Die Studie «Frauen in der Landwirtschaft 2022» des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) untersucht nach 2002 und 2012 zum dritten Mal die Situation und Rolle der Frauen in der Landwirtschaft. Für die am Donnerstag veröffentlichte Untersuchung nahmen 778 Frauen aus allen Landesteilen an einer Online-Umfrage von GFS-Zürich teil. Dazu kamen vier Gruppendiskussionen mit 29 Frauen.
Hausfrau, Mutter, Bäuerin
«Das Rollenbild und das Selbstverständnis der Frauen in der Landwirtschaft sind in Bewegung», bilanziert das BLW. Nach wie vor sehen sich die Frauen am häufigsten in den Rollen Hausfrau, Mutter und Bäuerin. Traditionelle Rollenbilder seien weiterhin wirksam. Doch es gibt auch Faktoren, die Veränderungen im Selbstverständnis und Rollenbild auslösen: vermehrter ausserbetrieblicher Erwerb, zunehmende Betriebsmechanisierung und bessere Ausbildungen. Auch der Wandel hin zu mehr Gleichstellung sowie einfacher zugänglichere Bildungs- und Infoangebote begünstigen die Übernahme der Rolle als Betriebsleiterin. Hingegen sehen die Frauen u. a. Schwanger- und Mutterschaft als wichtigen Hinderungsgrund.
Einkommen gestiegen
Die wirtschaftliche Bedeutung der Frauen für die Betriebe nimmt laut der Studie zu. Die Frauen erzielen mehrheitlich ein eigenes Einkommen: Sie führen den Betrieb oder einen Betriebszweig als selbständig Erwerbende, sind auf dem Hof angestellt oder tragen mit einem Job ausserhalb zum Gesamteinkommen bei. Insgesamt zeigt sich eine positive Entwicklung beim Haushaltseinkommen der Frauen. Bei mehr als jeder Dritten ist es in den letzten zehn Jahren gestiegen, bei weniger als einer von sechs gesunken.
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Als Gründe für das höhere Gesamteinkommen nennen über die Hälfte der Befragten, dass das Einkommen aus der Landwirtschaft gestiegen sei, ein Drittel gibt an, dass sich ihr eigenes ausserbetriebliches Einkommen erhöht habe. Fast alle befragten Frauen arbeiten auf dem Betrieb. Ein knapper Viertel der Frauen (23 %) ist dabei für mindestens einen Betriebszweig alleine verantwortlich, wobei der Anteil im Altersvergleich bei den jungen Frauen mit 38 % am höchsten ist.
Für mindestens einen Betriebszweig zuständig
Bei fast zwei Dritteln der Frauen (62 %) macht das Einkommen aus ihren Verantwortungsbereichen bis zu 50 % des Gesamteinkommens aus. Fast die Hälfte der Frauen bis 35 Jahre gibt an, dass sie mit dem Einkommen aus ihrem Betriebszweig mehr als 50 % zum Gesamteinkommen beitragen (total 23 %).
2022 wie 2012 sind knapp ein Viertel der Frauen für mindestens einen Betriebszweig alleine verantwortlich. Zugenommen hat ihre wirtschaftliche Bedeutung: In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der von Frauen verantworteten Betriebszweige mit einem Anteil von mehr als 50 % am Gesamteinkommen von 16 auf 23 % gestiegen.
Handlungsempfehlungen der Begleitgruppe
Diese Massnahmen empfiehlt die Begleitgruppe der Studie, um die Situation der Frauen in der Landwirtschaft weiter zu verbessern:
Frauenbetriebe sichtbar machen, Schwangere und frischgebackene Mütter entlasten, weitere Sensibilisierung durch die Beratung, Formulare von Ämter und Sozialversicherungen prüfen, Bestandesaufnahme und Weiterentwicklung der Ausbildung.
Geld fliesst oft in Betrieb
Die Einnahmen aus ihrem Betriebszweig fliessen in den meisten Fällen (71 %) auf das Betriebskonto, bei den jungen Frauen gar in 93 % der Fälle. Bei 14 % fliessen sie auf ein persönliches Konto, bei 9 % auf das Haushaltskonto.
2022 gehen mehr als die Hälfte der Frauen (53 %) auswärts arbeiten, 2012 waren es 47 % und 2002 44 %. Am höchsten ist der Anteil 2022 bei den bis 35-Jährigen (62 %). Fast zwei Drittel (63 %) arbeiten in ihrem erlernten Beruf.
Soziale Absicherung besser
Erfreulich ist zu sehen, dass sich die soziale Absicherung der Frauen im Laufe der letzten zehn Jahre positiv entwickelt hat. Der Anteil ohne eigene Absicherung und Vorsorge ist im selben Zeitraum von 12 auf 4 % gesunken. 57 % verfügen mittlerweile über eine 3. Säule (2012: 43 %), 44 % über eine 2. Säule (2012: 20 %).
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Der SBLV ist zufrieden
Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) ist erfreut über die positive Entwicklung, die im Bericht «Frauen in der Landwirtschaft» festgestellt wird. Die soziale Absicherung von Bäuerinnen habe sich in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert, was unter anderem der langjährigen Arbeit des Verbandes zu verdanken sei, schreibt der SBLV in einer Mitteilung. Die herausragende wirtschaftliche Bedeutung von Frauen in der Landwirtschaft werde bestätigt. Dennoch seien weitere Fortschritte erforderlich.
Auch wenn einiges erreicht werden konnte; der SBLV bleibe am Ball. Im Bericht werden einige Handlungsansätze empfohlen. Mit Sensibilisierungs- und Mitgliedergewinnungskampagnen, Informationen, Aus- und Weiterbildung, mit der Plattform «SBLV-Vermittlung von Hilfe und Unterstützung» sowie mit dem Einsatz in den politischen Diskussionen setze sich der SBLV weiterhin für die Frauen in der Landwirtschaft ein.
Nur eine Woche Ferien
Der Arbeitsumfang hat 2022 im Vergleich zu 2012 für die meisten Tätigkeiten zugenommen. In der Umfrage geben die Frauen an, genügend Zeit für Familienleben, Partnerschaft und sich selbst zu haben, hingegen weniger für ein Engagement in Bäuerinnen- oder Landfrauenorganisationen. 60 % machen eine Woche oder weniger Ferien pro Jahr.
72 Prozent sind zufrieden
Die Digitalisierung nimmt die Mehrheit als Vereinfachung wahr. Am meisten Sorgen bereiten die Agrarpolitik und das als negativ empfundene Image der Landwirtschaft. Und doch sind 72 % der Befragten mit ihrem Leben zufrieden. Sowohl die Teilnehmerinnen der Online-Umfrage als auch jene der Gruppendiskussionen sind zuversichtlich, was ihre persönliche Zukunft und auch was die Zukunft ihres Betriebes angeht.
Etwas weniger zuversichtlich sind sie in Bezug auf die Zukunft der Landwirtschaft. Insgesamt hat sich jedoch die Einschätzung der Zukunft in den letzten zwanzig Jahren positiv entwickelt: Dies gilt für die persönliche ebenso wie für die betriebliche Zukunft und die Zukunft der Landwirtschaft insgesamt.