Ein Bauer vergisst zum wiederholten Mal zum Eishockey-Match des Sohnes zu kommen, obwohl er es versprochen hatte. Eine Bäuerin erfährt, dass eine Freundin etwas sehr Privates ausgeplaudert hat. Manchmal machen wir Menschen Fehler. Doch wie biegt man die Sache wieder gerade?
«Ehrliche Entschuldigungen oder auch klärende Gespräche sind auch heute noch wichtig. Menschliche Beziehungen sind sogar darauf angewiesen», sagt Andri Kober. Er ist Mediator, reformierter Pfarrer sowie Vorstandsmitglied und Team-Verantwortlicher des bäuerlichen Sorgentelefons. «Manche sind sich allerdings gar nicht bewusst, dass sie einen Fehler begangen oder jemanden verletzt haben.» Etwa, wenn jemand im Stress einen anderen grob beschimpft. Doch auch das muss man nicht einfach hinnehmen. «Es ist für die eigene ‹Psychohygiene› wichtig, dass man so etwas nicht einfach schluckt, sondern es – so zeitnah wie möglich – anspricht und möglichst klärt», sagt Andri Kober.
Kein «aber…»
Vielleicht kommt die Botschaft an und das Gegenüber entschuldigt sich. Vielleicht kommt aber auch eine abwertete Bemerkung im Sinne von «das war doch nichts, du bist aber auch ein Sensibelchen.» Oder es kommt zwar ein flüchtig gemurmeltes «sorry», doch man spürt, dass es nicht aufrichtig ist. Oder es kommt ein «ja schon, aber ...». «Auch dann darf man sich wehren», sagt Andri Kober. Etwa den anderen fragen: «Ist dir bewusst, was das in mir ausgelöst hat? Dass mir das weh tut oder mich hässig macht?»
Wichtig dabei sei, von sich selbst zu sprechen und den anderen nicht anzugreifen und/ oder zu verallgemeinern. Etwa: «Ich habe mich geärgert, dass du zu spät kamst», statt «du bist rücksichtslos und hältst dich nie an Abmachungen.»
Sich zu entschuldigen, bringt auch der Person etwas, die den Fehler gemacht hat. «Sie bekommt die Chance, das eigene Verhalten zu reflektieren, zu realisieren, dass es etwas bewirkt», meint Andri Kober. Trotzdem bleibt es für viele schwierig, für die eigenen Fehler geradezustehen. Nicht selten steckt fehlendes Selbstwertgefühl dahinter. Manchmal ist es auch ein Vermeidungsverhalten, man weicht Unangenehmen aus.
«Im Idealfall entschuldigt man sich von sich aus. Sonst entsteht der Eindruck, dass einem das Gegenüber egal ist, vor allem, wenn sich eine Situation wiederholt», erklärt Kober weiter. Die Entschuldigung muss spürbar ehrlich sein. «Das ist eine Frage der Haltung. Es zeigt, dass wir den anderen ernst nehmen. Wir müssen lernen zu dem zu stehen, was wir machen oder eben nicht.» Manchmal helfe die Frage: «Was brauchst du, dass wir weiter können?»
Manchmal braucht es Zeit
Die Form der Entschuldigung hängt auch von der Schwere des Ereignisses ab. Bei gravierendem Fehlverhalten braucht es Zeit, bis die Zeit reif dafür ist, eine aufrichtige Entschuldigung zu formulieren und vorzutragen. Etwa, wenn man betrunken jemanden angefahren hat. Andri Kober. «Die andere Seite muss bereit sein, eine Entschuldigung anzunehmen. Bei schweren Konflikten, wie in einem Krieg, kann die Versöhnung sehr, sehr lange dauern.»
Auf einem Landwirtschaftsbetrieb überschneidet sich Privat- und Arbeitsleben. Hat man als Paar oder über die Generationen privat Streit, wirkt sich das auf die Arbeit aus und umkehrt. «Da ist aufrichtige Kommunikation besonders wichtig», sagt Andri Kober. «Manche können nicht verstehen, warum sich der andere an etwas stört. Kommt das immer wieder vor, sammelt sich zu viel Ungesagtes an. Man spricht bildlich von einem Kropf im Hals.»
Fixe Gesprächszeiten
Er empfiehlt daher, dass alle einmal pro Woche zusammensitzen und reden. Bei diesem Fixtermin schaut man als Erstes zurück auf die vergangene Woche: Was lief gut, was weniger. «Hat man einen fixen Gesprächstermin, wissen alle: an diesem Tag kann ich darüber reden, was letzte Woche schwierig für mich war. Man wird gehört und ernst genommen», sagt erklärt Kober. Das nimmt Druck aus dem System. Sonst schiebt man es immer vor sich hin, weil nie der richtige Zeitpunkt ist. «Wenn man den Kropf leeren kann, erleichtert das. Das erleben wir beim Sorgentelefon viel.»
Nach dem Rückblick folgt der Ausblick auf die kommende Woche: Was wollen wir wie angehen? Was stimmt für alle? «Wenn alle diese Gesprächsrunden ernst nehmen und das Gesagte auch umsetzen, funktioniert das in der Praxis gut, wie ich aus Rückmeldungen höre», so Kober weiter. Zusätzlich ist es wichtig, dass jede Person genügend Zeit für sich selbst hat und diese Freiräume ohne schlechtes Gewissen nutzen kann. «Das ist auch eine super Burnout-Prävention.»
Grenzen setzen
Es gibt allerdings Menschen, die über das Mass schnell gekränkt oder emotional aufgewühlt sind. Man spricht dann davon, dass sie «getriggert» wurden. Das aktuelle Ereignis ist nur der Auslöser dafür, nicht der Grund. Oft steckt ein Trauma-Erlebnis dahinter und die Betroffenen werden durch den Auslöser oder eben Trigger in den Gefühlszustand von damals zurückversetzt. «Es hilft zu wissen, wo bei jemandem die rote Flagge hochgeht», sagt Andri Kober. «Doch die getriggerte Person sollte sich therapeutische Hilfe holen. Denn nur sie selbst kann den Trigger auflösen.»
Jemand hat einen Fehler gemacht und sich gebührend entschuldigt. Doch die andere Person kann nicht verzeihen, hängt an ihrem Groll. Was dann? «Einige Menschen haben Grollen als Überlebensmechanismus entwickelt, manchmal auch in Paarbeziehungen», weiss Andri Kober. «Da kann auch zu einem Machtspiel werden.» Hier hilft nur, sich abzugrenzen: «In meiner Wahrnehmung hast du da ein Problem. Doch das ist nicht meine Baustelle.»
Lohnend ist eine aufrichtige Kommunikation auf jeden Fall. Nicht nur für einen selbst, sondern auch für die nachfolgenden Generationen. «Mich hat kürzlich eine Frau kontaktiert, die als Kind eine Mediation bei einem Generationenkonflikt am Rande miterlebt hat», erzählt Andri Kober. «Durch dieses Erlebnis und dessen Wirkung ist sie heute offen dafür, sich bei einer Herausforderung in der Paarbeziehung Unterstützung zu holen.»
Weitere Informationen: www.hofkonflikt.chwww.baeuerliches-sorgentelefon.ch
Sechs Bausteine
Was braucht es für eine Entschuldigung, die ankommt? Das hat Roy Lewicki in einer Studie an der Ohio State University erforscht. Er ist Sozialpsychologe und Professor für Wirtschaftsethik. Es zeigte sich, dass eine erfolgreiche Entschuldigung sechs Komponenten braucht:
1. Bedauern ausdrücken
2. Erklären, was man falsch gemacht hat
3. Die Verantwortung dafür übernehmen
4. Reue bekunden
5. Wiedergutmachung anbieten
6. Um Verzeihung bitten
«Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass die wichtigste Komponente das Eingestehen von Verantwortung ist», wird Lewicki in einer Veröffentlichung der Universität zitiert. «Sagen Sie, dass es Ihre Schuld ist, dass Sie einen Fehler gemacht haben. Das zweitwichtigste Element war ein Angebot zur Wiedergutmachung.»