Die Vertriebsfirmen in der Schweiz geben immer weniger Antibiotika an die hiesigen Tierärzt(innen) ab, stellt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) fest. 2011 lag die Gesamtmenge verkaufter Wirkstoffe noch bei 60'000 kg, 2021 sank sie auf 28'000 kg, was einer Abnahme um 53 Prozent innert 10 Jahren entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr sank der Wert über alle Wirkstoffklassen hinweg um 1,6, bei den kritischen Antibiotika um 7 Prozent. Das BLV interpretiert diese positive Entwicklung so, dass sowohl Tierärzte als auch Tierhalter(innen) stark auf das Thema Antibiotika sensibilisiert sind.
Auch weniger pro Tier
Wie im diesjährigen Arch-Vet-Bericht zu lesen ist, bleibt der Rückgang bei den verkauften Antibiotikamengen im Nutztierbereich auch nach einer Korrektur für den gesamten Nutztierbestand bestehen. Es liegt also nicht allein daran, dass es in der Schweiz weniger Tiere gäbe – auch pro Kilogramm Nutztier werden weniger Antibiotika eingesetzt.
Ausserdem kommen in der Tendenz eher parenteral (nicht über den Magendarmtrakt bzw. oral) verabreichte Präparate zum Einsatz. Das heisst, es wird z. B. mehr gespritzt statt Tabletten eingegeben, was auf eine gezieltere Behandlung erkrankter Einzeltiere und nicht ganzer Gruppen hindeute.
Resistenzlage stabil bis bessernd
Im Zusammenhang mit Antibiotika sind insbesondere sich ausbildende und verbreitende Resistenzen ein Problem. Das BLV überwacht die Resistenzlage in der Schweiz mit regelmässigen Untersuchungen bei Schlachttieren. Diese zeigten bei Mastschweinen und -kälbern 2021 eine stabile Situation, die Resistenzen gegen wichtige Antibiotika seien sogar teilweise sinkend im Vergleich zum Vorjahr.
Die 2019 eingeführte jährliche Überwachung von Antibiotikaresistenten bei tierischen Krankheitserregern zeigte nach Angaben des BLV keine signifikanten Veränderungen.
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Steigender Verbrauch bei Heimtieren
Die Statistik berücksichtigt Antibiotika für die Tiermedizin – unabhängig davon, ob sie für Haus- oder Nutztiere eingesetzt werden. 3,1 Prozent der Präparate (gemessen an der Gewichtsmenge der Wirkstoffe) sind laut Arch-Vet-Bericht nur für Hunde, Katzen und Co. zugelassen. Tendenziell unterschätze man ausgehend von den Verkaufszahlen die Einsatzmengen im Heimtierbereich, da die sowohl für Haus- als auch Nutztiere zugelassenen Präparate den Mengen für Nutztieren hinzugerechnet werden.
Seit 2018 gibt es jedes Jahr eine Zunahme Verkäufe von Wirkstoffen nur für Heimtiere, heisst es weiter; 2021 im Vergleich zu 2020 um 9 Prozent. Die Autoren sehen das aber sogar eher positiv – es würden weniger kritische und mehr «First-Line»-Antibiotika eingesetzt, so die Begründung. Ausserdem sei zu bedenken, dass gewisse Produkte erst seit 2020 vermarktet werden. Vorher habe man analoge Humanpräparate zur Behandlung von Haustieren genutzt, die entsprechend nicht in der Statistik auftauchten.
Gesamtmenge nur beschränkt aussagekräftig
Antibiotika-Vertriebsdaten (Gesamtmenge an Wirkstoffen in Kilogramm) lassen sich leicht erheben, haben allerdings einige Nachteile:
- Die meisten Präparate sind für mehrere Tierarten zugelassen, was die Interpretation der Daten erschwert.
- Je nach Tierart und Antibiotikaklasse braucht es verschiedene Dosierungen. Das wird in der Statistik nicht berücksichtigt.
- Die Wirkstoffe unterscheiden sich in ihrem molekularen Gewicht. Mehr Kilogramm heisst also nicht automatisch auch eine grössere Menge Arzneimittel.
Für die Resistenzbildung sei nicht die Verkaufsmenge allein entscheidend, sondern die Anzahl Behandlungen pro Tier bzw. die Anzahl behandelter Tiere pro Zeiteinheit und die Applikationsart, so der Arch-Vet-Bericht. Trotzdem bilde die Vertriebsmenge eine wichtige Datengrundlage, die dank dem neuen Informationssystem zur Antibiotikaabgabe ergänzt werde. Damit könnten Probleme spezifischer identifiziert und mit gezielten Massnahmen angegangen werden, so die Hoffnung.