Ein Zürcher hat sich in verschiedenen Schweineställen umgesehen. Es endet nicht mit einem Skandalbericht, sondern mit einem Dankeschön: «Danke, dass ihr euch an 365 Tagen im Jahr so gut um eure Tiere kümmert, so hart arbeitet und damit dafür sorgt, dass wir alle satt werden.»
Das bekamen die Mitglieder der Suisseporcs Zentralschweiz am Leue-Höck zu hören.
Unrealistische Bilder im Kopf
Der Referent Nik – der sein Bild lieber nicht in Medien sieht – ist auf Instagram bekannt geworden als Stadtkind im Schweinestall. Seit einem Jahr bedient er diesen Kanal. Sein Projekt: Erfahren und zeigen, was hinter dem Stück Fleisch im Kühlregal steckt. Denn das Bild im Kopf seiner Mitmenschen sei selten realistisch, meistens geprägt durch Skandalgeschichten, durch die Werbung und das Fleisch auf dem Teller, das kaum mehr in Bezug zum Tier gesetzt werde. Rindviehhalter könnten einfacher einen Einblick in ihre Arbeit geben, stellte Nik fest. Ihre Tiere sind sichtbarer, auf der Weide und im Stall, während Besuche im Schweinestall wegen strenger Hygienemassnahmen kompliziert sind.
Auf Instagram knüpfte Nik Kontakt zu Schweinehalter Peter Anderhub und machte dort seinen ersten Besuch. Anderhub erklärte dem Laien die komplexen Abläufe im Stall, dieser durfte in jede Ecke schauen und überall fotografieren. «Ich war absolut positiv überrascht, von dem was ich im Stall gesehen habe – weder das Skandalbild noch das Werbebild –, sondern es war eine Realität, die mit den vielen Erklärungen für mich ein Bild gab, das ich als ein sehr gutes wahrgenommen habe.»
«Viele Deutsche blicken neugierig auf die Schweiz.»
Die Schweiz sei bezüglich Tierwohl und anderem voraus, so die Erfahrung von Nik.
60 bis 20 000 Tiere
Danach besuchte Nik weitere Betriebe. Und je mehr er sah, desto spannender wurde es, weil jeder Betrieb anders funktionierte. Er dehnte seine Aktion über die Grenze aus, nach Deutschland, Holland und Österreich. Von konventionell bis alternativ, von Nebenerwerb bis Vollerwerb, vom Familienbetrieb bis zum Industriebetrieb, von 60 Schweinen bis 20'000 Tieren, vom Zuchtbetrieb bis zur Hofmetzgerei. Er hat bis heute über 10'000 Bahnkilometer zurückgelegt und war in über 35 Betrieben. Reisen und Unterkünfte finanzierte er sich selber, machte sein «Schweine-Ding» in der Freizeit neben seinem 100-Prozent-Job. Statt ins Museum oder Kino ging er in den Schweinestall. «Viele eurer deutschen Kolleg(innen) blicken neugierig auf die Schweiz, da unser Land einfach etwa 20 Jahre voraus ist, was Tierwohl und Ähnliches angeht», berichtete er. Er habe auch in Deutschland viele engagierte Betriebsleitende gesehen, nicht wenige von ihnen aber den Tränen nahe angesichts der katastrophalen Lage am Schweinemarkt. «Pro Ferkel, das den Stall verlässt, kleben sie seit Monaten 50 Euro auf den Rücken.»
Nicht alle sind offen
Generell hat Nik bei vielen Schweinebauern warme Gastfreundschaft erfahren. Aber speziell in Österreich hat er grosse Zurückhaltung erlebt, Aussenstehenden wird nicht gerne Einblick gewährt. Und auch anderswo blieben ihm Türen von Betrieben verschlossen. Das macht ihn nachdenklich. «Warum wollen oder können sie nicht zeigen, was sie machen? Wenn eure deutschen Kolleg(innen) hören, dass bei uns die Grössen der Betriebe auf 250 Sauen respektive 1500 Mastschweine begrenzt sind, schauen sie natürlich mit grossen Augen. Ihr schafft es aber, in diesen kleinen Strukturen erfolgreich zu wirtschaften», lobte Nik. Stolz können die Schweizer Betriebe seiner Meinung nach auch auf die starke Direktvermarktung und fortschrittliche Tierwohlstandards sein.
Zwei Inputs gab er dann aber doch mit: ASP ernst nehmen und die Hygienemassnahmen einhalten. Denn für die Praktiker würden die Zustände katastrophal, wenn der Tierverkehr lahm liege und es zu Notschlachtungen komme. Der zweite Tipp: «Wenn es Zäune beim Auslauf braucht, erklärt den Leuten den Grund. Nicht abgrenzen und verstecken, sondern erklären und zeigen. Ob online oder real, gerade auch wenn mal etwas nicht rund läuft.» Sich öffnen gegenüber den Konsumenten sei entscheidend.
Er schätzt das Fleisch hoch
Nik hat mit dem Thema noch nicht abgeschlossen. Eberstation und Schlachthof würden auch dazugehören, findet er, dazu die Beratung, Veterinärmedizin und Stallbaubranche. Und ja: Er isst weiterhin Schweinefleisch – noch bewusster und wertschätzender als vorher. Und Suisseporcs-Geschäftsführer Stefan Müller rief im Anschluss dazu auf, Interessierten wie Nik die Stalltüren zu öffnen.
Nik auf Instagram: www.instagram.com/stadtkind.im.schweinestall