Die moderne Pflanzenzüchtung sei ein Segen für Mensch und Umwelt, postulierte der Titel einer Fachtagung am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Salez. Die Genom-Editierung abgeleitet vom englischen Genome Editing stellt den Züchtern neue Werkzeuge aus der Molekularbiologie zur Verfügung.

Die Werkzeuge dürfen allerdings in Europa und in der Schweiz nur in der Grundlagenforschung angewandt werden. In der Schweiz ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen bis in das Jahr 2021 verboten, ein entsprechendes Moratorium hat das Parlament bereits zweimal verlängert.

Viele Menschen befürchten, dass neue Technologien wie die Genom-Editierung zu Produkten führen, die nicht mehr zu beherrschen sind. Wie bei allen neuen Erfindungen dürfte es jedoch vor allem darauf ankommen, wie man sie anwendet. Selbst die Natur wendet die Werkzeuge der Genom-Editierung an, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Grosse Ertragssteigerungen dank Pflanzenzüchtung

Das Prinzip der klassischen Züchtung ist die wiederholte Auslese der Pflanzen, die dem Zuchtziel am besten entsprechen, erklärt Roland Peter, Leiter des strategischen Forschungsbereiches Pflanzenzüchtung bei Agroscope. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts kamen die Linien- und die Hybridzüchtung hinzu. Beide führten zu einer grossen Ertragssteigerung vor allem beim Mais. Die Hybridzüchtung baut auf dem Heterosis-Effekt auf. Das heisst, die Nachkommen der Kreuzung zweier Inzuchtlinien sind bedeutend leistungsfähiger als die Eltern. Die Werkzeugkiste der Forscher entwickelte sich weiter zur markergestützten Selektion bis zur Genomchirurgie, ein bildlicher Begriff für Genom-Editierung mit dem Ziel, das Erbgut mittels molekularbiologischer Techniken zielgerichtet zu verändern.

[IMG 2]

Gezielte Bestäubungsarbeit beim Ribelmais. (Bild Verein Ribelmais)

Auch Landsorten könnten von neuen Methoden profitieren

Ein Beispiel für die klassische Züchtung ist die Erhaltung und Weiterentwicklung des Rheintaler Ribelmaises. Im Gegensatz zu den allermeisten Maissorten ist der Ribel kein Hybridmais, sondern ein Landmais, der sich allmählich entwickelt und sich dauernd an die sich verändernden Umweltbedingungen anpasst, erklärt Hans Oppliger, Geschäftsführer des Vereins Rheintaler Ribelmais.

Der ursprüngliche Ribel war allerdings über längere Zeit kaum mehr angebaut worden und kam somit in "Rückstand" bei seiner Anpassung an den schleichenden Klimawandel. Er wurde anfällig auf den zunehmenden Pilzkrankheitsdruck. "Eine alte Sorte ist nicht per se resistenter. Es ist eher umgekehrt", hält der Ribelmaiszüchter fest. Die kleine regionale Zuchtorganisation ist daran, mittels Selektion die "schlechten" Eigenschaften auszumerzen. Es wäre für sie dabei eine grosse Hilfe, auf die Genotypisierung, das heisst auf Chromosomen-Landkarten, zurückzugreifen. Oppliger wünscht sich auch die Zulassung neuer Züchtungstechniken, bei welcher Gene innerhalb der gleichen Art ausgetauscht werden können. Man nennt dies die CIS-Genetik. Und nicht zuletzt sollten die Methoden auch für "kleine Pflanzenzüchter" finanzierbar sein.

Züchtung im Bio-Landbau essenziell

"Gentechfrei ist für die Schweiz eine echte Option, aber nicht global", hält Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau FiBL, fest. Um 50% mehr Lebensmittel für eine steigende Weltbevölkerung zu produzieren, müssten verschiedene Wege gegangen werden. Das könne zum Beispiel der Biolandbau sein, aber nur in Kombination mit einer drastischen Reduktion des Fleischkonsums und der Lebensmittelverschwendung.

Oder es könne auch eine beschleunigte Züchtung mit modernsten Methoden sein, falls diese Sorten in verbesserte, nachhaltige Anbausysteme eingebettet werden. "Die Züchtung auf eine bessere Nährstoffnutzung und auf Schaderreger-Resistenz ist auch für den Biolandbau essentiell", hält Niggli fest. Wenn dies mit der Kreuzungszüchtung möglich sei, müsse man jetzt massiv investieren. Sonst werde man vom schnellen Zuchtfortschritt mit Genom-Editierung abgehängt.

 

"Kreativität des Zufalls"

 

 

Pflanzenzüchter Markus Kobelt von der Lubera GmbH kommt ohne Gentechnik aus. Er kreiert durch Kreuzung und Selektion jährlich 5-15 neue Sorten. "Wir glauben an die Kreativität des Zufalls", ist seine Devise. Für Kreativität steht auch Bruno Studer, Professor für molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH. Doch will er die Kreativität nicht dem Zufall überlassen, sondern sie gezielt mittels Technik herbeiführen. Die Natur arbeitet bei der Abwehr von Viren mit Genscheren, welche die DNA schneiden. Die CRISPR-Cas-Technik imitiert diese Methoden. "Es ist einerseits ein Werkzeug der klassischen Gentechnologie, andererseits eine Methode, um einfachste Genomveränderungen, wie sie in der Natur täglich passieren, gezielt vorzunehmen", sagt Studer. Auf diese Weise eröffnen sich neue Möglichkeiten, Pflanzen gegenüber Krankheiten resistent zu machen. "Das Problem liegt nicht in der Gentechnik, sondern darin, wie man damit umgeht", fasst Studer zusammen. Es seien differenzierte Regelungen für die verschiedenen Anwendungen beim Menschen, Tier und bei der Pflanze notwendig.

Unterscheidung der Züchtungen oft nicht möglich

Der Europäische Gerichtshof hat im Juli 2018 entschieden, dass alle Organismen, die durch Verfahren der Genom-Editierung wie CRISPR-Cas verändert wurden, unter die rechtlichen Regelungen für "genetisch veränderte Organismen" (GVO) fallen. Namhafte wissenschaftliche Vereinigungen kritisieren diesen Entscheid. Er beruhe auf veralteten wissenschaftlichen Grundlagen und erschwere die Erforschung, die Entwicklung und den Anbau verbesserter Nutzpflanzen, die für eine produktive, klima-angepasste und nachhaltigere Landwirtschaft dringend erforderlich seien. Je nach Methode können die Veränderungen, welche die neuen Sorten im Erbgut tragen, auch zufällig oder durch konventionelle Züchtungsmethoden entstehen. Wenn eine Unterscheidung nicht möglich ist, lässt sich ein Verbot von "editierten" Pflanzen nicht kontrollieren.