Grosse politische Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. In diesem Fall die pendenten Pflanzenschutz-Initiativen. Die Delegiertenversammlung des Schweizer Bauernverbands (SBV) in Bern war deshalb auch eine Abstimmungskampf-Veranstaltung.
"Inkonsequente Konsumenten"
"In verschiedenen Themen sind wir derzeit vehementer Kritik ausgesetzt", sagte Präsident Markus Ritter in seiner Eröffnungsrede. Das sei nicht neu: "Seit wir dank unserem Wohlstand keine existenziellen Nöte und Hunger mehr kennen, spiegeln die Erwartungen an die Landwirtschaft die gesellschaftlichen Entwicklungen wider", so Ritter.
Die Erwartungen seien aber alles andere als einhellig und konsequent. "Obwohl die meisten Konsumenten sagen, dass sie eine noch umweltfreundlichere Landwirtschaft mit weniger Pflanzenschutzmitteln, keine synthetischen Hilfsstoffe, weniger Importfutter, Auslauf für alle Nutztiere und sowieso möglichst kleine Tierbestände wollen, harzt der Absatz von Bioprodukten und Produkten anderer Label", bilanzierte Ritter. Diese Widersprüchlichkeit und Inkonsequenz mache es für die Bauernfamilien besonders frustrierend.
"Enormes Frustpotenzial"
Die geballten, medialen Attacken der letzten Monate hätten enormes Frustpotenzial, sagte Ritter. Man habe den Eindruck gewonnen, dass die Schweizer Landwirtschaft alles falsch macht und komplett an den Wünschen der Bevölkerung vorbei produziert.
Kaum ein Medium habe sich die Mühe gemacht z.B. die breit geschlagene Chlorotalonil-Geschichte wirklich zu analysieren. "Dass wir Bauernfamilien hier nichts, aber auch gar nichts falsch gemacht haben, wollte niemand hören".
Er sei überzeugt, "dass wir nicht in erster Linie neue Gesetze und Verordnungen brauchen", sagte Ritter. Vielmehr müsse sichergestellt werden, dass alle Betriebe die bestehenden einhalten. Jeder Vorfall und Gesetzesverstoss schade dem Image und damit allen. "Wir produzieren vor aller Augen und im öffentlichen Rampenlicht – ob uns das gefällt oder nicht. Und wir müssen uns jederzeit entsprechend verhalten", sagte Ritter.
"So etwas habe ich noch nie erlebt"
Auch der Stv. Direktor Urs Schneider nahm sich des Bauernbashings der Medien an. Er sei schon lange im Geschäft, aber so etwas habe er noch nie erlebt.
Was die Abstimmung zu den Pflanzenschutz-Initiativen angeht, erklärte Schneider, der wahrscheinlichste Abstimmungstermin sei nun der November 2020. Der Termin im vierten Quartal ist laut den Bundesbehörden der
29. November 2020.
Man müsse mit der Kampagne noch viel stärker in die mediale Breite kommen, so Schneider. Er stellte dazu Zeitungsinserate und eine Plakataktion in Aussicht. Gute Erfolge seien bereits auf Social Media zu verzeichnen, auf dieser Schiene sieht Schneider eine der strategischen Erfolgspositionen im Abstimmungskampf.
Er berichtete von bis anhin hohen Zustimmungsraten für die Initiativen. Diese zu vermindern werde im vorliegenden Fall schwieriger, als bei früheren Volksbegehren wie etwa Fair Food, wo noch kurz vor dem Abstimmungstermin hohe Zustimmung zu verzeichnen war.
Erfolgreicher Mitteleinzug
In Sachen Verbandsfinanzierung konnte Urs Schneider einen Erfolg vermelden. Insgesamt sei die Zahlungsbereitschaft sehr hoch, 93% der in Rechnung gestellten Beiträge seien 2018 bezahlt worden, das sei ein Aufsteller, so Schneider. Auch für 2019 sehe es gut aus.
Die Mittel für die Finanzierung der Verbandstätigkeit sollen wie bisher zu 40% produktgebunden und zu 60% flächengebunden eingezogen werden. Die Beiträge pro Hektare bleiben weiterhin bei Fr. 4.30 im Tal, Fr. 3.50 in der Hügelzone und Fr. 2.65 im Berggebiet.
Neuwahlen in die Landwirtschaftskammer
Markantestes Wahlgeschäft war die Besetzung des Vizepräsidiums, neue Inhaberin des Frauenpostens an der Spitze des SBV ist Anne Challandes, die einstimmig gewählt wurde.
Neu in die Landwirtschaftskammer gewählt wurden Beat Brunner, Ueli Kuhn, Marc Brodbeck (alle als Kantonsvertreter), Rudolf Stucki, Christian Glur, Anne Challandes, Jeanette Zürcher-Egloff, Stephan Hagenbuch, Jakob Widmer und Marcel Dettling (als Vertreter der Fachorganisationen).
Moderater Stellungsbezug in Sachen AP 22+
In Sachen Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) erklärte Francis Egger, man unterstütze den markantesten Schritt in Sachen Direktzahlungen, nämlich den Ausbau der Produktionssystembeiträge. Zustimmung findet beim SBV auch die Unterstützung von Ernteausfallversicherungen durch den Bund.
Im Übrigen zeigte er sich zurückhaltend mit weiteren Kommentaren, hinter den Kulissen scheinen noch viele Diskussionen im Gang.