«Das ist nicht meine Welt», so Wisi Zgraggens Kommentar zu seiner Medienpräsenz. Er sei sehr skeptisch gewesen, als ihn Verlegerin Gabriela Baumann-von Arx zum ersten Mal für ein Buch angefragt habe. Nach dem zweiten Treffen mit der Autorin Barbara Lukesch habe er dann zugesagt. «Der Zeitpunkt war einfach reif.» Den bewussten Schritt an die Öffentlichkeit macht Zgraggen seit dem Unfall immer wieder, auch um Gerüchten und Unwahrheiten vorzubeugen. Geredet werde sowieso, ein solches Schicksal interessiere die Leute eben.


Bauer mit Herzblut


Bei Barbara Lukesch habe die Chemie sofort gestimmt. Entscheidend war wohl auch ihre Einstellung, die im Vorwort zu lesen ist: «Ich wollte ein Buch über einen Bauern schreiben und keins über einen Behinderten.» Denn der Vollblutbauer möchte nicht auf seine Behinderung reduziert werden, «Bauernleben» handle vielmehr von der Landwirtschaft und Herzblut. So ging die Autorin auch der Geschichte des Bielenhofs auf den Grund oder erforschte die Schulzeit von Wisi, der als Bauernbub im Eisenbahnerdorf Erstfeld einen schwierigen Stand hatte.


Die ganze Familie kommt zu Wort und erzählt sehr offen darüber, wie der Unfall im Jahr 2002 ihr Leben auf den Kopf stellte. Die Eltern erinnern sich an den Tag, als Vater Alois, der leidenschaftliche Braunviehzüchter, abends nach der Auktion im fast leeren Stall von seinen Gefühlen übermannt wurde.

Hartnäckiger Optimist

Barbara Lukesch zeigte sich gegenüber der BauernZeitung absolut begeistert von der ganzen Familie Zgraggen, vor allem aber von ihrem Protagonisten: «Wisi ist ein hammer Typ, ein Wahnsinnsbauer und dazu ein absoluter Sonnenschein.» Bei rund 50 Begegnungen habe er ihr mit Engelsgeduld alles erklärt, was sie über das Bauernleben wissen wollte. Seine fehlenden Arme habe sie schon bald nicht mehr wahrgenommen, da das ganze Umfeld so entspannt und selbstverständlich damit umgehe.


Das Buch habe er bereits gelesen, sagt Zgraggen. «Wie? Natürlich mit den Augen», erklärt der Urner trocken. Auch wenn ihm die moderne Technik mit den E-Books zu Gute komme, gedruckte Bücher stellten keine unüberwindbare Hürde dar. «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg», diese Einstellung habe ihn schon vor dem Unfall begleitet und komme jetzt noch stärker zum Tragen. Die Hartnäckigkeit und sein positives Denken hätten ihm auf jeden Fall einen Vorteil verschafft, betont Wisi Zgraggen.


Hohe Ziele erreicht und...


Dies wird auch im Buch immer wieder eindrücklich vermittelt, etwa bei folgender Szene: Zehn Monate nach seinem Unfall habe sich Wisi zum Ziel gemacht, den 3073 Meter hohen Bristen zu besteigen, dessen Gipfel nur über einen schmalen Grat zu erreichen ist. Um das Risiko in Grenzen zu halten, hätten zuvor sein Schwager Peter und dessen Vater Kari die Strecke rekognosziert – mit den Händen in den Hosentaschen. Angeseilt, aber aus eigener Kraft, habe Wisi Zgraggen danach den Auf-, wie auch den Abstieg gemeistert und sei unbeschadet zurückgekehrt. Das Gefühl sei überwältigend gewesen.

Überwältigt war er auch bei der Lektüre ab und zu, «dann ging ich zwischendurch wieder in den Stall, um die hochkommenden Gefühle zu sortieren».

Es sei anders, seine Geschichte aus der Feder von jemand anderem zu lesen, als sie immer wieder selbst zu erzählen. Unabhängig davon sei es jedes Mal wieder ein Verarbeiten und bringe ihn ein Stück weiter weg vom Unfall.

...auf dem Boden geblieben

In Vorträgen schildert der Meisterlandwirt immer wieder seine Lebensgeschichte und seine schier unfassbar positive Grundhaltung, dieses «Gottvertrauen». Und doch nimmt er nicht zu viele solcher Anfragen an, denn «ich will authentisch bleiben». Wie er reagieren würde, falls jemand seine Geschichte verfilmen wollte? «Ich würde wohl erst einmal lachen. So weit habe ich noch gar nie überlegt.»

Andrea Gysin


Infos über die Familie Zgraggen unter: www.dexterzucht.ch