«Nein, ich möchte nicht, dass Sie meinen Namen erwähnen», sagt die Frau am Telefon. Ihre Stimme ist zittrig. In den letzten Nächten hat der Wolf in der Schafherde ihrer Schwester mehrfach zugeschlagen. Mittlerweile haben zwölf Tiere ihr Leben verloren. «Hört denn niemand die Verzweiflung dieser Menschen?», fragt die Frau. Ihre Schwester, die betroffene Schafhalterin, will auch nicht Auskunft geben. Sie befürchtet weitere Anfeindungen. Zu viel habe sie schon einstecken müssen von Wolfsbefürwortern. Hinzu kommt der Vorwurf, dass sie ihre Tiere ungenügend schützt.
Interesse nimmt ab
Wie das Online-Team der BauernZeitung sagt, sind die Leserzahlen rund um Wolfsrisse deutlich rückläufig. Die Sache scheint Alltag zu werden. Und genau das spüren auch die betroffenen Tierbesitzer. «Wie können wir so etwas nur hinnehmen?», fragt die Frau verzweifelt. Der Verlust dieser Tiere scheine niemanden mehr wirklich zu kümmern – ausser eben die Betroffenen selbst.
Zu wenig Strom im Zaun
Die Schafe, die im bernischen Schwarzenburg und Rüschegg gerissen wurden, scheinen dem Wolf nicht als Risse angerechnet zu werden. Zum einen sei der Zaun zu tief, in einem anderen Fall fehlte es an der Stromstärke auf dem Schutzzaun, weiss die Schwester der Betroffenen. «Wer bestimmt denn so etwas? Wer sagt, wie viel Strom es braucht, dass ein Wolf nicht zuschlägt? Was sind das für seltsame Begründungen? Warum schiesst man ihn nicht?» Fragen über Fragen, welche die Tierbesitzer und ihre Angehörigen beschäftigen. «Wieso schweigen die Bauern? Wieso ist die Angst der Bauern zu sprechen so gross? Wieso werden die Bauern nicht ernst genommen?», fragt sie weiter. Ihre Fragen bleiben weitgehend unbeantwortet.
In Angst leben lernen?
Dass man lernen müsse mit der Angst zu leben – zum einen vor dem Wolf, zum anderen vor dessen Befürwortern, kann die Bernerin schlecht hinnehmen. Sie erachtet die aktuelle Entwicklung als gefährlich. «Das Ganze ist zum Krieg geworden, zwischen Wolf und Befürwortern und den Nutztierhaltern. Da ist unglaublich viel Hass», sagt sie. Dann beginnt sie zu weinen. «Ich weiss auch nicht mehr, was ich tun soll. Ich sehe diese Verzweiflung meiner Schwester und verstehe sie. Er ist da draussen und er kommt wieder, bis er dann irgendwann weiterzieht. Und dann?»
Der Wolf - bald ein alter Bekannter?
Der Wolf ist im Gantrischgebiet ein alter Bekannter. Die Tierhalterinnen und Bauern kämpfen in diesem Gebiet schon lange gegen das Raubtier an. So wurde beispielsweise am 19. Februar 2021 die Wölfin F78 zum Abschuss freigegeben – am 28. Februar konnte sie erlegt werden.