Wände in warmem Orange und freundlichem Grün. Dazu wohlige Wärme. Der Kontrast im Innern des Hauses zum neblig grauen Spätherbstnachmittag ist gross. Doris Brönnimann empfängt in ihrer Praxis in Köniz BE. Hier unterstützt sie als psychosoziale Beraterin Menschen auf dem Weg «zu mehr Lebensqualität, Balance und psychischem Wohlbefinden», wie sie auf ihrer Website schreibt. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dabei die Landwirtschaft.
Doris Brönnimann war selbst 30 Jahre lang Bäuerin. Doch aufgewachsen ist sie ganz anders. «In einem Hochhaus in Biel», erzählt sie. Dann lernte die Pflegefachfrau in Bern ihren Mann kennen, den Bauern Andreas. Bald einmal war es ein Thema, zusammenzuziehen auf den Hof seiner Familie. «Mit der Landwirtschaft hatte ich damals nichts am Hut, mich hat die Liebe gezogen.» Bevor sie zügelte, machte sie ein Praktikum bei einem Bauern mit Ackerbau und Geissen und stellte fest, «es geht».
Die eigene Rolle finden
Auf dem Hof im Kanton Bern lebten damals vier Generationen, Vater und Sohn leiteten den Mutterkuhbetrieb mit Ackerbau gemeinsam. «Ich musste meinen Platz und meine Rolle erst finden», sagt Doris Brönnimann. «Das war nicht einfach.» Das Paar bekam drei Kinder und stellte den Betrieb nach der Übernahme so auf, dass beide Teilzeit ausserhalb arbeiten konnten. «Daher galten wir als unkonventionell, auch weil wir früh auf Bio umstellten.»
«Mein Mann war der Betriebsleiter. Ich machte die Bäuerinnenschule und übernahm die Direktvermarktung des Fleisches», erzählt die 60-Jährige weiter. Das brauchte etwas Überwindung. «Der Metzgerei-Raum und das viele rohe Fleisch zum Abpacken …», aber dann habe ihr die Aufgabe gefallen, denn sie hatte viele Kontakte, auch mit Städterinnen und Städtern. Wenn die Leute das bestellte Fleisch abholten, habe es immer eine Kaffeerunde und Gespräche über die Landwirtschaft gegeben. «Ich sah es als meine Aufgabe, Stadt und Land zu verbinden. Es waren schöne Begegnungen.»
Den Hof übergeben
Vor zwei Jahren übergaben Doris Brönnimann und ihr Mann den Hof an den Sohn und dessen Partnerin. Dies vor dem ordentlichen Pensionsalter, da beide mit ihren Nebenerwerben weitermachen wollten. «Für beides reichte die Energie nicht mehr», sagt die Altbäuerin. «Doch das Loslassen war und ist ein Prozess.»
Das Paar ist ins Nachbardorf gezogen. «Das ist härter, als wenn man ins Stöckli zügelt. Es wird einem knallhart bewusst, dass man nichts mehr zu sagen hat auf dem Hof.» Es brauche Zeit, bis man das wirklich begreife, bis man eine neue Identität gefunden habe. «So ein Generationenwechsel ist ein Lebensübergang. Das geht nicht von heute auf morgen. Bei den Älteren kann es ihre Identität zutiefst erschüttern. Die Jungen dürfen lernen, ihren eigenen Weg zu finden.»
Vor dem Umzug sprach das Paar viel darüber, welche Wohnsituation für beide stimmig sein könnte, welche Bedürfnisse da waren. Dazu gehörte, in der Gegend zu bleiben – und ein Gärtchen. Doris Brönnimann fühlt sich inzwischen wohl als Altbäuerin. Sie geniesst es, dass sie zu Fuss im Dorf einkaufen kann und kein Auto mehr braucht. Sie schätzt es, dass in ihrem Leben nicht mehr so viel vom Wetter abhängig ist. Und sie mag den neuen Wohnort. «Es ist einfacher, mit den Jungen auszukommen, wenn man weiter weg ist.» Sie wisse, dass das nicht überall gehe. «Aber eine gewisse Distanz ist hilfreich.»
Manchmal ins Fettnäpfchen
Obwohl sie durch die Beratungsarbeit sensibilisiert sei, trete auch sie manchmal ins Fettnäpfchen. «Ich überschreite Grenzen, mische mich ein. Glücklicherweise kann mir mein Sohn das dann auch sagen.» Auf dem Hof helfen sie und ihr Mann, wenn es sie braucht. Es sei entlastend, nicht immer alles sehen zu müssen, was die Jungen machen. «Und wenn man sieht, dass sie etwas anders machen, ist das keine Geringschätzung von dem, wie wir es handhabten.»
Beim Loslassen gab es schwierigere Momente, etwa, als sie mit der Partnerin des Sohnes durch ihren alten Garten ging, da dieser künftig anderweitig genutzt werden sollte. «Ich wusste bei jedem Pflänzchen, wann und wieso ich es gesetzt hatte. Das war ein Meilenstein im Abschiednehmen.» Einige Pflanzen grub sie aus und pflanzte sie in ihrem neuen Gärtchen wieder ein.
Man dürfe in der Zeit der Hofübergabe auch traurig sein, stellt Doris Brönnimann klar. «Das ist normal.» Oft helfe es beim Abschiednehmen, wenn man würdige, was man auf dem Hof alles geleistet habe. Etwa sich bewusst machen, dass man den Betrieb so anpassen konnte, dass er zu den eigenen Vorstellungen passt. Dass man einen Ort geschaffen hatte, an dem sich die ganze Familie wohlfühlte. Dass man sich in der Beziehung weiterentwickeln konnte. «Dieses Sich-bewusst-Werden kann ein Schritt dazu sein, die Hofübergabe würdig zu gestalten.»
Neue Ausrichtung
Rund zehn Jahre ist es her, seit Doris Brönnimann eine Ausbildung zur psychosozialen Beraterin mit Schwerpunkt Transaktionsanalyse absolvierte. «Ich interessierte mich immer mehr für die Entwicklung von Menschen und wie sie kommunizieren», sagt sie zu ihrem Weg. Viele ihrer Klientinnen und Klienten kommen aus der Landwirtschaft. «Sie möchten zu jemandem in die Beratung, der weiss, wie Landwirtschaft ist.»
Zu den immer wiederkehrenden Themen gehören Generationenprobleme oder unklare Rollen bei der Hofübernahme. Es kommen Paare, weil sich die Frauen auf den Höfen alleingelassen fühlen. Es kommen Bäuerinnen und Bauern mit Fragen, wie man mit so hohem Arbeitspensum eine langjährige Beziehung pflegen kann. Oder wie man den Betrieb so führen kann, wie man möchte.
Natur und Musik
In ihrer Freizeit ist Doris Brönnimann viel in der Natur unterwegs. Erholung findet sie auch beim Musikhören oder Musizieren. Sie spielt Saxofon in einem Blasorchester. Ab 2025 hat sie zudem eine neue Aufgabe übernommen: Sie schreibt sechsmal im Jahr eine Beratungskolumne für die BauernZeitung. «Ich schreibe gern», sagt sie dazu. «Ich denke, wenn sich Leute in Beispielen wieder finden, fühlen sie sich weniger allein mit ihrem Thema.»
Für das neue Jahr hat die Beraterin sonst keine besonderen Pläne. «Ich will weiterhin mit meinem Mann im neuen Leben ankommen», sagt sie. «Und weiterarbeiten wie bisher. Denn ich denke, ich mache hier eine sinnvolle Arbeit.»
Weitere Informationen: www.doris-broennimann.ch
5 Fragen an Doris Brönnimann
Was können Sie besonders gut?
Aktiv und empathisch zuhören.
Welchen Traum möchten Sie verwirklichen?
Mit dem Velo ans Meer fahren.
Welche Tätigkeiten im Alltag erachten Sie als sinnlos?
Bügeln.
Welche Arbeit liegt Ihnen so gar nicht?
Zahlen beigen.
Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?
Ehrlichkeit und Toleranz.