«Die ständigen Wolfsattacken auf die Schafherde auf der Börteralp haben die Situation so unerträglich werden lassen, dass sich die Alpverantwortlichen entschieden haben, die Alp notfallmässig, frühzeitig zu verlassen», schreibt der Bündner Bauernverband in einer Mitteilung an die Medien. Gestützt auf das Konzept Wolf Schweiz und die gesetzlichen Vorgaben hätte der Kanton handeln können und müssen, kritisiert der Verband.
Schadschwelle sechsfach überschritten
Im Gebiet Klosters sei 2021 erstmals ein Wolfspaar festgestellt worden, führt der Bündner Bauernverband aus. Im Sommer 2022 sei kein Nachwuchs nachgewiesen worden, womit die Bestimmungen des Konzepts Wolf Schweiz und der Jagdverordnung zum Umgang mit Wolfspaaren zum Tragen kämen. Demnach kann der Kanton für einzelne Wölfe eine Abschussbewilligung erteilen, wenn diese erheblichen Schaden an Nutztieren anrichten – sprich wenn die Schadschwelle der Anzahl Risse überschritten wird.
Laut dem Bündner Bauernverband war das eindeutig der Fall, denn 2021 seien in der Region im Juni und August 2022 61 getötete und 13 verletzte Schafe verzeichnet worden. Das wäre das Sechsfache der in der Verordnung definierten Schadschwelle.
Abschuss wäre vor August möglich gewesen
Trotzdem habe der Kanton bisher keinen Abschuss verfügt, heisst es weiter. Auch die Schonfrist für Wölfinnen während der Fortpflanzungs- und Jungenaufzuchtzeit vom 1 April bis 31. Juli ist verstrichen, hält der Bündner Bauernverband fest. «Im Hinblick auf die Häufung der Rissvorfälle hätte mit einem Abschuss des männlichen Tieres vor dem 31. Juli (19 gerissene Nutztiere) begonnen werden können.»
Sofern es weitere Risse gegeben hätte, hätte – gestützt auf das Konzept Wolf Schweiz – auch das Weibchen ins Visier genommen werden dürfen.
Vorgehen entspricht nicht den Forderungen
Mit dem gänzlichen Verzicht auf die Verfügung eines Einzelwolfabschusses entspreche die zuständige Behörde des Kantons Graubünden nicht dem, was die Landwirtschaft gefordert und die Politik versprochen habe – nämlich das volle Ausschöpfen des Gesetzesrahmens.
«Es ist unverständlich, warum nun auch der Kanton die Tierhalter so lange quält, bis sie gezwungen sind, sich und ihre Tiere selbst zu verteidigen oder die Alpweide zu verlassen», schliesst der Bündner Bauernverband.