«Swiss Black Angus! Qualität aus dem Paradies!» Das ist die Überschrift eines Artikels über den Besuch des Restaurantführers Gault-Millau auf dem Biohof Hoggen an einem prächtigen Sommertag. Als die BauernZeitung Anfang Jahr Annette und Thomas Rieder-Gysin besucht, ist es kalt, windig, düster, neblig und es schneit. Neben der kurvenreichen Strasse stehen zu beiden Seiten grauweisse Wände aus dichtem Nebel. Tritt man ins Bauernhaus, erhellt sich die Welt. Dort leben mit Grossvater Hans Rieder, dem Betriebsleiterpaar mit den 13-jährigen Zwillingen Laura und Alina und dem 9-jährigen Tim drei Generationen unter einem Dach.

Auf naturnahe Produktion und Regionalität setzen

«Ich bin keine ‹richtige› ausgebildete Bäuerin», erklärt Annette Rieder. «Ich habe auf ‹Hoggen› meinen beruflichen Arbeitsplatz im Büro und im Hofladen.» So kümmert sie sich um die Direktvermarktung des Fleisches. Der Transportweg zum Kundenmetzger ist kurz, so dass stets zwei Tiere vom Bauern selbst in die Metzgerei gefahren werden.

Rieders legen grossen Wert auf eine naturnahe Haltung: Auf «Hoggen» gibt es weder Soja noch Kraftfutter und auch Medikamente werden nur in Notfällen eingesetzt. «Unsere 40 Aberdeen- Angus-Mutterkühe, die Stiere ‹Boss of Hoggen» und ‹Velocity› und die 10 Rinder erhalten nur eigenes Gras», erklärt die Bäuerin. Weil die Herde kürzlich aufgestockt wurde, kauften sie einen zweiten kleinen Hof in der Nähe und verfügen nun über 55 Hektaren Grasland. Den Sommer verbringen die Tiere auf den vier verschiedenen Alpen Ochsenbergli bei Iseltwald, Stierenberg in Bretzwil, in Liedertswil und in Prünella in la Punt GR.

Fortschrittliche Erwerbsarbeit und eine gute Vorsorge

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Annette Rieder ist zwar keine ausgebildete Bäuerin, aber was soziale Absicherung, Partnerschaft, Erwerbsarbeit und Finanzen auf Bauernhöfen betrifft, ein Profi: «Ich bin ein Zahlenmensch, habe die KV-Lehre auf einer Bezirksschreiberei absolviert und arbeitete viele Jahre im Rechnungswesen, beim Betreibungs- und auf dem Grundbuchamt», erzählt sie. Für sie sei es klar gewesen, bei der Heirat einen Ehevertrag abzuschliessen. Sie zahlt ihrem Mann und sich selbst einen Monatslohn, beide Partner sind AHV-pflichtig und zahlen in die 3. Säule ein.

Sie ist Mitglied beim Bäuerinnen- und Landfrauenverein beider Basel und weiss, dass auf einigen Betrieben die finanzielle Absicherung der Frau im Argen liegt. «Dabei gibt es auf der Website des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands viele Informationen zu diesem Thema», hält sie den Finger auf. Sie empfiehlt, diese Unterstützung anzunehmen, bevor eine Frau auf den Hof zieht.  

Klare Aufgabenteilung für eine gute Zusammenarbeit

Auf «Hoggen» sei die Gleichstellung von Frau und Mann nie ein Thema gewesen. Annette Rieder mische sich nicht in die Tierhaltung und die Tierzucht ein, auch wenn sie täglich im Stall arbeite; ihr Ehemann Thomas lasse ihr im Gegenzug freie Hand bei der Direktvermarktung. «Wenn Paare zusammenarbeiten, gibt es Meinungsverschiedenheiten», enthüllt sie.

«Bei uns drehen sich Dispute nie um den Betrieb.»

Annette Rieder, Bäuerin auf dem Biohof Hoggen

Die Bäuerin meint weiter: "Wir, mein Schwiegervater und die Kinder pflegen einen respektvollen Umgang miteinander.» Bevor sie auf den Hof kam, hielten Vater und Sohn eine Generationengemeinschaft. Bis letzten Herbst arbeitete Annette Rieder 30 Prozent auswärts. «Jetzt, wo die Kinder ins Teenager-Alter kommen und die Herde vergrössert wurde, entschied ich mich, die Stelle aufzugeben», erklärt sie. Auf das Rentenalter der Bäuerin angesprochen, zeigt sie sich zufrieden. Auch ein Angleichen von Frau und Mann sieht sie positiv.

Zeit mit der Familie einplanen

Auszeiten mit der ganzen Familie sind für sie wichtig. «Wir versuchen, aufs Jahr verteilt drei Wochen gemeinsam in die Ferien zu gehen», sagt sie und schmunzelt. «Wenn Leute staunen, dass wir das durchziehen, antworte ich: Als ich früher angestellt war, hatte ich fünf Wochen Ferien. Ohne schlechtes Gewissen!»

Annette Rieders aufgeschlossene Einstellung verdankt sie ihrer Mutter Regula. Von ihr habe sie gelernt, selbständig zu sein – und zu bleiben. Sie habe vorgelebt, wie man als Ehefrau und Mutter unabhängig bleiben könne, ohne sich mit Männern anzulegen. Als Beispiel erwähnt sie den Liestaler Banntag, den höchsten weltlichen Feiertag für Männer und schulpflichtige Kinder. Die junge Frau lacht: «Meine Mutter erklärte uns, was es mit diesem Tag auf sich hat, packte uns ins Auto und fuhr mit der ganzen Kinderschar in den Europapark Rust. So hatten am Abend alle etwas zu erzählen.»

Faire Preise als Zeichen der Wertschöpfung

Von den Konsument(innen) wünscht sich Annette Rieder mehr Anerkennung für die Arbeit der Bauernfamilien. Worte alleine genügten dabei nicht. So sollte sich die Wertschätzung noch mehr in fairen Produzentenpreisen niederschlagen. «Es ist wunderbar, wie Leute erzählen, nur gesunde, regionale und saisonale Produkte zu konsumieren, sich im Laden dann aber trotzdem für die billigere Variante entscheiden», gibt sie zu bedenken. Andererseits weiss sie auch, dass sich nicht jede Familie täglich einheimisches Fleisch und inländischen Käse leisten kann.