In einer Mitteilung zählt der Bündner Bauernverband eine Reihe von Schwächen auf, die einer Meinung nach die Aussagen des Berichts von Kora und Agridea vom Januar 2022 fraglich erscheinen lassen:
- Diverse Widersprüchlichkeiten
- Fehlende Fakten
- Viel zu geringe Datenlage
Zwei wichtige Jahre ausgelassen
Es wurden nur die Jahre 2004 bis 2019 untersucht. Dies, obwohl 2004 gerade mal drei Wölfe in der Schweiz gelebt hätten, 2016 deren 40 und 70 im Jahr 2019, aber im nicht berücksichtigten 2021 seien es schon 148 gewesen, betont der Bündner Bauernverband. Die Wolfsattacken hätten sich mit dem exponentiellen Wachstum der Population von 2020 bis 2021 fast verdoppelt, was aber nicht in die Studie einfloss.
Die Kora selbst räume im Bericht ein, dass die bisher empfohlenen Herdenschutzmassnahmen Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere nicht verhindern könnten. Im Bericht stehe zudem, dass Abschüsse eine wirksame Massnahme zur Schadensreduktion seien.
Schäden trotz tausenden Herdenschutzhunden
Die Erfahrungen aus den französischen Alpen mit grossen Wolfsbeständen würden das Scheitern des Herdenschutzes belegen, heisst es weiter. Dort seien offiziell über 4’000 Herdenschutzhunde im Einsatz gegen etwa 500 Wölfe und es gebe trotzdem grosse Schäden an Nutztieren. Laut staatlichen Quellen, die der Bündner Bauernverband zitiert, wurden 2020 knapp 12'000 landwirtschaftliche Nutztiere gerissen. Diese Tatsache werde hierzulande offensichtlich ignoriert.
Frankreich plafoniert seine Wolfsbestände
In den französischen Alpen gibt es besonders grosse Schäden durch Wölfe an Nutztieren, schreibt die Kora im Bericht «25 Jahre Wolf in der Schweiz». Man führt das darauf zurück, dass es in Frankreich keine einheitlichen Standards für Haltung, Ausbildung und Zucht von Herdenschutzhunden gibt und deren Effizienz daher schlecht sei. Nach geltendem Recht dürfen in diesem Land Wölfe, die Schaden angerichtet haben, rund um die betroffenen Herden geschossen werden.
Frankreich hat sich eine Population von 500 Wölfen als Ziel gesetzt. Damit ist das Kriterium der ausreichenden Populationsgrösse für den «geeigneten Erhaltungszustand») gemäss Schätzungen erreicht. Abschüsse erfolgen heute, um den Bestand auf diesem Niveau zu halten: 2019 gab es 530 Einzeltiere auf französischem Boden, worauf der Abschuss von 100 Wölfen bewilligt worden sei, schreibt die Kora.
Die Praxis zeigt eine andere Wahrheit
«Kora und Agridea haben in den letzten Jahren stets postuliert, dass der Herdenschutz mit Schutzzäunen und Herdenschutzhunden generell gut funktioniere», hält der Bündner Bauernverband fest. Gerade in den letzten zwei, drei Jahren habe sich in der Praxis mit der ungebremsten Entwicklung der Wolfspopulation in der Schweiz aber eine deutlich andere Wahrheit gezeigt. Und trotzdem werde an der obigen Aussage festgehalten, so die Kritik. Ausser Acht blieben die räumlichen Gegebenheiten und reale Möglichkeiten, den Herdenschutz auch umzusetzen.
Abschliessend fordert der Bündner Bauernverband «mit grösster Dringlichkeit», den politischen Prozess zur raschen Anpassung der Gesetzesgrundlage für eine Regulation von Wolfbeständen mit Hochdruck voranzutreiben. Dabei müssten auch ökonomisch- und sozialverträgliche Bestände in klaren Zahlen definiert werden.