Lehre, Militär, Chef: So kurz und fadengerade ist Florian Oelers Laufbahn. Nach der Landwirtschaftlichen Lehre verbrachte der Sohn einer Altstätter Bauernfamilie ein Jahr beim Militär als Durchdiener. Kurz nach seiner Rückkehr stieg er in einem Schweinzuchtbetrieb in die Stiefel. Wovon andere mit 40 oder 50 noch träumen, hat Florian bereits im Alter von 20 Jahren geschafft: Er ist sein eigener Chef.
Das ist alles andere als selbstverständlich, normalerweise werden Höfe von Generation zu Generation weitergegeben. Wer junge Eltern hat, muss deshalb oft lange warten, bis er oder sie den Betrieb weiterführen darf. Florians Eltern sind zwar auch noch jung und sie führen den Hof am Warmesberg in sechster Generation weiter. Denn Florian hat nicht den elterlichen Hof, sondern einen externen Betrieb übernommen. Das konnte er nur, weil er neben Mut auch ein wenig Glück gehabt hat.
Denn erstens sind Ausschreibungen von Betrieben selten und zweitens sind sie häufig am „falschen“ Ort, also weit weg, ungünstig gelegen und bieten drittens nur selten eine Existenzgrundlage. In Florians Fall lag der Betrieb quasi vor der Haustür, nämlich in Hinterforst. Das war denn auch das Einzige, was er wusste, als ihm bei einem Wochenendurlaub vom Militär ein Inserat in einer landwirtschaftlichen Fachzeitung ins Auge stach. Dort wurde ein Betrieb mit 5 Hektaren Land und einem Stall mit Baujahr 1965 für 100 Zuchtsauen zum Verkauf angeboten wurde. Bei Florian machte es Klick. „Ich wusste sofort, das ist genau die Herausforderung, die ich suche.“
Wie bei solchen Inseraten üblich fehlte sowohl der Name des Besitzers als auch der genaue Standort. Doch das, was im Inserat drinstand, hat Florian als Entscheidungsgrundlage gereicht. Der Betrieb ist gross genug für eine Existenzgrundlage. Florian bewarb sich und hatte Glück: Er wurde berücksichtigt.
Synergien mit Familienbetrieb
Ein Sprichwort sagt, dass hinter jedem grossen Politiker eine starke Frau steht. In der Landwirtschaft ist das kaum anders: Hinter jedem erfolgreichen Jungbauern steht eine starke Familie. Florian ist zusammen mit drei Brüdern und einer Schwester am Warmesberg, Altstätten, aufgewachsen. Wie sein ältester Bruder Josef hat er Landwirt gelernt.
Josef betreibt einen Schweinemaststall, arbeitet ansonsten aber auf dem Milchviehbetrieb der Eltern mit und wird diesen später einmal übernehmen. Daraus ergeben sich Synergien: Ein Teil der Ferkel, die Florians Sauen zur Welt bringen, werden im Stall seines Bruders gemästet. Das ist von Vorteil.
Viel vorteilhafter ist jedoch die Flexibilität bei den Arbeitskräften. Auf dem elterlichen Hof wird mit 40 Kühen silofreie Milch für Appenzeller Käse produziert. Der Hof liegt im Berggebiet, viele Parzellen sind stotzig, das Land ist verstreut – entsprechend arbeitsintensiv ist die Futtergewinnung. Um Heu in guter Qualität einzubringen, ist während den Schönwetterperioden jede helfende Hand gefragt. In dieser Zeit hilft Florian auf dem Heimbetrieb mit.
Dafür kann er im Gegenzug auch mal eine Arbeitskraft vom Heimbetrieb in Anspruch nehmen, wenn Not am Mann ist. Ausserdem werden Ferienablösungen und freie Wochenenden familienintern geregelt. Das schätzt Florian sehr. Denn wenn ihm überhaupt ein Gedanke bei der Betriebsübernahme zu schaffen gemacht hat, war es dieses nie-mehr-abkömmlich-sein: „Manchmal habe ich mich schon gefragt, ob ich wirklich ein Leben lang 365 Tage im Jahr im Stall stehen will?“ Jeden Morgen um 6 Uhr in den Stall und am Abend nochmal – was das bedeutet, können die wenigsten seiner gleichaltrigen Kollegen verstehen.
Finanzen im Griff haben
„Klar, die Verantwortung ist gross“, gibt Florian zu, „und am Anfang war ich schon ein wenig unsicher, ob ich alles richtig gemacht habe.“ Das hat sich gelegt, von Unsicherheit spürt man im Gespräch wenig. Obwohl Florian nicht in einem Schweinezuchtbetrieb gross geworden ist und nur in der Lehre mit Zuchtsauen gearbeitet hat, hat er sich bereits viel Erfahrungswissen angeeignet. Dass er eine gute Beziehung zu seinen Tieren hat, merkt man sofort.
Eber Wendelin wird von ihm gekrault wie ein liebgewordener Hund und von seinen Ferkel schwärmt er richtiggehend: „Was gibt es Schöneres als eine Schar kleiner Ferkel?“ Als Florian den Stall übernommen hat, war dieser leer. Er hat den gesamten Tierbestand von Grund auf neu aufgebaut. „So konnte ich mit meinen Sauen den Dreiwochen-Rhythmus planen, der super zum Betrieb und zu mir passt“, erklärt er seine Strategie.
Und weiter: „Ich wirtschafte etwas weniger intensiv als mein Vorgänger.“ Natürlich hat der junge Betriebsleiter auch ein paar Visionen. Er kann sich zum Beispiel vorstellen, noch stärker ins Tierwohl zu investieren. „Aber bevor ich etwas verändere, will ich erst alles im Griff haben.“
Dazu gehören nicht zuletzt die Finanzen. Als Junglandwirt (unter 35 Jahre) konnte Florian ein zinsloses Darlehen als Starthilfe in Anspruch nehmen. Bei den aktuell niedrigen Zinsen ist das zwar nicht besonders attraktiv, aber es hat den Vorteil, dass diese Starthilfe an das Ergebnis einer umfangreichen Prüfung gebunden ist, die sicherstellen soll, dass der Betrieb finanziell tragfähig ist.
Wer die Tragbarkeitsrechnung besteht, kann beruhigt sein. Es geht schliesslich um viel Geld, auch wenn in der Landwirtschaft bei der Hofübernahme nur der Ertragswert und nicht der Verkehrswert berechnet wird (siehe Textbox). Dass Florian seinen Betrieb – wie bereits sein Vorgänger – als GmbH führt, ist etwas ungewöhnlich. „Das hat verschiedene Vorteile, von denen ich manche erst im Nachhinein erkannt habe.“ Ein Vorteil ist zum Beispiel, dass die GmbH nur mit dem Stammkapital haftet und nicht mit dem gesamten Privatvermögen.
Direktzahlungen sind nicht matchentscheidend
Landwirtinnen und Landwirte sind Risikounternehmer. Ihr wirtschaftliches Überleben hängt nicht nur vom Markt, sondern in immer grösserem Ausmass auch von der Agrarpolitik ab. Oeler verfolgt deshalb aufmerksam, was beim Bundesamt für Landwirtschaft läuft. Er engagiert sich zudem in der Jugendorganisation des St.Galler Bauernverbandes, Jula.
Veränderungen bei den Direktzahlungen betreffen seinen Betrieb zwar wenig. Das hängt damit zusammen, dass er nur wenig Fläche bewirtschaftet und es für Schweine in konventioneller Haltungsform ohnehin keine Direktzahlungen gibt. Entsprechend gering fallen die Direktzahlungen in seiner Buchhaltung ins Gewicht. Eine Grenzöffnung gegenüber der EU, die ebenfalls immer wieder auf der politischen Agenda steht, wäre für seinen Betrieb dagegen einschneidend: „Ich müsste entweder deutlich vergrössern, die Tierdichte auf Kosten des Tierwohls massiv erhöhen und sämtliches Futter im Ausland einkaufen oder den Betrieb einstellen.“
Von alldem ist er im Moment weit entfernt. Trotz der schwierigen Lage auf dem Schweinemarkt liefen die ersten beiden Jahre nicht schlecht. Für Florian ein Grund mehr, anderen Jungbauern Mut zu machen: „Eine Hofübernahme ist eine Riesenchance!“ Zwar sei jeder Betrieb anders und die Unterschiede gross. Doch Florian findet, dass es sich in jedem Fall lohnt, die Zukunft schon früh selbst in die Hand zu nehmen. Er hatte die Chance – und er hat sie gepackt.
Eveline Dudda, lid