Wie letzten Freitag bekannt wurde, ist im Kanton St. Gallen ein neuer Fall von Rindertuberkulose aufgetreten. Das betroffene Rind hatte sich vermutlich im Sommer 2013 oder sogar schon 2012 auf einer Alp im Vorarlberg mit dem Erreger angesteckt. Damit handelt es sich bereits um den zweiten, unabhängigen Fall, bei dem Rinder Tuberkulose aus dem Raum Vorarlberg in die Schweiz eingeschleppt worden ist.

Strengere Auflagen und höhere Kosten
Der jüngste Fall hat nun zur Folge, dass das Veterinäramt St. Gallen in Absprache mit andern Kantonen, dem Fürstentum Liechtenstein und mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) strengere Vorschriften für im Vorarlberg gealptes Rindvieh erlässt. Kantonstierarzt Albert Fritsche rät von einer Sömmerung in Österreich ab. Für Bauern, die ihr Vieh trotzdem im Raum Vorarlberg sömmern, gilt folgendes:   

  •   Die Tiere unterstehen nach ihrer Rückkehr einer Tierverkehrssperre im Heimbetrieb von mindestens sechs bis acht Wochen, bis zum Vorliegen eines negativen Testergebnisses.
  •  Die Kosten für den Hauttest und allfällig weitere Untersuchungen muss der Tierhalter übernehmen.
  • Müssen Tiere ausgemerzt werden, so werden sie nicht aus der Tierseuchenkasse entschädigt.

 
Genügend Platz auf den Schweizer Alpen
1000 Rinder aus der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein verbringen jährlich den Sommer auf den Vorarlberger Alpen. Da stellt sich die Frage, ob es für diese 1000 Tiere genügend Platz auf Schweizer Alpen hätte. Beim St. Galler Bauernverband hat man da keine Bedenken, im Gegenteil.

Geschäftsführer Andreas Widmer ist überzeugt, dass die strengeren Vorschriften ein positives Signal für Alpplätze in der Schweiz sind: «Die Zeit für einen Wechsel ist aktuell günstig: Erstens erhalten die Bauern ab diesem Jahr einen Alpungsbeitrag – vorausgesetzt sie sömmern ihr Vieh in der Schweiz. Zweitens sind die Zahlen von gesömmertem Jungvieh rückläufig, so dass es auf Schweizer Alpen genügend freie Plätze haben wird.» Allerdings empfiehlt Widmer, sich allmählich umzusehen. Nicht der Platz, sondern die Organisation sei das Problem.

Peter Nüesch, Präsident SGBV, geht davon aus, dass auch 2014 ein Teil der Betriebe das Vieh nach Vorarlberg bringt. «Viele Betriebsleiter haben langjährige Beziehungen zu den Alpbetrieben oder sind selber Pächter einer Alp. Zudem könnten die höheren Transportkosten für weiter weg gelegene Alpen ausschlaggebend sein, das Vieh in Österreich zu sömmern», so Nüesch.

Hirschbestände im Auge behalten
Beim in der Schweiz isolierten Erreger handelt es sich um den Mycobacterium caprae-Typ Lechtal, der über Hirsche übertragen wird. Könnte also bald auch schon unser Wild mit dem Tuberkuloseerreger infiziert sein? Andreas Widmer gibt Entwarnung: Der St. Galler Bauernverband sei seit Längerem in Gesprächen mit der kantonalen Jagdverwaltung und dem Veterinäramt. Ziel sei, die Bestände in einem Mass zu halten, dass die Hirsche einen genügend grossen Lebensraum haben. «Ich würde nicht sagen, dass gar keine Gefahr einer Tuberkuloseübertragung durch Wild besteht, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das Risiko extrem klein.»

Auch Albert Fritsche geht davon aus, dass zurzeit keine Gefahr besteht. Er gibt jedoch zu Bedenken: «In Österreich sind dringende Massnahmen zur Reduktion der Hirschbestände gefordert, denn es wurden schon einige Tuberkulosefälle entdeckt.» Problematisch sei vor allem, dass in Österreich die Hirsche im Winter zugefüttert würden, was die Situation zusätzlich verschärfe. «Wenn es zu einer Zuwanderung in die Schweiz kommen sollte, ist das Prättigau aber eher gefährdet als der Kanton St. Gallen», sagt der Kantonstierarzt.

Stefanie Vögele