Es war eine bunt gemischte Gruppe, die sich am 29. Oktober 2024 in Weinfelden zusammenfand. Eingeladen hatten die VTL-Kommissionen Soziales, Junglandwirte und Frauen in der Landwirtschaft. Thema des Abends war, seinen Platz zu finden, etwa in der Familie, auf dem Betrieb, im Sportverein.
Ein Haus mit vier Räumen
Die Thurgauerin Christina Kreis, die als Mentorin tätig ist, stellte die persönliche systematische Interaktion (PSI) als «Haus mit vier Räumen» vor. «In jedem von uns stecken vier Räume: Planungsbüro, Prüflabor, Bibliothek und Werkstatt», sagte Kreis. Diese «Räume» beschreiben vier Menschentypen:
- Planer (Planungsbüro): Geht sachlich an Aufgaben heran. Mag konkrete, logische Abläufe zum Abhaken. Mag es nicht, abgelenkt und unterbrochen zu werden.
- Gelassener (Bibliothek): Vertraut auf Erfahrungen. Verschafft sich rasch einen Überblick. Bleibt bei Herausforderungen gelassen und entspannt. Liebt es, Neues zu entwickeln.
- Prüfer (Prüflabor): Vorsichtig, wägt zuerst ab. Arbeitet gewissenhaft und detailliert, möglichst ohne Fehler. Mag keinen Zeitdruck.
- Handler (Werkstatt): Packt an. Setzt um, ohne sich lange Gedanken zu machen. Intuitiv und zuversichtlich. Hat oft einiges gleichzeitig am Laufen.
Dann waren die Teilnehmenden an der Reihe. Sie mussten für sich selber entscheiden, welcher Motivationstyp sie am ehesten sind. Am grössten war die Gruppe der Handler, am kleinsten jene der Gelassenen. «Es gibt kein ‹Richtig› oder ‹Falsch›. Vielmehr geht es darum, sich damit zu befassen, wie ich mit mir selber und mit meinem Gegenüber agiere», sagte Kreis. Damit meinte sie, die Stärken von Partnern, Angestellten, Eltern, Schwiegereltern usw. zu nutzen, um voneinander zu profitieren.
Neues reflektieren
«Im Alltag ist es oft so, dass sich die Räume – unsere inneren Aufenthaltsorte – vermischen», schilderte Christina Kreis. Das könne zu Hindernissen führen. So neige zum Beispiel ein Planer dazu, schnell überlastet zu sein. Um in der Rollenfindung eine nachhaltige Lösung zu finden, muss man sich laut Kreis in allen Räumen bewegen. «Man beginnt in der Bibliothek, wo man seine Erfahrungen reflektiert, begibt sich ins Planungsbüro, um Ziele zu definieren, setzt diese in der Werkstatt um und gelangt wieder in die Bibliothek, um die neuen Erfahrungen zu reflektieren», beschrieb sie den dynamischen Prozess.
Wer gehört zum System?
Dieses Fühlen, Wissen und Erfahren verändert sich mit dem Alter, sich ändernden Situationen und Aufgaben laufend. «Wichtig ist das Wissen, wo mein Hauptaufenthaltsort ist und wann ich mich wozu in einen anderen Raum, in eine andere Rolle begeben muss», fasste Kreis zusammen. So sei es einfacher, seinen Platz zu finden.
Christine Heller, Beraterin Betrieb und Familie am Arenenberg, verliess in ihrem Referat dieses «Haus» und wechselte zur Rollenverteilung auf dem Landwirtschaftsbetrieb. «Es gibt das Familiensystem – die Beziehungsebene – und das Arbeitssystem – den Betrieb», erklärte Heller. «Beide haben unterschiedliche Funktionsweisen und decken unterschiedliche Bedürfnisse ab.» In der Landwirtschaft überlagern und vermischen sich beide Systeme häufig. Das ist etwa der Fall, wenn der Partner/die Partnerin auf dem Betrieb einsteigt. Wenn man Schwierigkeiten hat, seinen Platz zu finden, empfiehlt die Referentin, folgende Fragen zu klären:
- Zu welchem System gehört das Thema?
- Wer gehört zu diesem System? Wen betrifft es nicht?
- Wer hat welche Rolle? Ist diese Rolle allen Beteiligten klar?
- Wer entscheidet und trägt die Verantwortung?
- Wer hat welche Erwartungen?
Rollen verändern sich stetig
Das Seinen-Platz-Finden kann sich auf einzelne Betriebszweige beziehen, etwa die Zuständigkeit beim Kälbertränken. Ganz stark zum Tragen kommt es bei der Betriebsübergabe. Der Generationenwechsel ist ein Paradebeispiel, weil sich hier die Rollen von sehr vielen Beteiligten verändern. Eine Teilnehmerin meinte, dass bei den Eltern häufig das Betriebssystem im Vordergrund stehe. «Dabei müsste das Familiensystem viel stärker gewichtet werden. Wichtig ist doch, dass der Junior sein Glück findet und seine Erfahrungen macht.» In diesem Austausch wurde der Bogen zum ersten Teil, der Raum-Findung, geschlagen. So meinte ein Teilnehmer, er nehme für sich mit, sich öfter gedanklich auf die Bibliotheksbank zu setzen und darauf zu warten, dass der Junior zu ihm komme, um sich auch nach Erfahrungen zu erkundigen, anstatt Ratschläge zu geben.