Economiesuisse sei insbesondere an einer Landwirtschaft interessiert, die Lebensmittel für den Markt produziere und den gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht werde, so Economiesuisse-Geschäftsführerin Monika Rühl heute in Bern. Ebenso unterstütze Economiesuisse grundsätzlich die staatliche Stützung für Leistungen, die vom Markt nicht abgegolten werden, für die aber ein politischer Auftrag vorliege. "Die komplette oder schockartige Öffnung des Agrarsektors ist für Economiesuisse kein Thema", so Rühl.
Economiesuisse hat eine Studie in Auftrag gegeben, die Vorschläge skizziert, wie die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft mittel- und langfristig gestärkt werden kann. Dies unabhängig allfälliger Marktöffnungen. Erstellt wurde die Studie vom Jacques Chavaz, ehemaliger stv. Direktor des BLW, sowie Martin Pidoux von der Fachhochschule HAFL.
Im Auftrag an die Studienautoren sei explizit festgehalten worden, dass der Verfassungsauftrag nicht in Frage gestellt und die Höhe der Subventionen nicht angetastet würden, so Rühl. Es gehe also um eine Weiterentwicklung der heutigen Agrarpolitik und nicht um eine radikale Kurswende. Im Kern gehe es um die Frage, wie eine Agrarpolitik aussähe, die den Abschluss von Freihandelsabkommen nicht verhindere, aber den Bauern verlässliche Perspektiven biete.
Jacques Chavaz sieht insbesondere bei 5 Punkten Handlungsbedarf:
- Vereinfachen / Regulierungsdichte senken
- Einseitige Bindung der Direktzahlungen (DZ) an die Fläche reduzierten
- Marktinterventionen abbauen
- Zielausrichtung der Direktzahlungen verstärken
- Innovationsklima verbessern und Raum für unternehmerische Entfaltung schaffen
Konkret soll das DZ-System von 8 auf 4 Massnahmengruppen vereinfacht werden. Dies wären Nachhaltigkeitsprogramme, Tierwohlprogramme, Regionalprogramme und ein Basisbeitrag. Dabei soll es eine Abkehr von Detailvorschriften des Bundes geben. Im Bereich der Nachhaltigkeit und der Regionalprogramme würde der Bund noch Ziele vorgeben und Finanzhilfen beitragen, die Massnahmen dann von Marktorganisationen resp. den Kantonen festgelegt werden. Der Basisbeitrag würde in Betriebs- und Flächenbeitrag gesplittet. Der Betriebsbeitrag würde abhängig von den den Standardsarbeitskräften ausbezahlt werden, dies ab einem Mindeswert von 0,2 SAK. Der Flächenbeitrag wäre nach oben hin degressiv, d.h. er würde ab 50 Hektaren sinken.
Basisbeitrag
Die Studie behandelte auch die Frage, wie sich ein offeneres Marktumfeld auf die Weiterentwicklung auswirken würde. Mit dem Basisbeitrag könnte eine Übergangshilfe wesentlich besser geschaffen werden als mit dem aktuellen System, so Chavaz. Je nach Öffnungsgrad seien auch Massnahmen zur Unterstützung des Risikomanagements möglich. Dazu gehören unter anderem Versicherungen, wie sie in Nordamerika verbreitet sind.
Persönlich habe er radikalere Vorschläge erwartet, so Roger Wehrli, stv. Leiter Wirtschaftspolitik von Economiesuisse. Die Studie zeige aber, dass mit moderaten Anpassungen im DZ-System eine Annäherung an internationale Märkte möglich sei. Freihandelsabkommen und eine Landwirtschaft, die aus eigenen Kräften auch in veränderten Marktverhältnissen produziere und zudem gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringe, seien gemäss Studie kein Widerspruch. "Das ist gut so. Denn Economiesuisse möchte sowohl Freihandelsabkommen und eine produzierende Landwirtschaft", so Wehrli.
Die Neugliederung des DZ-Systems erscheine für Economiesuisse sinnvoll und sollte eingeführt werden, so Wehrli weiter. Die agrarpolitische Stützung würde deutlich vereinfacht und die Wirkungsorientierung der Agrarpolitik verstärkt. Zudem erleichterten die Anpassungen die Marktausrichtung der Bauern, so Wehrli weiter.
Im Bereich des Basisbeitrag hält Wehrli den in der Studie genannte Betrag von 1,6 Milliarden Franken pro Jahr für zu hoch. Dieser sollte eher tiefer sein und mittel- und langfristig weiter gesenkt werden, so Wehrli. Dies da der Basisbeitrag einen negativen Einfluss auf die Strukturmobilität und die Marktausrichtung habe, so Wehrli.
Grenzschutz nicht zementieren
Für die Schweiz sei es wichtig, dass die internationalen Marktzugänge ausgebaut werden könnten, erläuterte Monika Rühl. Immer öfter verlangten andere Länder bei Verhandlungen punktuelle Öffnungen im Agrarsektor. "Die Studie zeigt, dass bessere Marktzugänge bereits mit moderaten Anpassungen an der Agrarpolitik möglich sind", so Rühl. Die Agrarpolitik 22+ müsse keine Marktöffnungen beschliessen, sie dürfe den Grenzschutz aber auch nicht zementieren. Gewisse Vorbereitungsarbeiten könnten aber bereits jetzt gestartet werden. "Es wäre wünschenswert, wenn beim Abschluss eines Abkommens bereits ein grundsätzlicher Konsens über die nötigen und richtigen Instrumente der Agrarpolitik herrrschen würde", sagte die Geschäftsleiterin.
In den nächsten Tagen sollen Gespräche mit dem Schweizer Bauernverband (SBV) stattfinden, um die Thematik zu besprechen, so Rühl. Von der Landwirtschaft erwarte Economiesuisse die Bereitschaft zum Dialog. Sie sei zuversichtlich, dass diese bezüglich dieser Studie vorhanden sei.
lid