Mit dem Ökonomen Mathias Binswanger und Emmi-Chef Urs Riedener bestritten zwei zugkräftige Referenten das fünfte Zentralschweizer Junglandwirteforum von diesem Mittwoch. Ihre Positionen unterschieden sich vorab in Bezug auf den Grenzschutz. Leo Müller, Nationalrat und Vorstandsmitglied des Luzerner Bauernverbandes (LBV), zeigte sich erfreut über den Grossaufmarsch in Ro
thenburg. Es sei wichtig, dass die jungen Bäuerinnen und Bauern ihre Meinung einbringen, schliesslich gehe es um ihre Zukunft. Gastgeber war diesmal die Familie Bühlmann im Bürlimoos.

#YT0#


Es braucht Grenzschutz


Rein ökonomisch betrachtet lohne sich die Landwirtschaft in der Schweiz nicht, stellte Binswanger fest. Die Wertschöpfung im Agrarsektor belaufe sich auf 30'000 Franken pro Beschäftigten und Jahr, bei den Banken und in der Pharmaindustrie beispielsweise sei diese zehnmal höher. Trotz dieser Tatsache ­bestehe ein breiter politischer Konsens, daran festzuhalten. Hauptgründe sind die Versorgungssicherheit und die multifunktionalen Leistungen der Landwirte. «Das geht aber nur, wenn wir die Landwirtschaft subventionieren und an einem gewissen Grenzschutz festhalten. Ohne Grenzschutz fällt eine entscheidende Säule weg», so Binswanger.

[IMG 3]


Die Abwärtsspirale


Gründe für die schlechten Produzentenpreise sieht er in den Marktstrukturen: Nur gerade fünf Prozent der Güter werden direkt an die Konsumenten verkauft. Immer mehr Geld versickert in den Margen der Verarbeiter und des Handels. So betrug der Anteil der Landwirtschaft am Konsumentenfranken vor 40 Jahren noch 50 Prozent, heute nur noch 30 Prozent. Um Kosten zu senken, werde als Reaktion darauf die Produktivität gesteigert. Laut Binswanger ist das kein gutes Rezept, weil in einem gesättigten Markt wie der Lebensmittelbranche schlicht die Nachfrage fehlt.

Bauern exportieren nicht

«Technischer Fortschritt führt zu tieferen Preisen.» Diese landwirtschaftliche Tretmühle, wie er den Mechanismus nennt, herrsche nicht nur in der Schweiz, sondern überall.

Von Marktöffnungsbefürwortern wird auf die Chancen für den Export hingewiesen. Das stimme nur bedingt, meinte der Ökonom. «In der Regel sind es nicht die Bauern selber, die ihre Produkte exportieren. Sie profitieren also kaum davon.» Ein Grundproblem: Wenn sich Bauern darauf beschränken, nur Rohstoffe abzuliefern, bleiben sie in besagter Tretmühle gefangen. Um an Wertschöpfung zu gewinnen, bräuchten die Landwirte mehr Marktmacht, ferner sollten sie stärker auf Differenzierung, Qualität und Direkt
verkauf setzen.


Geeinte Milchproduzenten


«Für Emmi sind die Exporte sehr wichtig», betonte Urs Riedener, CEO des grössten Schweizer Milchverarbeiters. «Mit dem Auslandgeschäft können wir den Margendruck in der Schweiz kompensieren.» Deshalb tritt er dezidiert für Handelsabkommen ein. Für Emmi bedeute der Grenzschutz eine Diskriminierung im Vergleich mit europäischen Konkurrenten, was den Marktzugang in zahlreiche Länder betrifft. Bilaterale Handelsverträge seien im Interesse der gesamten Milchwirtschaft, Riedener forderte ein geeintes Auftreten der Milchproduzenten.


Nahe beim Konsumenten


Unmissverständlich wies er auf die konsequente Marktorientierung des Konzerns hin. «Wir verstehen uns als Milchveredler, der möglichst nahe beim Konsumenten ist.» Das habe 1993 zur Einsicht geführt, dass man die Marktausrichtung und die genossenschaftlichen Aktivitäten der Bauern trennen müsse. Bei der Swiss Dairy Food sei dies nicht der Fall gewesen, und genau daran sei sie gescheitert. Emmi zahle einen vergleichsweise guten Milchpreis. Wichtig für ihn ist auch, dass das Schweizer Niveau gegenüber dem EU-Preis erhalten bleibt.

Heinz Abegglen