«Nicht geschützt heisst nicht vernachlässigt.» Zum Thema Herdenschutz lud der Bauernverband Uri am vergangenen Freitag die Medien auf eine betroffene Schafalp oberhalb von Unterschächen. Max Müller, Alpbewirtschafter und Landwirt, führte die Medienleute auf einer anspruchsvollen Wanderung hoch hinauf auf die Schafweide von Wannelen bis unterhalb des Wäspen. Auf dass diese einen Eindruck bekämen von der Arbeit der Älpler, auch für den Herdenschutz.

Ungerechtfertigte Kritik

Im Kanton Uri gebe es sehr viele kleinere Alpen, wo der Tierbesitzer oft der Älpler ist. So kommt es bei Schafrissen durch Wölfe oft auch zu Medienkritik an den Älplern, sie hätten ihre Tiere eben zu wenig geschützt, meinte Wendelin Loretz, Präsident des Urner Bauernverbands. Das sei jeweils für die Tierhalter sehr emotional und solche ungerechtfertigte Kritik stelle die Schafhalter in ein falsches und schlechtes Licht. In Kommentaren unter Artikeln und auf Sozialen Medien heisse es dann vorschnell, der Bauer solle seine Herde schützen. Doch ganz so einfach sei das nicht, meinte Loretz. «Eine ungeschützte Alp ist nicht ohne jeden Schutz. Es ist aber schlichtweg nicht möglich, jede Alp so zu schützen, dass sie als wolfsicher gilt, weil es das Gelände oder die Umstände nicht zulassen.» So gelte sie bei der Beurteilung durch den Herdenschutzbeauftragten eben als nicht geschützt.

«Wir gelten als nicht geschützte Alp.»

Älpler Max Müller macht sich viele Gedanken.

Lamas und Koppelweiden

Max Müller führt einen Mutterkuh-/Schafhaltungsbetrieb und schaut im Sommer selber zu seinen Schafen. Das ist schon seit Generationen so. Familie Müller kennt die Alp sehr gut und weiss, was zum Schutz der Herde praktisch machbar ist . Eine gute Haltung der Tiere liege ihnen am Herzen, sagte Müller.

Auf der Alp werden derzeit 81 Schafe und zwei Lamas gesömmert. Die Schafe ­gehören drei verschiedenen Bauern. Das dabei praktizierte Koppelweidesystem mit fünf Koppeln habe viele Vorteile, betont Müller: Das Gras wird optimal genutzt, von unten nach oben. «Das Schaf hat ein gutes Futterangebot, es gibt immer wieder frisches Gras, wenn die Weide gewechselt wird.» Für die Lamas sei die Überwachung einfacher, wenn die Koppel nicht zu gross ist. Auch für die Älpler sei die Übersicht in Koppelweiden besser ­gewährleistet und arbeitseffizienter. In der Regel kontrolliert Müller die Schafherde zweimal pro Woche.

Aufwendig ist die jährliche Einzäunung vor der Bestossung der Alp. So benötigen Max Müller und sein Vater für die rund 2,5 Kilometer sechs Arbeitstage. Müssten sie die ganze Alp wolfsicher einzäunen, bräuchte Max Müller 43 Kilometer Draht und noch viel mehr Zeit. Eine solche Einzäunung sei aber in diesem steilen Gebiet mit Felsen schlicht nicht möglich.

Verbuschung ohne Schafe

«Wir gelten deshalb als nicht geschützte Alp und machen uns viele Gedanken», erklärt Max Müller. Er hatte zwar all die Jahre bisher noch keine Verluste an Schafen wegen Wolfrissen. Der Wolf war aber in der Region und es gab hier auch schon Risse. «Vielleicht war er auch auf unserer Alp, wurde aber durch den Stromzaun abgewehrt.»

Für einen hungrigen Wolf sei aber nicht einmal ein «natürlicher Zaun» wie ein Fels ein ­Hindernis. Ein sicherer Herdenschutz wäre im Tal wohl einfacher. «Damit wäre aber die Bealpung gefährdet, und der Wolf käme einfach näher ins Tal», meint Müller.

«Wir können Älplern nicht zumuten, auf Felsen zu klettern.»

Jürg Haller ist Herdenschutzberater für den Kanton Uri.

Lamas zum Schutz

Mit der Verbreitung des Wolfes und der Zunahme von Rissen vor sieben Jahren haben Max Müller und sein Vater zwei Lamas zur Herde genommen. Der Vorteil von Lamas sei, dass sie das ganze Jahr bei der Schafherde leben und das gleiche Futter fressen würden. Herdenschutzhunde auf einer Alpweide im Wanderweggebiet zu halten, sei schwierig. «Sie können aggressiv gegen Wanderer sein und man muss sicher jeden zweiten Tag hochsteigen, um sie zu füttern», sagte Müller.

Anerkannte Massnahmen

Vom Bund werden für den Herdenschutz Hunde und wolfsichere Zäune finanziell gefördert, erklärte Damian Gisler vom Amt für Landwirtschaft Kanton Uri. Für Lamas wie bei Familie Müller gebe es keine finanziellen Beiträge.

Ob eine Alp schützbar ist oder nicht, klärt jeweils der Herdenschutzberater Jürg Haller ab.

Dabei werden auch Arbeitsaufwand und die Gefährlichkeit eingerechnet. «Die Alp von Max Müller beurteile ich als nicht schützbar», erklärte Haller. Müller treffe zwar alle möglichen Massnahmen, die Alp gelte aber als nicht geschützt. «Wir können den Älplern nicht zumuten, auf Felsen und Kreten zu klettern, um Zäune zu machen.»

 

SMS-Warnmeldung durch die Wildhut

Bei einem toten Tier werden die Wildhüter benachrichtigt. Es sei wichtig, bei einem Riss sehr schnell auf der betroffenen Alp zu sein, betont der zuständige Wildhüter Fredi Arnold. «Wir entscheiden, ob es ein Wolfriss war. Wird ein Wolf gesichtet oder gibt es gerissene Tiere, machen wir eine Warnmeldung per SMS», erklärt Arnold. Bei bestätigten Rissen wird der Tierhalter für den Verlust entschädigt, 80 Prozent zahlt der Bund und 20 Prozent der Kanton.

 

 

Viele Alpen sind betroffen

Im Kanton Uri gibt es 284 Sömmerungsbetriebe – von diesen halten 71 Schafe. Jede vierte Urner Alp ist mit Schafen bestossen. Insgesamt sömmern im Gebiet Uri jeweils rund 18 00 Schafe. Seit 2013 ist der Herdenschutz in der Jagdverordnung geregelt und Aufgabe der Kantone.

Im Kanton Uri ist der Herdenschutz beim Amt für Landwirtschaft angesiedelt. Betroffene Älpler können dort eine Beratung anfordern.