Ich weiss nicht mehr, wann es war, ich weiss nur noch, wie es war. Irgendwann in den letzten zehn Jahren habe ich den Eggiwiler Martin Liechti zum ersten Mal gesehen. Es war an einer Viehschau und Martin führte dort Kühe vor. Bevor es in den Ring ging, stand der heute 140 kg schwere Mann mit einer Zigarette im Mund, eine Kuh an der Hand vor dem Ring. Intensiv, aber entspannt, zog Martin an dieser Zigarette. Rauch war keiner zu sehen. Die Kuh an Martins Hand war ein kapitales Tier, das neben ihm allerdings nicht als solches erschien. Ihren Kopf hatte sie zu Martin geneigt, die Hörner berührten seinen Brustkorb. Ihre Augen waren geschlossen, die Kuh wirkte für mich wie in Trance.
Ein Wiedersehen an der BEA – mit Santos
Ich habe Martin Liechti lange beobachtet. Ich nahm dieses Bild in meinen Gedanken mit und hoffte insgeheim, Martin vielleicht einmal bei einem besonderen Anlass begleiten zu können. Dieser Anlass ist mit der BEA 2022 dann tatsächlich Realität geworden. Martin Liechti hat zusammen mit dem Schangnauer Bernhard Hadorn den Stier Santos in die Bundeshauptstadt gebracht, wo er Hunderttausenden von Menschen in der Dauerausstellung begeisterte. So lag er auf dem BEA-Läger – der 1260 kg schwere Simmentalerstier, der in seiner Rasse derzeit seinesgleichen sucht. Ein Hornseil am Kopf, sein Nasenring mit einem Halfter satt an die Stirn gebunden, ein langes Halsband, das an einer Spreizkette fixiert war. Santos war sicher angebunden und das ist für einen Stier in dieser Situation auch wichtig. Das wissen alle, die es in ihrem Leben je mit einem erwachsenen Stier zu tun hatten.
Santos' Schicksal steht fest
Was mit dem dreijährigen Santos dereinst passieren wird, wissen wir. Wir wissen nur nicht, wann. Obschon er gut zu handeln scheint, ist und bleibt er ein Stier und seine Aufgabe ist uns allen klar. Ist sie erfüllt, oder wird er gefährlich oder springt nicht mehr, tritt er ab. Martin Liechti weiss aus eigener Erfahrung, schon morgen kann etwas passieren, das es bedingt, dass Santos seinen letzten Gang antritt. Und dieser Gang wird Martin schwer fallen, auch wenn er nach Santos noch viele andere Stiere haben wird.
Auch die Bauernschaft darf sich einmal abwenden
Die BauernZeitung hat Santos während seiner Zeit an der BEA medial begleitet. Einer der Beiträge über den Stier hat es sogar als Zweitabdruck in die «Österreichische Bauernzeitung» geschafft. Die Beiträge fanden also grossen Anklang – aber nicht nur. Für extreme Tierschützer(innen) ist die Haltung von Zuchtstieren ein gefundenes Fressen, ihrem zuweilen anscheinend grossen Frust Ausdruck zu verleihen. Sie bombardierten teilweise auf primitivste Weise unsere Beiträge und damit auch die Arbeit der beiden jungen Männer. Die BEA zeigte auf eindrückliche Weise, dass es eine wichtige Aufgabe der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist, Fragen zu beantworten. Werden aus Fragen aber von Unkenntnis triefende Angriffe, darf sich auch die Bauernschaft einmal abwenden. So etwas unkommentiert stehen lassen, ist wohl der beste Weg. So gehen diese unsäglich blöden Kommentare ins Leere. Ich jedenfalls mache es meist so. Und erfreue mich stattdessen lieber an einer wunderbaren Begabung eines jungen Mannes wie Martin Liechti. Merci Tinu!