Letzte Woche konnte man im Newsletter vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) lesen: «Informationen zum Sozialversicherungsschutz sind neu online verfügbar.» Mit dem Sozialversicherungsschutz ist die soziale Absicherung des mitarbeitenden Ehepartners, in der Praxis meist die Bäuerin, gemeint (siehe Box). 

 

Der Sozialversicherungsschutz in der AP 22+

Um die soziale Absicherung des mitarbeitenden Ehepartners zu verbessen, soll die Ausrichtung von Direktzahlungen neu an das Vorliegen eines Sozialversicherungsschutzes geknüpft werden.

Dieser Sozialversicherungsschutz besteht aus zwei Teilen, aus einer Risikovorsorge bei Invalidität und Tod sowie aus einer Taggeldversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und Unfall.
Davon ausgenommen sind: Personen mit einer auswärtigen Anstellung, deren Lohn den Schwellenwert für die 2. Säule von 21'330 Franken erreicht. Sie sind über die Arbeitgeberin versichert.

Weil Versicherungen jemanden aufgrund seines Gesundheitszustands ablehnen und weil Prämien bei älteren Personen unverhältnismässig hoch sein können, sind für diese Fälle Ausnahmebestimmungen vorgesehen. Eine davon wäre z. B. die
Einmalige Alterslimite: Bei der Einführung des Sozialver­sicherungsschutzes sind Personen mit Alter 55+ einmalig vom Versicherungsschutz ausgenommen.

Nach der zweijährigen Ein­führungsphase wird der Sozialversicherungsschutz kontrolliert. Bei fehlendem Nachweis folgen Kürzungen der Direktzahlungen, analog der ÖLN-Richtlinien.

 

Die Meldung erstaunt etwas, da auf der BLW-Website nichts aufgeschaltet wurde, was nicht bereits aus der Botschaft zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) bekannt wäre. Ausserdem sieht es zurzeit nicht danach aus, dass auf die AP 22+ eingetreten wird. Nach dem Ständerat gab nämlich am vergangenen Dienstag die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) bekannt, dass sie die Sistierung ebenfalls unterstütze.

Sensibilisierungskampagne von SBV und SBLV geplant

Auf Anfrage beim BLW, ob der Sozialversicherungsschutz mit der Sistierung der AP 22+ auf Eis gelegt werde, wird auf drei laufende Motionen im Parlament verwiesen (siehe Box). Diese fordern die Einführung eines Sozialversicherungsschutzes unabhängig von der AP 22+. Ebenfalls plane der Schweizer Bauernverband (SBV) in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) eine Sensibilisierungskampagne, heisst es beim BLW weiter. Beim SBV bekommt man auf Nachfrage dazu noch keine konkreten Details. Die Kampagne sei in Erarbeitung und werde im Oktober 2021 lanciert.

 

Drei Motionen

Mitte Dezember 2020 wurden drei Motionen eingereicht, die einen besseren Sozialversicherungsschutz für Bauernfamilien fordern. 

Motionen 20.4515/20.4574: Versicherungsschutz für Bauernfamilien, Risikovorsorge für auf dem Betrieb arbeitende Ehepartnerinnen und -partner. «Die Umsetzung dieser Reform darf nicht aufgeschoben werden.» Eingereicht im Nationalrat von Simone de Montmollin, Nationalrätin FDP Genf. Eingereicht im Ständerat von Johanna Gapany, Ständerätin FDP Freiburg.

Motion 20.4592: Verbesserung des Sozialversicherungsschutzes gemäss
AP 22+ mit einer Änderung des Landwirtschaftsgesetzes umsetzen, unabhängig von der Behandlung der neuen Agrarpolitik. «Es ist nicht richtig, wenn die Verbesserung der sozialen Absicherung der Ehepartner(innen) verzögert würde.» Eingereicht im Nationalrat von Jacques Nicolet, Nationalrat SVP Waadt. 

 

Der Bundesrat ist gefordert, zügig zu handeln

Die Genfer FDP-Nationalrätin Simone de Montmollin hat eine der drei Motionen eingereicht. Ihr Antrag fordert den Bundesrat auf, «unverzüglich das Landwirtschaftsgesetz so zu ändern, dass der Sozialversicherungsschutz von den mitarbeitenden Ehegatt(innen) verbessert wird (...)». Wie die Covid-19-Krise gezeigt habe, sei niemand gegen eine längere Krankheit gefeit, steht als eine der Begründungen unter dem eingereichten Text.

Es gebe im Parlament grundsätzlich keine Einwände dagegen, teilt de Montmollin der BauernZeitung schriftlich mit. Widerstand werde es geben, weil der Bundesrat kein «Rosinenpicken» haben wolle, was so viel bedeutet, wie die Umsetzung von ausgewählten, einzelnen Aspekten der AP 22+. Die Bäuerinnen würden jedoch schon lange auf eine Verbesserung warten, sie sei zuversichtlich, dass sich das Parlament für die Sache der Frauen starkmachen werde. Sollte ihre Motion angenommen werden, hätte der Bundesrat zwei Jahre Zeit zu handeln. Mit «unverzüglich» sei gemeint, dass der Bundesrat aufgefordert sei, zügig zu reagieren.

SBLV-Präsidentin Anne Challandes ist zuversichtlich

«Auch wenn sie sistiert wird, finde ich, dass die Diskussionen rund um die AP 22+ nicht umsonst waren», sagt Anne Challandes, SBLV-Präsidentin, gegenüber der BauernZeitung. Die Parlamentarier(innen) seien mit ihren Motionen auf den SBLV zugekommen. Challandes führt dies auf die gute Vernetzung ihres Verbandes und auf die jahrelange Arbeit an diesem Thema zurück. Die Lösung, wie sie die AP 22+ vorsehe, sei jedoch klar erst ein erster Schritt in die richtige Richtung. «Das betone ich immer wieder.»

Auf die gemeinsame Kampagne mit dem SBV angesprochen, ist die SBLV-Präsidentin sehr zuversichtlich. Damit sollen den Bauernfamilien mehr Informationen zur Verfügung stehen, als nur über die Taggeldversicherung oder die Risikovorsorge. «Auch Einkommensaufteilung, Mutterschaftsversicherung oder Scheidung sollen Thema sein. Ich erwarte klare Empfehlungen für die Bauernfamilien.»