Sie leben für ihre Kühe und auch ihr Herz schlägt für sie. Vor allem bei der Simmentalerrasse geht der Puls bei Adelheid Graf etwas schneller, bei ihrem Mann Daniel ist es eher das Swiss Fleckvieh, das sein Blut zum Kochen bringt. Die 47 Stück grosse Kuhherde von Daniel und Adelheid Graf aus Bleiken ist in 24 reine Simmentaler- und in 23 Swiss-Fleckvieh-Kühe aufgeteilt. Und doch haben die reinen Kühe einen Vorteil in ihrem Stall: Denn sie haben die schönste Aussicht auf den Niesen, während das Swiss Fleckvieh in die entgegengesetzte Richtung zu den Rindern schauen muss.
Ein schwarzes Kalb
«Ich mag es meiner Frau gönnen, dass «ihre» Simmentalerkühe das Bergpanorama im offenen Stall geniessen können», sagt Daniel Graf und lacht dabei. Ein Gestürm habe man wegen den zwei Rassen nicht, ab und zu ziehe man sich nur gegenseitig mit Sprüchen auf. «Ich bin halt auf einem Reinzuchtbetrieb in St. Stephan aufgewachsen», erklärt Adelheid Graf ihre Liebe zur reinen Kuh. Als Weihnachtsgeschenk bekam sie einmal aus Jux von ihrem Mann ein schwarzes Holsteinkalb geschenkt. «Er sagte damals nur, hast du auch wirklich Freude an jedem Geschenk? Da wusste ich schon, dass es sicher kein Simmentalerkalb sein wird», schmunzelt sie.
Heute, an diesem schönen Frühlingstag, geniessen die Kühe das frische Gras auf der Weide. Im Osten sieht man den Brienzer Rothorngrat, im Süden den Niesen, weiter hinten Eiger, Mönch, Jungfrau und im Westen das Gurnigelgebiet. Mittendrin die Kuhherde von Grafs. Alle Simmentaler- und auch ein Teil der Swiss-Fleckvieh-Kühe tragen Hörner. «Für uns stimmt es so», sagt Daniel Graf. «Eine Simmentalerkuh ohne Hörner, nein, das kann ich mir nicht vorstellen», sagt seine Frau Adelheid bestimmt. Nicht nur der schöne Kopfschmuck sticht einem ins Auge, auch die massigen Kühe mit ihren schönen Eutern sind ein wahrer Blickfang. Obwohl Grafs erst 1997 in einer Viehzuchtgenossenschaft sind, sind ihre Zuchterfolge doch beachtlich. «Pickel, Incas, Sten oder die Anjou-Linie haben bei uns sehr gut funktioniert», hält der Züchter fest.
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Immer noch Pickel
Bei den Simmentalern waren es vor allem die Natursprungstiere Runic, Ben, Agakan, Annouko oder Risto, welche ihre Spuren hinterlassen haben. Heute werden vor allem die Stiere Santo, Pickel (noch immer), Gulliver, Odel, Unetto, Unikat, Brisago, Corvi oder der junge Natursprungstier Amur eingesetzt. Vor allem ihre 98-pünktige und 100 000er Kuh Vulkan Annouk habe ihrer Nachzucht den Stempel aufgedrückt. «Noch heute stammen viele Kühe aus dieser Linie», sagt Adelheid Graf, die in jüngeren Jahren auch als Richterin tätig war. Aber auch die ehemalige KB-Stierenmutter Alik Rehli (Lebensleistung 132 200 kg), prägte die Zucht massgeblich mit. Stolz sei man auch auf den Miss-Titel, welches ihr Simmentalerrind Ben Ilania an der Junior Expo in Thun 2018 über alle Rassen gewinnen konnte. «Da wir alle weiblichen Kälber aufziehen, kalben bei uns jährlich gegen 30 Rinder ab», hält Daniel Graf fest.
Demzufolge sei der Zucht- und Nutztierverkauf ein wichtiger Betriebszweig für sie. «Neben einer guten Milchleistung sind vor allem robuste Kühe mit einem hohen Gehalt, tiefen Zellzahlen und einer guten Melkbarkeit im Handel gefragt». Nun wird es Zeit, die Kühe wollen in den Stall, geduldig warten sie vor dem Eingang. In gemächlichen Schritten geht es los. Aus der Stereoanlage tönt im Hintergrund das Jodlerchörli Zulgtal, während Daniel und Adelheid Graf mit der Tochter Daria die Kühe im Stall in Empfang nehmen. Fast jede Kuh kennt ihren Platz, keine Hektik ist dabei zu sehen. Die Kühe fühlen sich sichtlich wohl im Anbindestall. Kaum angebunden, legen sie sich schon auf das dicke Strohbett nieder, notabene noch vor dem Melkvorgang. 2012 konnte die Betriebsleiterfamilie in den neuen Anbindestall mit 48 Kuhplätzen einziehen. Auf den zwei Lägern stehen die Kühe nicht wie üblich Kopf an Kopf, sondern Schwanz an Schwanz gegenüber.
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Ein Traum wird wahr
Wegen den Platzverhältnissen und aus Kostengründen habe man sich für einen Anbindestall entschieden. «Unser Stall (ohne Heuraum), kostete 600 000 Franken», hält Daniel Graf fest. Das seien doch 200 000 Franken weniger, als wenn man einen Laufstall gebaut hätte. Vor allem die Melkanlage mache den Preisunterschied. «Wir melken unsere Kühe mit vier Aggregaten», sagt das Betriebsleiterehepaar. Ein Roboter oder ein Melkstand wäre da viel teurer gekommen. «Ich denke nicht, dass sich unsere Kühe weniger wohl fühlen als in einem Laufstall», sagt Adelheid Graf und zeigt dabei auf die 16-jährige Anjou-Tochter Ursi mit ihrer aktuellen Lebensleistung von 126 000 kg Milch. Bisher haben sage und schreibe zehn Kühe die 100 000er Marke in ihrem Stall überschritten.
Adelheid und Daniel Graf gehen ihren eigenen Weg, sei es in der Zucht oder mit ihrem Anbindestall. Neu kommt jetzt noch ein weiteres Abenteuer dazu. Diesen Frühling gehen sie zum ersten Mal z Bärg. Auf der Alp Schinegg auf dem Schallenberg sind sie als Hirtenpaar angestellt. Neben 15 eigenen, gilt es dort 140 fremde Rinder zu betreuen. Auch das Einstallen gehört jeden Tag dazu. «Wir freuen uns auf diese Herausforderung», sagt die Züchterfamilie bestimmt. Z Bärg ga, sei schon immer ihr Traum gewesen. «Unser Sohn Andri wird in dieser Zeit, den Talbetrieb mit den Kühen betreuen», natürlich kann er auch auf die Mithilfe seiner Schwester Daria zählen. «Wenn Not am Mann ist, werden wir ihn natürlich unterstützen», hält der Meisterlandwirt fest. Denn der Schallenberg sei ja nicht allzu weit von ihrem Zuhause entfernt.