In St. Gallen gebe es im Gegensatz zu den Nachbarkantonen keine griffigen Regelungen, die Verletzungen und Todesfälle von Wildtieren in unsachgemäss aufgestellten oder zurückgelassenen Zäunen verhindern würden. So argumentierten Pro Natura, WWF und die St. Galler Jäger, die gemeinsam die Initiative «Stopp dem Tierleid – gegen Zäune als Todesfallen für Wildtiere» lanciert haben. Diese sah vor, auf dem ganzen Kantonsgebiet Stacheldraht sowie Zäune im Wald (ausser als forstliche oder ökologische Schutzeinrichtungen) zu verbieten. Ausserdem sollten regelmässige Kontrollen und das Abräumen von Weidenetzen nach Gebrauch innerhalb einer Woche gesetzlich verankert werden. Da die Initiative im Kantonsrat keine Mehrheit fand, wurde ein Gegenvorschlag ausgearbeitet, der in einer überarbeiteten Fassung nun die Initianten zum Rückzug der Vorlage bewogen hat. 

Breite Zustimmung aller Beteiligten

Die grundsätzliche Stossrichtung der Initiative sei von Anfang an breit mitgetragen worden, heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung des Initiativkomitees, des St. Galler Bauernverbands und des kantonalen Volkswirtschaftsdepartements. Diskutiert wurde aber die Verhältnismässigkeit der vorgeschlagenen Bestimmung und deren Umsetzung. Der nun gefundene Kompromiss sieht vor:

  • Kein flächendeckendes Verbot für Stacheldraht: Stattdessen dürften sie im Sömmerungsgebiet weiter verwendet werden. Sobald dort aber keine Tiere mehr weiden würden, müsse der Draht abmontiert und auf den Boden gelegt werden. 
  • 8-Tage-Frist für den Auf- und Abbau mobiler Zäune, die noch nicht oder nicht mehr gebraucht werden.

Zusammenarbeit beim Rückbau

Ein Kernelement der Initiative und auch des Gegenvorschlags ist der Rückbau nicht mehr genutzter Zäune und Stacheldrähte. Allen Beteiligten sei klar, dass dies eine grosse Aufgabe sei, heisst es in der gemeinsamen Mitteilung. Bereits zu Beginn der Diskussion hätten aber Naturschutzverbände und die Jägerschaft dafür ihre Unterstützung angeboten, was sie nun beim Rückzug der Initiative bekräftigen. Nur mit gemeinsamen Anstrengungen könne man die vorgesehene 4-jährige Übergangsfrist einhalten. 

Der verabschiedete Kompromiss nach den emotionalen Auseinandersetzungen rund um die Tierleid-Initiative zeige, dass trotz Polarisierung noch eine «der Sache verpflichtete Politik» möglich sei. Daran solle man auch bei der Umsetzung denken, denn «die anvisierten Ziele im Dienst des Tierwohls werden nur erreicht, wenn gemeinsames, gegenseitig unterstützendes Engagement aktiv gelebt wird», wie es in der Mitteilung heisst. 

Bereit, den grössere Aufwand zu leisten

 

«Der vom Kantonsrat beschlossene Gegenvorschlag ist aus Sicht der Tierhalter eine deutliche Verbesserung gegenüber der Initiative», wird Andreas Widmer, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverband in der Mitteilung zitiert. So sei die Sicherheit der Nutztiere auf der Alp weiterhin gewährleistet und der Einsatz von Weidenetzen klarer definiert.

Die Regelungen würden zwar zusätzlichen Ressourcenaufwand bedeuten, die Tierhaltenden würden aber weiterhin ihren Beitrag für eine gemeinsame Nutzung des Lebensraumes leisten. Schliesslich sei Bäuerinnen und Bauern neben der natürlichen Koexistenz von Nutz- und Wildtieren auch die einvernehmliche Nutzung des Lebensraums durch die verschiedenen Akteure ein Anliegen, so Widmer. 

 

Sicher und wirksam zäunen

Kompromiss bringt mehr als «Durchboxen»

Der Kompromissvorschlag erfülle weitgehend, aber nicht vollständig die Ziele der Initianten, heisst es in einem Statement von Peter Weigelt, Co-Präsident des Initiativkomitees. Man habe aber aus Überzeugung zugestimmt, da die Vorlage Probleme lösen und keine PR-Aktion sein sollte. «Eine solche Lösung setzt voraus, dass sie auch akzeptiert wird. Daher bringt dieser Kompromiss, der von allen mitgetragen wird, mehr, als wenn wir unsere Ziele gegen die Anderen durchgeboxt hätten.»

Noch läuft für den Gegenvorschlag die Referendumsfrist. Wird kein Referendum ergriffen, treten die Gesetzesänderungen nach Ablauf der Frist in Kraft.