Die Stiftung für das Tier im Recht beruht sich bei ihren jährlicher Präsentation der Zahlen zur Tierschutzstrafpraxis auf Daten, die vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich um Fallmaterial des Jahres 2020.
Im Berichtsjahr ist gegenüber dem Vorjahr in absoluter Hinsicht mit gesamthaft 1919 Fällen ein geringfügiger Rückgang der Fallzahlen um 0,9 % zu verzeichnen, wie die Stiftung vermeldet. Inwiefern sich die Corona-Pandemie auf die Zahlen ausgewirkt hat, lässt sich – zumindest zum aktuellen Zeitpunkt – nicht abschliessend beurteilen, so die Referentinnen. Die Stiftung geht nach wie vor von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Zudem würden in Kantonen mit reduzierten Ressourcen auch weniger Tierschutzstrafffälle verzeichnet, was aber nicht heisse, dass dort auch tatsächlich weniger Delikte begangen würden, gibt Bianca Körner von TIR zu bedenken.
Am meisten Tierschutzstrafentscheide in Zürich, Bern und Aargau
Wie die Tierrechtsorganisation mitteilt, wurden wie bereits im Vorjahr auch im Berichtsjahr in absoluter Hinsicht die meisten Tierschutzstrafentscheide in den Kantonen Zürich, Bern und Aargau gefällt, wobei der Kanton Zürich mit 320 Fällen erneut die Liste anführt. Bern folgt mit 267 und Aargau mit 210 Fällen.
Der kantonale Durchschnitt beträgt 2,46 Fälle pro 10000 Einwohner(innen)
In relativer Hinsicht liegt der bevölkerungsstarke Kanton Zürich jedoch mit 2,06 Entscheiden pro 10000 Einwohner unter dem kantonalen Durchschnitt von 2,64. Auch der Kanton Bern liegt in diesem Jahr in relativer Hinsicht mit 2,56 Fällen pro 10000 Einwohner leicht unter dem kantonalen Durchschnitt. Der Kanton Aargau schneidet mit 3,03 Tierschutzstrafentscheiden pro 10000 Einwohner hingegen auch in relativer Hinsicht überdurchschnittlich ab. Der Kanton St. Gallen weist im Berichtsjahr 198 Entscheide und somit 3,85 Fälle pro 10000 Einwohner aus und liegt damit im Gegensatz zum Vorjahr sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht vor dem Kanton Waadt (164 Fälle; 2,01 Entscheide pro 10000 Einwohner). Auch der Kanton Luzern weist über hundert Fälle aus (138; 3,31 Entscheide pro 10000 Einwohner). Die Kantone Obwalden (8) und Jura (4) weisen in Bezug auf ihre absoluten Fallzahlen – letzterer zum wiederholten Mal – weniger als zehn Fälle aus und liegen auch in relativer Hinsicht mit 2,10 bzw. 0,54 Entscheiden pro 10000 Einwohnern unter dem kantonalen Durchschnitt. Der Kanton Appenzell Innerrhoden weist relativ gesehen im Berichtsjahr mit 12,89 die meisten Entscheide pro 10'000 Einwohner aus. Darauf folgen die Kantone Uri (4,62), St. Gallen (3,85), Appenzell Ausserrhoden (3,62) und Glarus (3,43).
Hier finden Sie die vollständige Auflistung der Straffälle je Kanton.
53,3% der Fälle gehen auf Verstösse im Heimtierbereich zurück
Im Berichtsjahr überwiegen mit einem Anteil von 53,3 % erneut die Heimtierfälle. Nutztiere machten im 2020 33,5 % der Fälle aus. In Bezug auf die Tierarten waren es mit deutlichem Abstand an Hunden begangene Verstösse, die am häufigsten Gegenstand eines Strafentscheids bildeten (754 Fälle im 2020). Am zweithäufigsten waren Rinder betroffen (342 Fälle im 2020). An dritter Stelle folgten letztes Jahr die Tierschutzstrafentscheide an Katzen (168 Fälle im 2020).
Anzahl Tierschutzstrafentscheide nach Lebensbereich
- Heimtiere 1022
- Nutztiere 643
- Hobby und Sporttiere 77
- Versuchstiere 2
- Wildlebende Tiere 224
«Verstösse werden bagatellisiert»
Die Referentinnen betonten an der Medienkonferenz, dass der Vollzug des Tierschutzstrafrechts zahlreiche Mängel aufweist. Zudem würden Verstösse gegen das Tierschutzrecht oftmals bagatellisiert. Ein zentraler Kritikpunkt der Organisation ist es daher, dass die Strafverfolgungsbehörden den gesetzlich verfügbaren Strafrahmen nicht ausschöpfen. «Im Berichtsjahr wurden bei reinen Tierschutzdelikten für Übertretungen im kantonalen Median Bussen von 400 Franken ausgesprochen – was eine leichte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr (350 Franken) darstellt. Über diesem Wert lagen die Bussen 2020 in den Kantonen Zürich (525 Franken), Tessin (500 Franken), Aargau (450 Franken) und St. Gallen (450 Franken)», heisst es in der Mitteilung.
Eine Freiheitsstrafe für ein reines Tierschutzdelikt wurde im Berichtsjahr lediglich einmal verhängt. Die Strafe wurde unbedingt ausgesprochen und belief sich auf 60 Tage. Insgesamt sind die ausgesprochenen Strafen unter Beachtung des möglichen Strafrahmens (siehe unten) insbesondere hinsichtlich der Bussen somit noch immer als tief einzustufen, so TIR.
Mögliche Sanktionierung bei Tierquälerei (Art. 26 TschG)
- Vorsatz: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen
- Fahrlässigkeit: Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen
Mögliche Sanktionierung bei übriger Widerhandlung (Art. 28 TschG)
- Vorsatz: Busse bis zu 20000 Franken
- Fahrlässigkeit: Busse bis zu 10000 Franken
«Dem Umstand, dass gerade im landwirtschaftlichen Bereich jeweils viele Tiere betroffen sind, wird nicht Rechnung getragen»
Oftmals stünden die Bussen in keinem Verhältnis zum verursachten Tierleid, moniert die Stiftung. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich, wo jeweils eine grosse Anzahl Tiere betroffen sind, sei die Strafbemessung teils unzureichend und zu wenig abschreckend.
Weitere Forderungen der TIR für die Erreichung der Tierschutzstrafpraxis:
- Griffige kantonale Strukturen
- Zusammenarbeit zwischen Straf- und Verwaltungsbehörden
- Fachkompentenz und Ausbildung fördern
- Konsequente Anwendung der TschG-Tatbestände und angemessene Strafen
- Verantwortungsbewusstes Anzeigeverhalten der Bevölkerung
Hier finden Sie die gesamte Auswertung der Schweizer Tierschutzstrafpraxis.