Zwei zeitlose, tiefe Sessel mit Armlehnen aus dunklem Holz. Ein umgestylter, alter Servierwagen. Ein freier Blick übers Tal, bei klarem Wetter bis zum Jura. Im Schlafzimmer haben sich Jasmin und Bernhard Rupp einen Rückzugsort mit Weitsicht eingerichtet.
Seit 20 Jahren wohnt das Paar in dem Haus aus nachgedunkeltem Holz fast zuoberst im bernischen Brenzikofen. Bernhard Rupp ist hier als Bauernsohn und jüngstes von fünf Geschwistern aufgewachsen. «Als wir übernahmen, hatten wir keinen blassen Schimmer, wie wir den Betrieb ausrichten wollten», erzählt Jasmin Rupp. «Das entwickelte sich dann erst Schritt für Schritt.»
Heute präsentiert sich der Hof am «Erlebnisweg Brenzikofen» als Biobetrieb mit 7,5 Hektaren Nutzfläche, 15 Hochlandrindern, Wald, Hofladen, 70 Hochstammbäumen und einer kleinen Obstanlage. Doch Jasmin Rupps wirkliche Leidenschaft sind alten Möbel, denen sie neues Leben einhaucht.
Altes aufpeppen
«Das war schon in meiner ersten Wohnung so», erinnert sich die heute 45-Jährige bei einem Glas Most von den eigenen Äpfeln am grossen Esstisch. Sie hatte damals kaum Geld für Neuanschaffungen. Also peppte sie Holzmöbel aus dem Brockenhaus auf, Jahre bevor «Shabby Chic» in Mode kam. Auch heute noch stehen in der Familienwohnung upgecycelte Möbel mit besonderem Charme.
Jasmin Rupp wuchs in Thun auf. Der Vater ist Künstler, die Mutter «sehr kreativ», der Grossvater war Grafiker. Sie selbst entschied sich für eine Ausbildung als Malerin und Gipserin. Ihren Mann Bernhard lernte sie in Frankreich kennen, beim Snowboarden. Beide sind noch heute begeisterte Skifahrer und Kiteboarder, Jasmin Rupp gibt zudem regelmässig Skiunterricht auf dem nahen Schindelberg. «Beim Kennenlernen war er einfach nur Schreiner», erinnert sich seine Frau mit einem Lächeln. «Das mit der Landwirtschaft kam erst später.»
Wie soll es weiter gehen?
Das Paar bekam zwei Kinder, Leo, inzwischen 20, und Fiona, 17. Jasmin Rupp war weiterhin berufstätig, das Upcyceln von Möbeln betrieb sie nebenbei als Hobby. Doch schliesslich wurde alles zu viel: Sie durchlitt vor rund 13 Jahren ein Burnout, brauchte über ein Jahr, bis sie wieder festen Boden unter den Füssen spürte. «Ich begann mich damals in der Therapie zu fragen, was ich wirklich will, wohin ich will.»
Nachhaltigkeit ist eines der Themen, die sowohl ihr wie auch ihrem Mann wichtig sind. Bernhard Rupp setzt dies vor allem in der Landwirtschaft um. Gemeinsam werkelt das Paar an neuen Ideen für den Hof. Bereits in Betrieb ist ein umgebauter Bauwagen, der für Übernachtungen gemietet werden kann. Jasmin Rupp bietet Möbel-Upcycling-Kurse an und ein Event-Raum ist in Planung. «Wir wollen künftig mehr Zeit in Hof-Projekte investieren.»
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Möbel mit Geschichte
Jasmin Rupp hat zudem aus ihrem Upcycling-Hobby einen Beruf gemacht und sich im Erdgeschoss des Hauses eine Werkstatt eingerichtet. «Die Leute bringen mir alte Möbel, die ihnen am Herzen liegen.» Möbel mit Geschichte, etwa Schränke, Kommoden, Stühle, Vitrinen oder auch Beistelltische. Oft seien es Stücke aus den 50er-Jahren aus dem Haushalt der Eltern oder Grosseltern.
Vor dem Streichen nimmt sie jedes Möbelstück vollständig auseinander. «Das ist der Unterschied zum hobbymässigen Shabby Chic» erklärt sie. Sie prüft Scharniere und Beschläge. Ehemann und Schreiner Bernhard hilft mit Fachwissen und Kraft, wo es nötig ist.
Nach dem Abschleifen bekommen die altehrwürdigen Stücke mit trendiger, matter Kalkfarbe einen frischen Look. Manchmal sorgen Tapetenstücke, veganes Leder oder kontrastfarbige Innenflächen für das besondere Etwas. Zum Schluss werden die Holzoberflächen gewachst, um sie weniger anfällig für Gebrauchsspuren zu machen.
Nicht jeder Farbton passt zu jedem Möbelstück. «Ich streiche ein Möbel auch nach der Geschichte, die mir die Kunden darüber erzählen. Manchmal schaue ich mir auch den Ort an, wo es künftig stehen soll.»
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Professioneller Anspruch
Wenn Jasmin Rupp eine Spiegelkommode upcycelt, kostet dies um die 1300 Franken. Lange hat sie sich schwer damit getan, kostendeckende Preise zu verlangen. «Das war auch eine Frage der Einstellung.» Mit der Selbstständigkeit kam die professionelle Wertschätzung für die eigene Arbeit. «Wer zu mir kommt, weiss, was ich mache – und ich kann jeden Arbeitsschritt dokumentieren.»
Wichtig ist ihr bei der Arbeit «eine eigene Handschrift». Etwa, dass man den Pinselschlag sieht, denn die Flächen werden weder besprüht noch gerollt. Sie will Möbel mit besonderen Farbkombinationen gestalten, solche, die man sonst nirgends sieht. «Eben Möbel mit einem Wow-Effekt.»
Weitere Informationen: www.jasminrupp.ch