Walchwil Nein, da ist kein Druckfehler im Titel. Es geht nicht um Misteln, die als Weihnachtsdeko beliebte Schmarotzerpflanze mit den kleinen, weissen und ungeniessbaren Beeren. Die Mispel war bei uns lange als wichtiger Obstbaum weit verbreitet und geschätzt. – Und ging beinahe vergessen.
Raue orange-goldene Frucht
Mit den heutigen Ansprüchen an Früchte kann die Mispel nicht mithalten, obwohl ihre Früchte herrliche Konfitüren und Säfte liefern. Die hiesige Mispel, Mespilus germanica, gehört wie die Quitte zur Familie der Rosengewächse und stammt aus Kleinasien. Dank der Römer kam sie vor 2000 Jahren nach Mitteleuropa. Im Mittelalter war die Mispel in Europa weit verbreitet und geschätzt. Mit weissen, grossen Blüten blüht sie als letzter Obstbaum im Mai und Juni.
Im Spätherbst bleiben die pflaumengrossen Früchte am Baum, wenn schon alle Blätter weg sind. Mit fünf Steinkernen ähneln sie den Holzäpfeln. Die Haut ist ledrig-rau und leuchtet gold-orange. Auffallend sind die Kelchblätter. Bei genauerer Betrachtung der Frucht kann man sich durchaus vorstellen, weshalb sie im Volksmund auch «Hundsärschli» genannt wird. Bis zur Reife sind die Früchte steinhart und stark gerbsäurehaltig. Für die Ernte muss der Baum geschüttelt werden. Genussreif sind sie erst nach dem ersten Frost und längerer Lagerung in der Kälte. Diese hilft, die Gerbstoffe ab- und das Aroma aufzubauen. Die Frucht bekommt braune Flecken und wird weich. Das Fruchtfleisch ist teigig, ähnlich einer Birne, und schmeckt fruchtig-säuerlich.
Rezept für Mispel-Mus
Mispel-Mus eignet sich hervorragend als Füllung einer Biscuit-Roulade. Zum Rezept.
Der hohe Gerbstoffanteil mildert die Trübung von Wein und Most, verbessert dessen Haltbarkeit, und der hohe Pektingehalt lässt Konfitüren gut gelieren. Zwei der Gründe, weshalb die Früchte früher besonders begehrt waren. Selbst Karl der Grosse ordnete den Anbau an und Hildegard von Bingen meinte: «Die Mispel ist für Kranke und Gesunde gut und nützlich, weil sie dem Menschen die Muskeln wachsen lässt und sein Blut reinigt.»
Als Luxus im Chlaussack
Stimmt, die Mispel ist auch als Heilmittel bekannt: Sie wirkt entzündungshemmend, cholesterinsenkend, darmregulierend und harntreibend. Drei bis vier Mispeln entsprechen dem Gesundheitsfaktor von zwei Äpfeln. Sie ist mit 42 Kalorien pro Frucht eine Nährstoffbombe und hat einen sehr hohen Vitamin C-Gehalt. Sogar Blätter und Rinde werden in der Pharmaindustrie eingesetzt.
Verwechseln sollte man die hiesige Mispel nicht mit der «Nespole», der japanischen Wollmispel. Diese ist gelblich, glatthäutig und kann samt Haut verzehrt werden. Die beiden sind nur entfernt miteinander verwandt.
Bevor die Mandarinen bei uns Einzug hielten, war eine Mispel im Chlaussack ein kleiner Luxus. Die Früchte wurden gedörrt oder roh gegessen, am häufigsten aber als Kompott genossen. In alten Kochbüchern finden sich viele wunderbare Rezepte für Backwerk, Sirup und Likör. In etwas Most aufgekocht und durch ein Sieb passiert, ergibt das ein Mus für Füllungen, Kuchen, Nussgipfel und Konfitüren. Mispeln und Mispel-Mus kann man sehr gut tiefkühlen.