Die lebendige Lust an der Auseinandersetzung in der Landwirtschaft beflügelt. Der Dialog wird mehr gepflegt als in anderen Branchen. Nicht immer glückt er, manchmal prallen Positionen unversöhnlich aufeinander. Sich «zweinigen» und beide Positionen mal vorübergehend stehen lassen, wäre auch eine Option.
«Das Gespräch setzt voraus, dass der andere recht haben könnte.» So richtig dieses Diktum des Philosophen und Humanisten Hans Georg Gadamer (1900–2002) ist, so schwierig ist es, diesem nachzukommen.
Wer sich nicht sagen lässt, verzichtet auf Erkenntnis
Im Umkehrschluss führen jene keinen echten Dialog, die sich im Vorhinein im Recht wähnen. Wer sich nichts sagen lässt, verzichtet auf Erkenntnis-Inputs des Gegenübers. Ob der Dialog nun gelingt oder nicht: Menschen aus der Landwirtschaftsbranche argumentieren und arbeiten aus existenziellen Gründen ergebnisoffener als Vertreter anderer Branchen.
Die gemeinsamen Interessen stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir müssen gemeinsam ackern, säen und es wachsen und gedeihen lassen, damit unsere Arbeit Früchte trägt. Indem wir den Boden lockern und pflügen, brechen wir laufend überkommene Strukturen und Denkmuster auf. Nährstoffe und Dünger respektive Unterstützung sind unerlässlich, um Zukunftsprojekte zu fördern. In der täglichen Arbeit kann es zu Konflikten und Missverständnissen kommen – mit unentwegtem Jäten beseitigen wir diese und erhalten unsere Produktivkraft. Die Pflege der Diversität mit Rotation von Ideen folgt der Notwendigkeit der Fruchtfolge.
Wer sich hilft, handelt unternehmerisch
Die Produktion von pflanzlichen und tierischen Produkten ist derart vielschichtig und komplex, dass ein Austausch über verschiedene Ansätze unverzichtbar ist. Ständig offen für neue Ideen zu sein und innovative Lösungen zu finden, ist eine Pflicht. Die fortwährenden technischen Innovationen, gesetzlichen Änderungen und wechselnden Marktanforderungen zwingen uns zur stetigen Weiterbildung.
Die Landwirtschaft ist den Launen der Natur und weiteren Unwägbarkeiten ausgesetzt. Das daraus resultierende Einsehen der eigenen Begrenztheit fördert eine respektvolle Gesprächskultur. Wer kooperiert, kann Vieh und Felder besser bestellen, sei es für den gemeinsamen Einkauf von Saatgut, den Verkauf von Produkten oder die Nutzung von Maschinen. Wer sich gegenseitig hilft, sei es bei der Ernte, bei technischen Problemen oder in Notsituationen, handelt unternehmerisch.
Motor ist die Leidenschaft
Die Verwurzelung in der Tradition und die Verankerung in lokalen Gemeinschaften fördern den Dialog und die Bereitschaft, soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen – auch für die nächste Generation. Die Dialogbereitschaft in der Landwirtschaft beruht auf vielen Faktoren. Motor ist und bleibt aber die Leidenschaft für Tier und Natur. Dass es auch mal rumpelt, ist ein starkes Lebenszeichen. Schliesslich geht es um nichts weniger als Existenzfragen.