Bisher gab es bei den Auswertungen des Informationssystems Antibiotika in der Veterinärmedizin (IS ABV) nur absolute Werte. Aus verschiedenen Gründen waren diese aber nur sehr schwer interpretierbar. Für den zweiten Bericht mit Daten aus den Jahren 2020 und 2021 hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) daher relative Werte publiziert. Ohne Vorbehalte ist das Bild aber auch diesmal nicht.
Die Anzahl Behandlungen steigt
Pro 1000 Tiere einer Population wurden Milchkühe und Tiere in der Rinderaufzucht- und Mast am häufigsten mit Antibiotika behandelt, gefolgt von Kaninchen. Deutlich tiefer sind die Werte für Aufzucht-Legehennen und Elterntiere, die auf Rang vier landen. Die Grafik des BLV (siehe oben) lässt ausserdem eine Veränderung ausmachen: Im Vergleich zu 2020 wurden 2021 mehr Behandlungen durchgeführt, wobei der Unterschied je nach Tierkategorie variiert.
Nur bei den Schweinen ist der Fall deutlich anders. Dort sei in praktisch allen Kategorien und Kennzahlen gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang zu verzeichnen. Durchfall und Verdauungsstörungen bei Absetzferkeln führten am häufigsten zu einer Behandlung bei Schweinen.
Es bleiben Fragezeichen
Im Durchschnitt werden pro 1000 Milchkühe in der Schweiz 722 Behandlungen mit Antibiotika durchgeführt, so der Bericht. Das bedeute aber nicht, dass effektiv 722 verschiedene Kühe ein Antibiotikum erhalten haben – es können auch einzelne Tiere mehrmals im selben Jahr damit therapiert worden sein. Das lässt sich aus diesen Kennzahlen nicht ablesen. Ausserdem können Gaben von Antibiotika, die auf Vorrat abgegeben worden sind, innerhalb einer Tierart nicht eindeutig einer Nutzungskategorie zugeordnet werden. Gerade bei Milchkühen wurden laut BLV Trockensteller und Euterinjektionen häufig als Abgabe auf Vorrat gemeldet. Eutererkrankungen, Geburt- und Nachgeburtsstörungen sowie Trockenstellen nennt man als häufigste Behandlungsgründe.
Kritische Antibiotika vor allem bei Rindern
Pro 1000 Tiere ist es die Kategorie Rindaufzucht und -mast unrühmlicher Spitzenreiter, was die Anzahl Behandlungen mit kritischen Wirkstoffen angeht. Hier nahmen aber die Werte ab, mit einer klaren Ausnahme bei Mastpoulets.
[IMG 2]
Im Gespräch mit der Branche
Zum Schluss vermerkt das BLV, man führe Gespräche mit denjenigen Branchenverbänden, die für Tierkategorien mit besonders hohen Kennzahlen verantwortlich sind. Gemeinsam sollen weitere Massnahmen diskutiert werden, wie die Tiergesundheit zu verbessern und der Antibiotikaverbrauch zu senken sei. Zwar lassen sich gemäss BLV aus den Daten von zwei Jahren noch keine Trends ableiten, besonders die populationsbezogenen Zahlen würden aber Hinweise darauf geben, welche Betriebe «detaillierter angesehen werden müssen».
Weitere Informationen und Berichte zum Thema Antibiotika finden Sie hier.
«Manche Fragen sind noch nicht beantwortet»
In einer gemeinsamen Stellungnahme auf Anfrage der BauernZeitung begrüssen die Milchviehzuchtorganisationen Braunvieh Schweiz, Holstein Switzerland und Swissherdbook den Bericht zum Antibiotika-Einsatz und die dafür nötige Datenerfassung. «Wir stellen aber fest, dass manche Fragen noch nicht beantwortet sind und dass weiterer Abklärungsbedarf besteht».
Fragezeichen bei «Abgabe auf Vorrat»
So seien die grossen Mengen von Antibiotika, die als «Abgabe auf Vorrat» erfasst wurden auffällig und «höchst unwahrscheinlich». Schliesslich müssten Antibiotika immer aufgrund einer Diagnose vom Tierarzt verschrieben werden. Weiter unterscheide der Bericht nicht zwischen Einfach- und Mehrfachbehandlungen, was je nach Gattung mehr oder weniger von der Anzahl behandelter Tiere abweiche.
Anforderungen an die Qualität als Ursache
Aufgrund dieser Umstände hinterfragen die Verbände die Zahlen des BLV kritisch. «Der hohe Antibiotikaverbrauch bei den Milchkühen in der Schweiz ist unter anderem auf die im internationalen Vergleich sehr hohen Milchqualitätsanforderungen zurückzuführen», schreiben sie. Man sei der Auffassung, dass diese hohen Anforderungen kritisch zu hinterfragen und auf ein «vertretbares Niveau» zu senken seien. Generell stellen die Zuchtorganisationen aber erfreut fest, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung mit -4,4 Prozent der gesamten Wirkstoffmenge im Vergleich zum Vorjahr weiterhin abnimmt.
Kranke Tiere sind zu behandeln
Man sieht sich in den Bemühungen um eine Bestandesbetreuung und die Gesundheitsprogramme bekräftigt. Daneben sollen Alternativprogramme und eine kritische Haltung der Züchter gegenüber Antibiotika gefördert werden. «Zudem wird die Erfassung von Gesundheitsdaten durch unsere Zuchtorganisationen und die Zucht auf gesündere Tiere langfristig zu einem rückläufigen Antibiotikaeinsatz führen.» Die Zusammenarbeit von Züchtern und Tierärzten, die Entwicklung von Informatikprogrammen für die Datenerfassung und den Datenaustausch nennen die Verbände als weitere zentrale Punkte. «Wir sind aber auch der Meinung, dass unsere Züchter die kranken Tiere behandeln sollen, damit keine Tierwohlbeeinträchtigungen vorkommen».
1