«Als Klein wusste ich: ‹Ich will einen Bauern heiraten.› Meine Cousine wollte das auch», erzählt Kathrin Frei (41). Für den Fall, dass es mit dem Bauern nicht klappt, hatten die beiden Mädchen sogar einen Plan B bereit. «Wir beschlossen, dass wir zusammen einen Hof kaufen und diesen gemeinsam führen würden.»
«Lukas war grummlig»
Kathrin Frei ist nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ihre Eltern hatten jedoch ein paar Tiere und einen grossen Garten. «Mein Vater träumte immer von einem eigenen Höfli.» Frei wurde Lehrerin und hatte ein eigenes Pferd. Für dieses suchte sie einen Einstellplatz und fand ihn bei Jakob Frei, ihrem zukünftigen Schwiegervater. «Jakob liebt es, in Teams zu arbeiten. So war ich schon bald in Projekte eingebunden. Meinen Mann Lukas sah ich dabei selten.»
Lukas Frei fand Pferde und deren Besitzerinnen doof, ausserdem hatte er kein Interesse am Betrieb seiner Eltern. Es zog ihn nach Zürich, wo er Velomechaniker lernte. «Lukas war damals recht grummlig», meint die Bäuerin scherzhaft. «Erst bei einem Kinoprojekt auf dem Hof, das auch ihn interessierte, lernte ich ihn von einer ganz anderen Seite kennen.» Die beiden wurden ein Paar.
Von der Schule ins Studium
Mit dem Schulsystem, das sich Anfang der 2000er-Jahre stark zu verändern begann, hatte Kathrin Frei ihre Mühe. «Alle Kinder, die nicht der Norm entsprachen, mussten per Fördermassnahmen auf die Spur gebracht werden. Ich bin der Meinung, wir sollten uns darauf konzentrieren, was jemand kann und nicht darauf, wo seine Defizite sind», ereifert sie sich. Sie entschloss sich deshalb zu einem Zweitstudium als Umweltingenieurin. Gleichzeitig begann ihr Partner ein Studium als Maschinenbauingenieur.
«Verkauft ist verkauft»
«Wir steckten beide mitten in unseren Ausbildungen, als das Telefon der Schwiegereltern kam», erinnert sich Kathrin Frei. Jakob Frei war an einer Depression erkrankt. Die Schwiegereltern stellten das junge Paar vor die Optionen: Hofverkauf, Verpachtung oder eine baldige Übernahme.
Das Wort «Verkauf» löste bei Lukas Frei etwas aus. «Wir waren sowieso am Weichen stellen für die Zukunft. ‹Verkauft wäre verkauft und wer weiss, wo wir nach neun Jahren stehen, wenn ein allfälliger Pachtvertrag ausläuft›, dachten wir uns», erzählt Kathrin Frei. Die beiden sprangen also nebst Studium ins kalte Wasser. Geplant war eine Generationengemeinschaft. «Doch der Gesundheit zuliebe mussten die Schwiegereltern einen sauberen Schnitt machen.» Kathrin Frei absolvierte den Direktzahlungskurs, übernahm die Pensionspferdehaltung und die Spezialkulturen Hochstammobst und Holunder. Den Stall und das Ackerland verpachteten sie an einen Landwirt, der mit seinen Mutterkühen zu ihnen auf den Hof in Knonau ZH zog.
«Wir brauchten Geld zum richtig durchstarten»
«Lukas brachte vorerst Geld nach Hause. Wir wussten, wir brauchen das, um hier richtig durchstarten zu können», erinnert sich Kathrin Frei. Das Wohnhaus, ein Eternit-Siedlungsbau aus den 1960er-Jahren, war stark heruntergekommen und voller Asbest. Die Schwiegereltern hatten keine Freude daran und investierten lieber in die Ökonomiegebäude. Heute steht ein schöner Holzbau an dessen Stelle, denn neu bauen war fast gleich teuer wie sanieren.
Vieles selber ausprobieren
«Es war eine harte Zeit: drei kleine Kinder, die fehlende Erfahrung zusammen mit der Betriebsleitung. Ich glaube, ich bin jetzt noch manchmal müde deswegen», erzählt Kathrin Frei. An die Spezialkulturen wagte sie sich mittels «learning-by-doing», studierte Fachliteratur, erstellte Listen und Pläne. Ihr Mann baute ihr zur Arbeitserleichterung eine hydraulische Baumleiter. «Die einzige mit elektrischem Antrieb», sagt Frei freudig und führt die Maschine kurzerhand vor. «Beim Holunderblütenanbau muss ich vieles selber ausprobieren. Mein Schwiegervater war ein Pionier auf dem Gebiet. Es fehlt an Erfahrung, weil die meisten Produzenten gleich oder weniger lang im Geschäft sind wie wir.»
Kathrins Tipp
«Holunder ist eine wunderbare Pflanze. Sie lässt sich einfach über Stecklinge selber ziehen», sagt Kathrin Frei. Dafür schneidet sie im Frühjahr kräftige einjährige Triebe von einer Mutterpflanze. «Das Steckholz auf die gewünschte Länge einkürzen, es müssen mindestens zwei paarige Knospen über der Erde sein.» Den Steckling steckt sie zirka 20 bis 30 cm tief in einen Topf oder ins Gartenbeet und hält ihn den Sommer über feucht. «Bereits im kommenden Herbst/Winter kann der Jungbaum an den gewünschten Standort gepflanzt werden.»
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Die Holunderstecklinge in Kathrin Freis Garten dienen zusätzlich als Schattierung für das Gemüse.
200 Hochstammbäume sind eine Herausforderung
Am Spritzen der 200 Hochstammbäume hat sie bis heute keine Freude. «Es ist Knochenarbeit: den schweren Schlauch durchs Gras ziehen, der Nacken wird vom Hinaufschauen ganz steif und dauernd stehst du im Sprühnebel.» Sie hat den Pflanzenschutz deshalb auf ein Minimum reduziert. «Die Obstbäume sind ein Erhaltungsprogramm von Pro Specie Rara und Bund, also alles alte Sorten. Es geht mehr um gesunde Bäume, als um perfektes Obst.»
Die Vermarktung der anfallenden Früchte sei eine Herausforderung. «Von jeder Sorte haben wir nur zwei Bäume, macht also 100 verschieden Sorten.» Das gibt keine grossen Mengen. Und an der Direktvermarktung gefällt ihr nicht, dass die Kunden alle einzeln per Auto zu ihr auf den Hof fahren. «Das stört mein Ökogewissen.»
Viele Ideen und Angst sich zu verzetzeln
Seit 2016 ist Lukas Frei ebenfalls auf dem Betrieb eingestiegen. An Projektideen fehlt es dem Paar nicht. «Wir besuchen gerne Praktiker, die Produkte anbauen, die uns auch interessieren», erzählt Kathrin Frei. «Dabei müssen wir schauen, dass wir uns nicht verzetteln. Denn was wir machen, wollen wir gut machen.»