Die Umweltverbände haben in der verkürzten Vernehmlassung zur aktuell gültigen Jagdverordnung (JSV) vor einem Massaker am Schweizer Wolfsbestand gewarnt. Nun hat Pro Natura die JSV vom bekannten Juristen Michael Bütler vom Anwaltsbüro Bergrecht.ch juristisch einordnen lassen. Die Verordnung stehe demnach mit zahlreichen Gesetzen in Konflikt, ist im neusten Pro-Natura-Magazin zu lesen.
Note 3 oder weniger
Im Interview erklärt Michael Bütler, er würde dem Revisionsentwurf der JSV aus der Feder von Bundesrat Albert Rösti eine ungenügende Note geben: «Eine 3 vielleicht, eher weniger», sagt er im Pro-Natura-Magazin. Je nach Auslegung sei sie mit verschiedenen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundsätzen «schwer zu vereinbaren». Konkret spricht er die Berner Konvention zur Erhaltung von wildlebenden Tieren an, aber auch die Schweizer Bundesverfassung. Diese schreibe nämlich vor, dass der Bund gefährdete Arten vor der Ausrottung bewahren muss. Ähnliches stehe ebenfalls im Jagdgesetz.
Lokal oder regional nicht mehr überlebensfähig
Der Wolf dürfe in der Schweiz also nicht ausgerottet werden, stellt der Jurist fest. «Wenn nun gemäss Jagdverordnung alle Kantone die Wolfsbestände maximal dezimieren würden, könnte es sein, dass der Wolf lokal oder regional nicht mehr überlebensfähig ist», erläutert Michael Bütler den Konflikt. Ein Problem sieht er weiter darin, dass die Verordnung – im Gegensatz zum Gesetz – das Ergreifen von zumutbaren Schutzmassnahmen vor einem Abschuss nicht voraussetze. «Faktisch droht dem Wolf diesen Winter im ungünstigsten Fall ein Massaker», so sein Fazit.
«Könnte ein Dammbruch sein»
Erst in der Umsetzung der JSV wird sich laut Michael Bütler zeigen, wie die Regelungen genau ausgelegt werden und ob sie den übergeordneten Vorgaben standhalten. «Ich habe das Gefühl, der Bund will den Partikularinteressen der Nutztierhaltenden vorschnell und einseitig entgegenkommen», sagt der Jurist gegenüber dem Pro-Natura-Magazin. Künftig werde es schwierig sein, die Schraube beim Wolfsschutz nach diesen Zugeständnissen wieder anzuziehen. «Das hier könnte ein Dammbruch sein», so Bütlers Befürchtung.
Abschussverfügungen gerichtlich prüfen
Michael Bütler übt Kritik am Vorgehen des Bundesrats. Zum einen hätten mit der verkürzten Vernehmlassung eine angemessene Diskussion und demokratische Mitwirkung aller Akteure gefehlt. Zum anderen müssten solch weitgehende Regelungen auf Gesetzesstufe mit Referendumsmöglichkeit eingeführt werden. Nach Bütlers Meinung ist der Bundesrat in dieser Sache «unstatthaft» vorgegangen.
«Deshalb wäre es wünschbar, dass gegebenenfalls fragwürdige oder gesetzeswidrige Abschussverfügungen gerichtlich überprüft und wichtige Fragen geklärt werden», schliesst Michael Bütler. Eine solche Überprüfung haben Pro Natura, BirdLife und der WWF im Fall von sieben Rudelregulierungen in den Kantonen Wallis und Graubünden bereits angestossen. Bis auf Weiteres bleiben die betroffenen vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) verfügten Abschüsse untersagt, wie das Bundesverwaltungsgericht kürzlich entschieden hat.
Das vollständige Interview mit Daniel Bütler im Pro-Natura-Magazin finden Sie hier.