Landwirtinnen, die melken, gibt es natürlich, auch Bäuerinnen, die ab und zu aushelfen, aber Bäuerinnen, die immer melken, sind hierzulande mit den klassischen Familienbetrieben doch eher rar. Zu dieser seltenen Spezies gehört seit Jahrzehnten die 59-jährige Esther Geiser. Zusammen mit ihrem Mann Philipp bewirtschaftet sie einen Milchwirtschaftsbetrieb mit Aufzucht und Ackerbau in Roggliswil LU, nahe des «Dreiländerecks» Bern, Aargau und Luzern. Dass sie die Melkerin ist, hat viel mit Leidenschaft zu tun, aber auch ein wenig mit dem Schicksal.

Es gibt kein Richtig oder Falsch

Aufgewachsen ist Esther Geiser zusammen mit Schwester und Pflegebruder auf einem Hof in Reiden LU. «Schon als Kind war ich am liebsten im Stall», erzählt sie am Küchentisch. Ihre Tochter Sonja, die wenig später zum Gespräch stossen wird, sagt dann genau den gleichen Satz. Das Rollenverständnis der Eltern scheint zumindest in diesem Fall die Kinder doch ein wenig zu beeinflussen.

«Jede Frau macht es auf ihre Art, Richtig oder Falsch gibt es nicht.»

Bäuerin Esther Geiser über Rollenbilder.

Doch zurück zur Bäuerin Esther Geiser, die lange Zeit im Vorstand des Bäuerinnen- und Bauernvereins mitwirkte, auch als Präsidentin, und über das Bild der Bäuerin nach aussen gar nicht lange sinnieren mag. «Jede Frau macht es auf ihre Art, Richtig oder Falsch gibt es nicht», findet sie. Je nach Betrieb und Familie entwickeln sich die Dinge anders, nie würde sie darüber werten. Als ihr Mann Ende der 80er-Jahre beim «Chriesen» von einer Leiter fiel und seitdem mehrere Operationen an Rücken und Hüften erdulden musste, zog es Esther Geiser dann definitiv zum Rindvieh. Das Melken blieb ihre Lieblingsarbeit bis heute.

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Mit Tieren und Maschinen

Heute ist das Paar, Heuet ausgenommen, immer gemeinsam im Stall, morgens wie abends. Wobei immer Esther das Melken der 38 Red-Holsteinkühe übernimmt. Nach der Kür am Morgen warten dann nach dem Zmorge Arbeiten im und ums Haus auf sie. Doch ein wenig Pflicht? Geiser schmunzelt. Sie habe zwar das Haushaltslehrjahr gemacht, Bäuerin mit Berufsprüfung absolviert nach dem zweiten Kind, aber sie sei lieber im Stall als in der Küche, sagt sie unverblümt und lacht wie so oft herzhaft dabei.

Melken und Tiergesundheit sind ihre Kernkompetenzen, gerne arbeitet Esther Geiser im Stall mit Homöopathie und Pflanzenheilkunde. Aber auch die grossen Maschinen machen ihr keine Angst. «Ausser Mähen mit dem Motormäher mache ich eigentlich alles», sagt sie. Gut, beim Güllen sei sie auch nicht dabei, schiebt sie süffisant nach. Fünf Kinder im Alter von 29 bis 40 haben Geisers. Den Betrieb wird in vier Jahren nicht einer der beiden Söhne, sondern Tochter Sonja, 31, übernehmen. So ist es geplant. Die Nachfolgerin lernte Landwirtin, absolvierte die Meisterprüfung und ist aktuell noch als Besamungstechnikerin unterwegs.

Bald als Angestellte auf dem Hof

Vor knapp zehn Jahren haben Geisers in einen neuen Laufstall investiert. Schon im alten Stall mit Rohrmelkanlage hat Esther Geiser gerne gemolken, anfänglich meist noch mit den kleinen Kindern im Schlepptau. Vor allem arbeitswirtschaftlich rund um die Fütterung ist der Neubau für Bauer und Bäuerin aber doch eine grosse Erleichterung. Dank den erwachsenen Kindern gibt es nun auch Ablösungen für die Melkerin vom Dienst. Zum 50. Geburtstag – vor acht Jahren also – ging es mit Philipp für zwei Wochen nach Kanada.

Allzu lange verzichten auf ihre geliebte Stallarbeit möchte sie dann doch nicht. Diesen Winter legte sie eine zünftige Grippe eine Woche lang flach, wie sie sagt. Schön, dann endlich wieder in den Melkstand zu können. Zwei Hochträchtige hätten extra ihre Rückkehr abgewartet, ergänzt Tochter Sonja. Auch das Abkalben verpasst die Bäuerin nur ungern.

Dass in vier Jahren und nach der Betriebsübergabe plötzlich fertig ist mit Stallarbeit, scheint eher unwahrscheinlich. Ihr Interesse, weiterzumachen bei den Tieren, habe sie bei der Nachfolgerin bereits deponiert, sagt Esther Geiser.

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Der Garten wird kleiner

Nebst Stall und Haus beschäftigt sie sich aktuell vermehrt mit den vier Enkelkindern. Sehr gerne wird sie ihretwegen ihren Garten ein wenig «stutzen», sprich einige Beeten familieninternen Interessenten abgeben. Dass ihre Mutter keine Berührungsängste im Betrieb hat, habe sie sicher geprägt, sagt Sonja Geiser, bevor sie den grünen Besamungstechniker-Mantel überzieht und sich verabschiedet. Das habe Einfluss, wie sie die Betriebsleiterpaare wahrnehme. So steuert die Swissgenetics-Besamerin nicht automatisch auf den Mann zu, wenn sie in einen Stall kommt, wo auch die Bäuerin anwesend ist.

Esther Geiser kann sich auch nach vielen Jahren kaum einen schöneren Beruf vorstellen als den ihrigen. Gut, die Administration auf dem Betrieb müsste in dem Umfang nicht sein. Da schicke sie sich hinein. Und gemolken wird ja zweimal täglich. Spätestens um 16.30 Uhr kann sie den Bürokram mit gutem Gewissen ruhen lassen.