Die Anfrage, ob sie die Geschichte für ein Bilderbuch über das Leben auf der Alp schreiben wolle, kam für Salome Siegenthaler ganz unerwartet. Der Baeschlin Verlag suchte via Sekretariat von Bio Glarus eine geeignete Autorin und wurde bei der vielseitig talentierten Bäuerin fündig. «Ich wusste sofort, welche Geschichte zu diesem Thema passt», erzählt Salome Siegenthaler rückblickend. Die heute in einem Teilpensum als Kindergärtnerin tätige Mutter war etliche Jahre Älplerin. Dabei erlebte sie so einiges.
Nicht alles ist Fiktion
Die Geschichte von Sofie beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Sturz von «Sünneli» in ein unter Alpenrosen verstecktes Loch fand tatsächlich einst statt. «Hätte der Hund nicht bellend auf die Situation aufmerksam gemacht, wäre das Tier wohl nie gefunden worden», versichert Salome Siegenthaler. Auch die aufwendige Bergung mit dem Helikopter entspricht der Realität. Allerdings mussten die Retter damals das Rind an den Hörnern hochheben. Denn es war unmöglich, ihm eine Gurte um den Bauch zu legen. Siegenthaler als zuständige Älplerin konnte bei dieser Szene kaum hinsehen. Doch das Rind überstand die Rettungsaktion ohne grössere Blessuren und verbrachte den Sommer weiterhin auf der Alp.
Ganze Familie integriert
Für Kinderseelen wäre eine solche Rettung nicht zumutbar gewesen. Deshalb mussten Anpassungen und Ergänzungen vorgenommen werden. Der Verlag bestand zum Beispiel auch darauf, dass eine Älplerfamilie durch den Bildband führt. Obwohl die heute dreifache Mutter nur zu ledigen Zeiten ihr Älplerleben genoss, war es für sie ein Leichtes, ihre Familie in die Geschichte zu integrieren.
So steckt hinter Sofie eigentlich Salome Siegenthalers in etwa gleichaltrige, siebenjährige Tochter Flurina. Das vierjährige Nesthäkchen Sofie diente als Namensgeberin. Und während der zehnjährige Sohn Aaron mittels Beni Eingang in das Bilderbuch fand, übernahm André Siegenthaler klassisch die Rolle des Vaters.
Die Bilder des Buchs stammen von Karin Widmer. Die Künstlerin besuchte im letzten Herbst zusammen mit Salome Siegenthaler die Alp und hielt zur Gedankenstütze die Impressionen fotografisch fest.
Von Umsetzung begeistert
Salome Siegenthaler rühmt die gute Zusammenarbeit mit Karin Widmer und ist von der Umsetzung auf Papier begeistert. Dass auch ihr Hund und die Katzen auf den Bildern verewigt wurden, war ihr ein grosses Anliegen. Dies zeugt von der grossen Tierliebe, welche Siegenthaler auf ihrem knapp 20 Hektaren grossen Landwirtschaftsbetrieb ausleben kann.
Dort leben aktuell nebst neun Dexter-Mutterkühen mit ihren Kälbern auch 16 Bündner Strahlenziegen, etliche Gitzis und eine Herde Islandpferde. Letztere haben es der Pferdenärrin besonders angetan. «Ohne diese gibt es keine Salome», wirft Ehemann André spassend ein. Tatsächlich begleiten die Isländer die in den Kantonen Zürich und Aargau aufgewachsene dreifache Mutter schon sehr lange. Ihre zweite Leidenschaft, ganz dem Motto des Bilderbuches entsprechend, ist das Alpleben.
Nur dank den mahnenden Worten ihrer Mutter trat Salome Siegenthaler die Ausbildung zur Kindergärtnerin an. Lieber wäre sie schon früher hoch zu den saftigen Matten gestiegen. Ihren Abschluss kaum in der Tasche, begann sie dann ihren Traum zu leben.
Alp ruft nach Kindergärtnerin
Auf einer Rinder- und Mutterkuhalp verbrachte sie von nun an Sommer für Sommer, bis sie diese als erste Frau überhaupt pachten konnte. Die Wintermonate überbrückte Salome Siegenthaler am Theater Basel als Bühnenbildassistentin. Auf ihr ungewöhnliches Leben angesprochen, sagt die Alleskönnerin nur: «Das hat sich so ergeben.»
Für die Familie legte Siegenthaler ihr Älplerleben auf Eis. Als kleiner Wermutstropfen bleibt ihr eine rund 13 Hektaren grosse Sömmerungsweide. Diese konnte sie vor einigen Jahren pachten. «Dort kann ich wieder ungestört zäunen und fühle mich dabei fast wie auf der Alp», freut sich die dreifache Mutter. Tatsächlich liegt das «Älpli» aber am tiefsten Punkt ihres Landwirtschaftsbetriebs. Sogar das Wohnhaus steht ein gutes Stück weiter bergwärts.
Es ist ein altes, uriges Glarner Haus. Einige hundert Jahre zuvor hatte es der Erbauer, wohl eher zufällig, so ausgerichtet, dass vom Stubentisch aus Salome Siegenthalers frühere Alp erblickt werden kann: ein Anlass für die Kinder, immer wieder einmal nach den Erlebnissen ihrer Mutter zu fragen. Den Blick auf die Alp gerichtet, lauschen diese dann ihren Erzählungen. So entstand das Gerüst für den aktuellen Bildband.
Irgendwann zieht es die Siegenthalers vielleicht wieder Richtung Alp. Höhenluft schnuppern sie bis dahin jeweils beim Wildheuen. Denn dann nächtigt die ganze Familie für einige Tage in höheren Lagen. Obwohl die Arbeit streng und schweisstreibend ist, geniesst die ganze Familie diese Momente des Zusammenseins. Und vielleicht erzählt Salome ihren Kindern dann eine neue Geschichte vom Älplerinnenleben: Stoff für ein zukünftiges Bilderbuch.
Barbara Schirmer