und viel Energie und Lebensfreude ans Werk geht.


Deborah Rentsch