Eben hat ein Kunde telefonisch einen ganzen Truthahn bestellt. Hans Feuz freut sich. Noch ist es für ihn nicht selbstverständlich, dass Kunden ganze Truten kaufen. Erst im vergangenen Jahr hat der Landwirt zusammen mit seiner Familie entschieden, Trutenfleisch zu produzieren. Mit zehn Truten haben sie im letzten Jahr begonnen. Das Fleisch konnte nach vier Monaten problemlos verkauft werden.
Um die steigende Nachfrage zu befriedigen, nahm Feuz im laufenden Jahr zusätzlich zu denjenigen vom Frühjahr im Spätsommer nochmals zehn sechswöchige Truten auf den Hof. Anfangs Dezember werden die zwischen sieben und zwölf Kilo schweren Tiere, ein Drittel sind männliche Truthähne, von einem Metzger in der Region geschlachtet und verarbeitet. Wegen der guten Nachfrage kann sich die Bauernfamilie gut vorstellen, die Anzahl Truten erneut zu verdoppeln.
US-Bräuche kommen in die Schweiz
Viele Kunden warten auf das Frischfleisch, für andere spielt es keine Rolle, das Trutenfleisch gefroren auf dem Hof abzuholen. Der Grossteil der Truten wird vom Metzger in Geschnetzeltes, Voressen und Gehacktes verarbeitet und in Portionen vakuumiert. Besonders beliebt sind die Trutenschnitzel und die Filets. Die Bestellungen für ganze Truten nehmen derzeit zu, sagt Feuz. Viele amerikanische Bräuche wie Thanksgiving, in den USA der vierte Donnerstag im November, werden mittlerweile auch in der Schweiz gefeiert.
Marktführer Frifag hat ausgebaut
In der Schweiz belegt die Trutenhaltung in der Geflügelbranche eine Nische, sagt Robert Rival, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Geflügelhalter (SGP). Vor allem Produzenten, die für die Frifag produzieren, gehören seinem Verband an, kleinere Produzenten eher nicht. Rival weiss, dass einige Direktvermarkter wieder aufgehört haben mit Truten, bei anderen läuft es hingegen gut.
Auch Andi Schmal, Geschäftsführer des schweizerischen Marktführers Frifag in Märwil TG, der rund 90 Prozent des inländischen Trutenfleisches produziert, spricht von einer Nische. In den vergangenen vier Jahren hat die Frifag sieben zusätzliche Betriebe unter Vertrag genommen. Mit den heutigen 28 Betrieben hat sich die Produktion um 30 Prozent auf 230'000 Tiere gesteigert, so Schmal. Im Moment sucht die Frifag keine weiteren Betriebe, da sich Betriebe in der Warteschlaufe befinden und sich die Produktion der bestehenden Betriebe noch intensivieren lässt.
Die Frifag rechnet im laufenden Jahr mit einem Wachstum und betont, dass sich der Inlandanteil an Trutenfleisch in den vergangenen vier Jahren von zehn auf knapp fünfzehn Prozent erhöht habe. Schmal vermutet, dass die in der Schweiz nicht vorhandene Trutenkultur und vor allem die viel höheren Preise schuld sind, dass der Konsum nur gering wächst.
Grossverteiler tun sich noch schwer mit Inlandtruten
Der Grossverteiler Coop verkauft nur vor den Festtagen ganze Truten aus der Schweiz, während der übrigen Zeit stammt das Trutenfleisch aus Deutschland. Seit 2016 stammt das gesamte frische Trutenfleisch mit Ausnahme von Prix Garantie von Betrieben, die ihre Tiere entsprechend dem Schweizerischen Tierwohlprogramm BTS (Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) halten, schreibt Alena Kress von Coop.
Bei der Migros liegt der Inlandanteil von Trutenfleisch bei rund 25 Prozent. 75 Prozent stammt von Lieferanten aus Ungarn und Frankreich. Auch die Migros verkauft frische, ganze Truten während der Festtage. Das Interesse halte sich auf bescheidenem Niveau, schreibt Sprecherin Alexandra Kunz auf Anfrage.
Keine Antibiotika auf dem Hof
Der Hof Bärlischwand der Familie Feuz liegt idyllisch zwischen sanften Hügeln, näher dem Weiler Sitzberg als dem Dorf Bichelsee auf über 800 Meter über Meer. Die Tiere mit den schrumpeligen Hautlappen über dem Schnabel und dem Hals mit den geschwürartigen Verwucherungen sind nicht unbedingt eine Augenweide und man verliebt sich eher in ein herziges Kaninchen, ein rosarotes Ferkel mit Knopfaugen oder in eine stolze Diepoldsauergans, die sich ebenfalls rund um den Hof Bärlischwand tummeln, als in einen Truthahn.
Sie schnattern auf eine Art, wie wenn sie lachen würden, sagt Tochter Miriam, die auf dem Hof eine Spielgruppe führt und derweil jede Woche sieben Kinder durch einen ereignisreichen Morgen führt. "Uns ist wichtig, dass wir zu unseren Tieren ein Vertrauensverhältnis entwickeln und deshalb sprechen wir mit unseren Tieren", sagt Ursula Feuz.
Im Stall können die Truten auf Holzlatten in die Höhe steigen und haben viel Stroh um sich. Auf der Weide finden sie ausreichend Gras, Würmer und sandige Wege. Hans Feuz ist es wichtig, dass im zugekauften Futter der Sojaanteil aus Europa stammt. Bewusst hat sich die Familie Feuz für die schwarzen Bronzetruten entschieden, die etwas leichter werden und näher an der ursprünglichen Form und deshalb weniger krankheits- und verletzungsanfällig sind. Denn auf dem ganzen Hof wird seit Jahren konsequent auf Antibiotika verzichtet. Wenn doch mal ein Tier krank wird, dann greift Ursula zu ihren homöopathischen Chügeli oder zu Heilpflanzen.
Ruth Bossert, lid