«Eigentlich wollten sie ja Renzo Blumenthal. Aber zweite Wahl nach Renzo zu sein ist ja auch schön», sagt Bernadette Buchli und lacht.


Die Familie Buchli – das sind Ernst und Bernadette mit den Kindern Claudio und Larissa – sind eine von 27 Schweizer Bauernfamilien, die für das Projekt «Mein Bauer. Meine Bäuerin» aus ihrem Alltag berichten. Auf Facebook, mehrmals pro Woche, mit Fotos und kurzen Texten. Buchlis vertreten während eines Jahres den Kanton Graubünden, angefragt wurden sie vom Präsidenten des Bauernvereins Surselva.


Zuerst waren Buchlis skeptisch

Offiziell startete die Aktion zum UNO-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe Anfang Jahr, aber Bernadette Buchli ist bereits seit Anfang September aktiv. Kurz vor Weihnachten hat sie bereits 101 Likes, also Leute, die «Gefällt mir» gedrückt haben, um immer die neusten Meldungen von Buchlis zu erhalten. Auf Facebook war Bernadette Buchli vorher nicht. «Unser Sohn hatte ein Profil, die Kinder haben mit solchen Dingen mehr Erfahrung...»


Entsprechend war das Bauernpaar aus Versam erst skeptisch: «Sogar sehr skeptisch», sagt Bernadette Buchli. Aber sie wurden von den Projektverantwortlichen des Schweizer Bauernverbands (SBV) professionell vorbereitet und weiterhin eng begleitet. «Man muss schon aufpassen, was man macht», sind sich Ernst und Bernadette einig. Sie wollen nicht ins Peinliche verfallen, nicht ins zu Intime gehen, einen gewissen Schutz für Familie und Kinder aufrechterhalten. Für das Aktualisieren des Facebook-Profils ist Bernadette zuständig. «Meine Frau ist PC-affiner als ich», scherzt Ernst Buchli – die ganze Familie denkt aber mit und liefert Ideen.


Bernadette Buchli hat auch schon herausgefunden, was die Leute am meisten interessiert: «Sie wollen die Kinder, die Umgebung, Tiere und den Stall sehen.» Kürzlich habe sie ihre frisch gebackenen Weihnachtsgüetzi online gestellt, diese seien zum Beispiel auf weniger Interesse gestossen als das Foto der neugeborenen Zwillingskälber.


Auf die Güetzi reagieren dann auch eher Menschen aus dem Umfeld und dem Bekanntenkreis als Leute, die sie nicht persönlich kennen. Diese machen zurzeit etwa ein Drittel der «Gefällt mir»-Angaben aus, aber das dürfte sich im Lauf der Zeit noch ändern.


Die Realität des Bauernlebens zeigen

«Natürlich gehören auch alltägliche Dinge auf das Profil», sagt Ernst, man wolle schliesslich die Realität abbilden und nicht nur «alles schön hinstellen.» Die beiden sind sich auch bewusst, dass mit einer gewissen Öffentlichkeit auch negative Kommentare kommen werden – und stellen sich darauf ein. «Wenn es geht, kann man darauf eine fachlich fundierte, neutrale Antwort geben. Wenn ein Kommentar aber weder Hand noch Fuss hat, muss man darüber stehen können und besser auch keine Antwort geben», sagt Ernst Buchli.


Er findet es deshalb auch wichtig, dass die schreibenden und Fotos postenden Bauernfamilien vom Bauernverband gut begleitet werden – schliesslich könne ohne bösen Willen auch einmal ein Bild gepostet werden, dass schlecht sei für das Image der Landwirtschaft.


«Das Beste daraus machen»

Was ist ihre Motiviation, mitzumachen? «Wir wollen zeigen, dass wir ein ganz normaler Betrieb sind – und trotzdem vielleicht nicht der typische Bündner Betrieb», sagt Bernadette Buchli. Zum Beispiel setzen sie nicht stark auf Direktvermarktung wie viele andere Bündner Betriebe, sie produzieren nicht Bio, sondern IP-Suisse und halten keine Mutterkühe. «Wir sind ein mittlerer Betrieb, hätten gerne mehr Land, aber das ist nicht möglich, und Ernst muss auch auswärts arbeiten gehen.»


Sie wollen zeigen, dass es so auch gehe und dass sie zufrieden seien. «Das versuchen wir auch unseren Kindern zu vermitteln, dass man zufrieden ist, mit dem, was man hat und daraus das Beste macht.»


Kälbermast und Zuchtvieh

Die ganze Milch der 13 Kühe wird vertränkt. Die Standbeine des Betriebs sind Kälbermast und der Verkauf von Zuchtvieh. Im Stall stehen etwa 55 Tiere. Der Betrieb ist 29 Hektaren gross, davon sind 40 Prozent Ökofläche, «alles extensiv und zum Teil über 15 km weit weg», erklärt Ernst.


«Die Agrarpolitik 2014–17 kommt uns entgegen.» Viele Hänge des Betriebs sind steil, über ein Drittel der Fläche hat  über 35 Prozent Neigung. «Wir haben es gerechnet und sollten ohne Einschränkungen und Änderungen auf dem Betrieb einiges mehr an Geld bekommen.» Er findet, dass die richtigen Betriebe von der Neuausrichtung der Agrarpolitik profitieren.


Auswärts arbeiten erweitert den Horizont

Wie es später einmal weitergeht mit dem Betrieb, steht noch in den Sternen. Sohn Claudio interessiert sich sehr für Maschinen und Feldarbeit, das Vieh sagt ihm weniger.Er möchte Landmaschinenmechaniker lernen oder etwas im handwerklichen Bereich. Danach liegt eine Zweitlehre zum Landwirt im Bereich des Möglichen. Falls er übernehmen sollte, wollen Buchlis in einen neuen Stall investieren und auf Mutterkühe umstellen.



«Ich könnte gut und gerne doppelt so viel auswärts arbeiten, wenn ich das denn wollte», sagt Ernst Buchli. Zurzeit ist das noch Zukunftsmusik. Er ist im landwirtschaftlichen Kontrolldienst tätig (10 bis 15 Stellenprozent), daneben arbeitet er in Meliorationen mit, als Obmann und Schätzer. In den letzten zwei Jahren war er intensiv für ein Meliorationsprojekt im Schanfigg engagiert und dafür viel unterwegs. Das sei recht anspruchsvoll, bringe ihm aber auch viel, erweitere den Horizont und sei ein Ausgleich zum Betrieb. Auch in einem Landschaftsqualitätsprojekt arbeitet er mit.


Klassische Rollenverteilung

Bernadette Buchli geht servieren und ist im regionalen Bauernverein tätig. «Das gibt mir viel zurück», hält sie fest. Zur Rollenteilung auf dem Betrieb meint sie lachend: «Er hat den Stall, ich den Haushalt und das Büro, die Kinder haben wir zusammen.»


Sie ist in Vals in einer Bauernfamilie aufgewachsen, der Bruder hat den elterlichen Betrieb übernommen. Einen Bauern zu heiraten hat sie nie geplant, «das war Zufall. Aber ich sagte immer, wenn der Richtige kommt, bin ich dafür zu haben.» Eine grosse Hilfe ist der Schwiegervater, der sich mit 72 Jahren bester Gesundheit erfreut und viel mitarbeitet. Im Sommer hilft die ganze Familie, anders ginge es kaum.


Ferien bringen Freude und neue Energie

Obwohl es immer viel zu tun gibt, nimmt sich die Familie jedes Jahr Zeit, knapp eine Woche in die Ferien zu fahren. «Für uns sind fünf Tage jeweils wie für andere Familien drei Wochen», sagt Bernadette. Sie sagt, sie sei sicher, dass ihnen die Kinder, Claudio und Larissa, dies später einmal danken würden. Besonders zehren sie immer noch von den Tagen am Meer auf Mallorca. «Ausserdem kann ich meinem Mann ein Kränzchen winden. Wenn wir in den Ferien sind, sind wir in den Ferien. Er kann gut abschalten.»


Ernst und Bernadette Buchli wirken glücklich und haben eine sympathische und positive Ausstrahlung. Genau die richtige Familie, um ein positives, aber realistisches Alltagsbild einer Schweizer Bauernfamilie zu vermitteln. Das ist ihr Ziel und das dürfte ihnen mühelos gelingen.

Jeanne Woodtli

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