Der Schock sitzt auch einige Tage nach dem Angriff tief. «Ich habe ein ungutes Gefühl, wenn die Dunkelheit einbricht», sagt Bäuerin Tanja Kläger am Montag gegenüber der Journalistin. «Irgendwie können wir es immer noch nicht fassen, dass so etwas bei uns passiert ist», ergänzt ihr Mann Daniel Kläger. Zum Ohnmachtsgefühl mischt sich auch immer mehr Frust. «Wir werden von der Jagd- und Fischereiverwaltung vertröstet und in den Medien entsteht der Eindruck, als würden wir unsere Tiere nicht schützen», sagt der Landwirt.
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Die Ziegen blieben verschont
Aber der Reihe nach: Am Donnerstag, 4. April, fand Daniel Kläger am Morgen zwei seiner drei Alpakas tot auf der Weide in Dussnang, mit grosser Wahrscheinlichkeit von einem Wolf gerissen. Das dritte Tier war schwer verletzt und musste später vom Tierarzt von seinem Leiden erlöst werden. «Der Anblick, der sich uns geboten hat, war elendig», sagt Daniel Kläger. Eines der Tiere war zur Hälfte aufgefressen inklusive Rippenknochen. «Ein Luchs konnte es also nicht gewesen sein», ergänzt Kläger.
Das zweite Alpaka wurde durch einen Kieferbiss getötet. «Wir haben absolut nichts gehört», so der Landwirt weiter. In der 30 Aren grossen Weide befanden sich auch zwei Muttergeissen und vier junge Ziegen. Diese blieben unversehrt. «Die Alpakas haben die Ziegen beschützt», ist er überzeugt. Die Alpakas waren von April bis Oktober tagsüber auch in den Gehegen der 4000 Biolegehennen zum Schutz vor Füchsen und Greifvögeln.
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Sie riefen die Polizei an
Tanja Kläger sagt: «Wir standen unter Schock und wussten im ersten Moment gar nicht, wen wir informieren müssen.» Sie riefen die Polizei an, welche sie an den zuständigen Wildhüter verwies. Dann kontaktierten sie das Veterinäramt. Als Erstes war der Tierarzt auf dem Betrieb, der sich um die schwer verletzte Alpaka-Stute kümmerte. «Wir entschieden, sie einzuschläfern», berichtet Daniel Kläger. Erst als sie das tote Tier auf den Rücken drehten, sahen sie die Bissverletzungen am Bauch. «Sie wäre endlos krepiert», so Kläger weiter. Der Wildhüter erschien wenig später, um 11 Uhr.
Ein Pfotenabdruck wurde entdeckt
Nach dem Mittag trafen Roman Kistler und ein weiterer Mitarbeiter der Jagd- und Fischereiverwaltung auf dem Betrieb ein. «Sie meinten, angesichts des Rissbildes sei es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Wolf handle, und sie nahmen DNA-Proben», erzählt Tanja Kläger, die früher in einem medizinischen Labor gearbeitet hat. Die Bäuerin sichtete in der Wiese zudem einen Pfotenabdruck, den die Kantonsangestellten ebenfalls fotografierten.
Um 17.35 Uhr ging eine SMS-Warnung an die Tierhalter(innen) der Region heraus. Die Zürcher Jagdverwaltung informierte rund eine Stunde später. Tanja Kläger begrüsst die überkantonale Warnung, doch sie merkt an: «Als im Kanton Zürich vor zwei Wochen ein Wolf gesichtet wurde, erhielten wir im Kanton Thurgau keine Warnung.» Sie würde sich wünschen, dass der Informationsfluss auf beiden Seiten stattfindet. Unabhängig von den Geschehnissen auf dem Betrieb von Klägers ging beim Wildhüter die Meldung ein, jemand habe im Wald einen Wolf gesichtet. Beweisfotos gibt es nicht.
Verwertbare Bilder gab es keine
Die Jagdverwaltung installierte noch am Donnerstagabend eine Wildtierkamera auf der Weide und platzierte in der Nähe den Kadaver des halb aufgefressenen Alpakas. Daniel Kläger wagte sich nach dem Eindunkeln nochmals auf die Weide. Der Kadaver war da schon nicht mehr an derselben Stelle und dann habe er im Dunkeln ein gelbes Augenpaar gesehen. Das Tier sei dann aber verschwunden. Das Betriebsleiter-Ehepaar hoffte, dass die Bilder auf der Wildtierkamera Klarheit bringen.
«Die Alpakas haben die Ziegen beschützt.»
vermutet Daniel Kläger, Landwirt aus Dussnang.
Am Freitagmorgen kam der Mitarbeiter der Jagdverwaltung erneut auf den Betrieb. «Wir fanden Kot. Vom Kadaver war nicht mehr viel übrig», erzählt Daniel Kläger. Sie gingen davon aus, dass sie die Bilder direkt am Handy des Behördenmitarbeiters anschauen können. «Er montierte die Kamera ziemlich rasch ab und sagte uns, er müsse die Bilder im Büro auswerten», berichtet Tanja Kläger. Gemeldet habe er sich dann nicht mehr und so rief Daniel Kläger am Montag bei der Jagdverwaltung an.
Nachts dienen Panels als Schutz
Da habe es geheissen, die SIM-Karte sei defekt, somit gebe es keine Fotos, meint Daniel Kläger sichtlich frustriert. Tanja Kläger erzählt, die Jagdverwaltung habe ihnen auch geraten, wegen möglichen Negativreaktionen nicht mit den Medien zu sprechen. «Das war ein Fehler», sagt sie rückblickend. «Wir hätten besser Auskunft gegeben und unsere Sicht als Betroffene geschildert.» Als sie am Freitag den Artikel im «Tagblatt» lasen, habe es ihnen den Deckel gelupft. «Darin hiess es, unsere Zäune seien nicht herdenschutztauglich und wir hätten nur zwei Litzen anstatt vier gezäunt», stört sich Tanja Kläger: «Wir wurden hingestellt, als hätten wir unsere Tiere nicht geschützt und würden quasi eine Mitschuld tragen.»
Ihnen wurde nahegelegt, die Zäune auf 1,10 Meter zu erhöhen und vier Litzen zu spannen, die unterste auf einer Höhe von 20 cm über Boden. Beides haben sie bei den Ziegen inzwischen umgesetzt. Zusätzlich ist der Stall, der aus einem mobilen Wagen besteht, nachts durch Panels geschützt.
«Ich habe bei Einbruch der Dunkelheit ein ungutes Gefühl.»
Tanja Kläger, Bäuerin aus Dussnang.
Sorge um die Tiere
Das Betriebsleiter-Ehepaar sorgt sich um seine Tiere. Gerne hätte Daniel Kläger die 24 Mutterkühe und die Kälber in den nächsten Tagen auf die Weide gelassen. «Aber in der jetzigen Situation kann ich das nicht verantworten.» Tanja und Daniel Kläger haben im Moment nur einen Wunsch: Dass der Wolf weg ist und nicht wiederkommt.