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(Deutsche Übersetzung siehe Kasten)

Die bekannte US-Tierwohlexpertin Temple Grandin wiederholt es immer und immer wieder: «Das Tierwohl in Schlachthöfen kann man mit einfachen Mitteln verbessern.» Die Professorin der Colorado State University ist aus den USA angereist, um an der 17. Nutztiertagung des Schweizer Tierschutzes (STS) am Montag in Olten zu referieren. Thema des Tages war das Tierwohl auf Transporten und in Schlachthöfen.


Durchzug vermeiden


Temple Grandin kämpft seit mehreren Jahren für bessere Bedingungen für das Vieh in den Schlachthäusern. Vor zahlreich erschienenem Publikum führt die Expertin für das Verhalten von Kühen Beispiele auf, wie der Stress von Rindern bei ihrem letzten Gang vermindert werden kann. «Wenn ein Luftstoss die Kühe anbläst, werden sie im Treibgang nicht weitergehen», führt Grandin aus. Ebenso scheuen sie, wenn ein nasser Boden das Licht reflektiert, wenn ein Sonnenstrahl auf denselben fällt oder wenn der Eingang zur Betäubungsbucht dunkel ist. «Das sind alles bauliche Mängel, die die Betreiber relativ leicht und mit wenig Aufwand korrigieren können», so die Expertin. Komme sie in einen Schlachthof, könne sie die Probleme oft mit provisorischen Mitteln beheben. Wenn sich diese bewähren, kann sie der Betriebsleiter durch eine fixe Lösung ersetzen.

Neben dem baulichen Aspekt spielt auch die Ausbildung des Personals eine Rolle. Die Treiber müssen sensibilisiert werden, damit sie nicht beispielsweise dort hinstehen, wo die herankommenden Tiere sie sehen und in der Folge allenfalls stehen bleiben. Als Treibhilfen empfiehlt Grandin Fahnen oder Stecken. «Ein Elektrotreiber sollte hingegen nie die erste Priorität sein», sagt sie. Treibt das Personal die Tiere in kleineren Gruppen, gehen diese ruhiger und weniger gestresst. «Dadurch kann der Einsatz von elektrischen Treibmitteln reduziert werden», führt Grandin weiter aus.

«Kühe denken in Bildern»

Beobachtet man die Tiere genau, kann man sehen, was ihnen Angst bereitet. «Wir müssen einfach genau hinschauen», meint Temple Grandin. Hinschauen, das ist etwas, was sie gut kann. Ihr fallen Details auf, die klein, aber bedeutend sind. «Rinder denken nicht in Worten, sondern in Bildern. Für sie sind Eindrücke, ganz besonders die visuellen, sehr wichtig», erklärt Grandin. Ihr selbst ist dieses Denken bekannt.

Die 68-Jährige ist Autistin: «Ich visualisiere alles, auch meinen Weg am Flughafen vom Terminal zum Gate.»

Doch nicht nur visuelle Einflüsse können Kühe verstören, sondern auch Lärm. «Die Treiber sollten daher nicht schreien, um die Tiere zum Gehen zu bewegen. Metallische Geräusche wie das Zuschlagen von einem Gatter müssen reduziert werden», sagt Grandin. Weiter können die Kühe die Angst im Blut oder dem Urin ihrer Artgenossinnen riechen. «Waschen die Mitarbeiter alles gründlich weg, können sie der Panik der anderen Kühe entgegenwirken», so der Tipp der Expertin.


Fünf Kriterien bestehen


Mit ihrem Wissen über den Umgang mit dem Vieh ist sie in den USA und darüber hinaus bekannt geworden. Sie hat mitgeholfen, die Abläufe in den Schlachtfabriken in ihrem Land entscheidend zu verbessern. Sie entwickelte ein numerisches Punktesystem, das einen amerikanischen Schlachthof bewertet. Anhand von fünf Kriterien ermitteln die Kontrolleure, ob der Betrieb die von Grosskunden wie McDonalds orga-nisierten Tierschutz-Audits besteht. «Als wir mit den Kontrollen 1999 angefangen haben, waren die Werte schrecklich. Nur gerade 30 Prozent der Schlachthöfe konnten 95 Prozent des Viehs mit einem einzigen Bolzenschuss betäuben», erzählt Grandin ein Beispiel. Heute fallen Schlachthöfe bei der Bewertung durch, wenn sie weniger als diese 95 Prozent erreichen. Weiter müssen 100 Prozent der Tiere beim Entbluten wirklich noch bewusstlos sein.


Damit sie den Stress für die Tiere vor der Betäubung beziffern können, achten die Experten auf den Prozentsatz der Vokalisierungen. Muhen die Kühe, ist das ein Zeichen, dass sie gestresst sind. Ziel ist es, bei diesem Kriterium einen tiefen Wert zu erhalten. Weniger gestresste Tiere kommen den Mitarbeitern des Schlachthauses ebenfalls zugute. Ruhige Tiere vereinfachen den ganzen Schlachtungsprozess. Durch das richtige Handling konnten in den amerikanischen Schlachtbetrieben zudem die Unfallzahlen minimiert werden. Ein tiefer Wert sollte auch bei der Sturzrate erreicht werden, einem weiteren Kriterium des Audits. Der Anteil der Stürze des Viehs darf ein Prozent nicht überschreiten. Schliesslich achten die Kontrolleure darauf, wie häufig ein elektrisches Treibmittel zum Einsatz kommt.


Mit einfachen Massnahmen konnten die meisten der Schlachthöfe ihre Arbeit verbessern und somit die Audits bestehen, wie Temple Grandin sagt. Das sei auch gut so, denn: «Ich will die Zustände verbessern, nicht die Schlachthöfe abschaffen», betont sie.


Deborah Rentsch