Es war schön, die regnerische Schweiz hinter sich zu lassen und gegen das sonnig-milde Wetter Andalusiens einzutauschen. Kaum in Malaga gelandet, wurde die Reisegruppe vom jungen Reiseleiter Miguel in Empfang genommen. Die ersten Blicke aus dem Car zeigten, dass wir in einer anderen Welt angekommen waren: Zunächst waren überall Bäume sichtbar. Jede noch so steile Flanke an der tropischen Küste – Costa Tropical – schien bepflanzt zu sein, dazwischen herrschte jedoch Dürre.
Durstige Avocados
Mangos und Avocados werden in der Region im grossen Stil angebaut. Früher waren die Kulturen vielseitiger, heute aber sind es vor allem diese beiden Pflanzen, welche den Löwenanteil ausmachen. Ein Landwirt erzählte uns bei der Führung durch seine Plantage, weshalb dem so ist: «Es ist einzig eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Mangos und Avocados erleben seit einiger Zeit einen regelrechten Boom. Die anderen Kulturen können da nicht mithalten.»
Limitierend für den Anbau ist das Wasser. Wir erfuhren, dass für 1 kg Avocado rund 600 Liter Wasser benötigt werden. Die Bäume werden über Tröpfchenbewässerung mit Wasser und Dünger versorgt. Auf dem Familienbetrieb werden pro Baum bis zu 35 kg (120 Stück) Mangos geerntet. Der Verkaufspreis liegt bei Mangos bei 1,10 Euro pro kg (Fr. 1.16), für Avocados bekommen die Bauern rund 2 Euro pro kg (Fr. 2.10).
Das berüchtigte Plastikmeer
Die Reise führte weiter dem Meer entlang nach Almería. Vielen ist die Region ein Begriff: Plastikmeer, Schwarzarbeit oder Umweltzerstörung dürften Begriffe sein, die nicht wenigen dazu in den Sinn kommen. In der Tat nahmen die Gewächshäuser immer mehr zu, bis zuletzt praktisch jeder Quadratmeter – wiederum auch in steilem Gelände – von Plastik bedeckt war. Rund 36 000 Hektaren Land sind hier davon überzogen. Eine Augenweide ist das nicht, doch am nächsten Tag erhielten wir Gelegenheit, unter den Plastik und somit die Oberfläche zu blicken.
Bei einem Durchschnittsbetrieb mit 2 ha gedecktem Anbau erfuhren wir viel über das Management in den Gewächshäusern. 95 Prozent der Landwirte kommen mittlerweile ohne Pestizide aus, weil die Pflanzen nie feucht werden und die Wasserversorgung über Tröpfchenbewässerung erfolgt.
Aarabische Einflüsse
Andalusien liegt im Süden von Spanien und grenzt an Gibraltar. Dieser Lage verdankt die Region einerseits ihr besonders mildes Klima und die hervorragende Anbaueignung für fast alles, was man essen kann. Auf der anderen Seite war die Region in der Vergangenheit immer wieder stark umkämpft. Insbesondere die Einflüsse der arabischen Welt sind bis heute sehr gut sichtbar, war Andalusien doch die am längsten unter islamischer Herrschaft stehende Provinz Spaniens. Das reiche Erbe der Muslime umfasst etwa die Alhambra in Granada mitsamt den prachtvollen Generalife-Gärten oder die Moschee-Kathedrale Mezquita von Córdoba. Auf der Leserreise wurde ein interessanter Querschnitt durch Kultur (die auch den Flamenco-Tanz umfasst) und Landwirtschaft geboten.
Um Schädlinge zu bekämpfen, gibt es Schleusen beim Zutritt in die Gewächshäuser und es werde Nützlinge eingesetzt. Der Grund ist nicht ideologischer Natur: Der Einsatz von Nützlingen in Gewächshäusern ist günstiger und effektiv, zudem gibt es keine Problematik mit Pestizidrückständen. Problematisch ist dafür der Wasserverbrauch. Weil dieser grösser ist das, was natürlicherweise von den Bergen nachfliesst, wurden am Meer neue Entsalzungsanlagen gebaut.
Meisterwerk der Baukunst
Im Anschluss folgte ein kulturelles Highlight: Der Besuch des berühmten Alhambra-Palastes war beeindruckend. Unvorstellbar, wie die Mauren im 13. Jahrhundert solch ein Bauwerk errichten konnten. Die Genera-life-Gärten waren ebenfalls wunderschön, überall lag der Duft von blühenden Orangenbäumen in der Luft. Dies ist übrigens auch der Grund, weshalb in den Städten so viele Orangenbäume wachsen: Früher, als es noch keine Kanalisation gab, sollte der Duft die weniger angenehmen Gerüche menschlichen Ursprungs überdecken.
Auf dem Weg nach Córdoba folgte dann ein agri-kultureller Höhepunkt, denn beim Anbau von Oliven verschmelzen Landwirtschaft und Kultur mit-einander. Wir genossen eine spannende Führung bei einem Olivenöl-Produzenten, welcher einen Bestand von 120 000 Bäumen pflegt.
Schweine fressen Eicheln
Immer wieder tischte man uns den weltberühmten Serrano-Schinken aus iberischen Schweinen auf. Nun erhielten wir Einblick in die Produktion dieser Delikatesse, und zwar vom Ferkel bis zum Schinken. Das Besondere an den Tieren ist einerseits die Rasse (fast schwarz) und andererseits die Eichelmast. Von November bis Anfang März lassen die Bauern die Schweine in den «Dehesas» (Steineichen-Wälder) die Eicheln fressen, was zum einzigartigen Geschmack des Schinkens beiträgt.
Auf dem Betrieb von José sahen wir, weshalb die Weidemast ohne Beschädigung der Grasnarbe möglich ist: Alle Tiere auf dem Betrieb sind geringelt, damit sie den Boden nicht umgraben können. José hält gemeinsam mit seinem Vater rund 400 iberische Schweine, davon rund 100 Muttersauen. Die Tiere fressen Mischfutter, Gemüseabfälle und Eicheln. Die Würfe umfassen bis zu acht Jager pro Sau, abgesetzt wird mit zirka acht Wochen. Die Männchen werden mit sechs Monaten kastriert, und den Weibchen werden dann die Eierstöcke entfernt. Die späte Kastration ist so gewählt, damit die Tageszunahmen der Tiere besser sind.
Die Entfernung der Eierstöcke erfolgt, damit sich die Sauen nicht mit Wildschweinen paaren können, die in den Wäldern umherstreifen. Geschlachtet werden die Tiere mit zirka 18 Monaten oder einem Lebendgewicht von rund 160 kg. Der Erlös pro Schwein beträgt 100 Euro (105 Franken) – ohne die Hinter- und Vorderschinken.
Diese Serrano-Schinken produziert José selber, sehr aufwendig und mit viel Herzblut. Bis zu sechs Jahre dauert es von der Geburt eines Ferkels bis zum fertigen Serrano-Schinken. Den verkauft José zu einem Preis von 50 bis 60 Franken pro kg, ein ganzer Schinken kostet rund450 Euro (473 Franken). Der mehrfach ausgezeichnete Schinken wird zunächst in Salz gelagert, dann an der Luft getrocknet und gepflegt, bis er endlich verkauft wird.
Stiere für den Kampf
Weiter ging die Reise nach Sevilla, die mit 1,3 Millionen Einwohnern viertgrösste Stadt Spaniens. Auch hier war der Reichtum vergangener Tage anhand spektakulärer Bauten bestens sichtbar. Wegen der Corona-Krise waren bereits wenig Touristen unterwegs. In der Region besuchten wir einen Brandy-Hersteller (Degustation inklusive), eine Reitschule und einen Landwirt, der Stiere für den traditionellen Stierkampf züchtet.
Auf dem 600 Hektaren umfassenden Betrieb werden 400 Tiere gehalten, Ackerbau wird auf rund 100 Hektaren Fläche betrieben. Jährlich verkauft Chef Fabrice (ein gebürtiger Franzose, Stierkampf gehört auch in Teilen Frankreichs zur Tradition) rund 40 Stiere für den Stierkampf. Diese Tiere sind in der Regel zwischen vier und sechs Jahren alt. Pro Stier bekommt er im Schnitt 6000 Euro (6312 Franken). Die Stiere können nur in der höchsten Kategorie antreten, wenn sie perfekt trainiert sind und perfekt symmetrische Hörner haben. Entsprechend sind die Hörner ein wichtiges Zuchtziel bei der «Bravo»-Rasse.
Die Tiere werden bis zum Stierkampf ziemlich wild gehalten. Gegen Ende werden die Tiere von Pferdereitern «trainiert», damit sie genügend Muskeln aufbauen und fit für den Kampf sind. Ein Kampf dauert durchschnittlich 25 Minuten und endet üblicherweise mit dem Tod des Stieres. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass das Publikum einen besonders tapferen Stier begnadigt. Das ist auch schon mit einem Stier von Fabrice passiert. Laborioso, ein besonders mutiger Kampfstier, wurde nach dem Spektakel verarztet und anschliessend zurück auf den Betrieb gebracht, wo er bis zum Ende seines Lebens als Zuchtstier auf den Weiden verweilen durfte. Das Fleisch der getöteten Stiere wird konsumiert, bei den Kämpfen sind immer ein Metzger und ein Veterinär vor Ort.
Von Corona eingeholt
Der Besuch der Stiere sollte das letzte Highlight der Reise sein. Am letzten Tag durften die Reisenden das Hotel aufgrund der Corona-Krise nicht mehr verlassen. Der guten Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch: «So kommen wir wenigstens alle gut ausgeruht zu Hause an», witzelte einer der Teilnehmer. Die Rückreise verlief trotz Corona unspektakulär und ohne Probleme.