«Was mich nicht umhaut, macht mich stark.» Stimmt das? – Dies ist eine philosophische Frage, die wohl nicht ganz klar bejaht, aber sicher auch nicht verneint werden kann. Wenn man sich als Bäuerin die Zeit nimmt, über diese – zugegeben – bedeutsame Frage nachzudenken, kommt man wohl zum Schluss, dass die Aussage mindestens nicht falsch ist.

 

Internationaler Tag der Landfrau

Am 15. Oktober ist der internationale Tag der Landfrau. Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) und Swissaid nahmen dies zum Anlass, in der Woche vom 12. bis 16. Oktober, Bäuerinnen aus der Schweiz und dem globalen Süden zu Wort kommen zu lassen und unter dem Titel: «Ich trete aus dem Schatten», ihre soziale Absicherung  zu thematisieren. Gestartet wurde die Aktionswoche mit einer gratis Hotline, bei der man sich von Anwaltspersonen über die soziale Absicherung und Entlöhnung beraten lassen konnte.

Mehr Informationen zum Projekt «Ich trete aus dem Schatten» findet man auf der Facebookseite des SBLV.

 

Herausforderungen lassen uns wachsen

Jede Bäuerin findet bestimmt einige schwierige Situationen in ihrer Vergangenheit, an denen sie gewachsen ist. Sicher: Manchmal war das «Wachstum» mit viel Arbeit und unter Umständen auch mit Schmerz verbunden. Trotzdem kam nach einer Durststrecke, die schwierig zu bewältigen war, eine gute Zeit. Die gemeisterten Herausforderungen sorgen immer für wertvolle Erfahrungen, die uns weiterbringen. Werfen wir deshalb einen Blick auf die Vergangenheit des Bäuerinnenseins, aber wagen wir auch einen in die Zukunft.

Wie war es damals?

Wer Bäuerinnen kennt, die mehr als 70- oder gar 80-jährig sind, hat die Möglichkeit, viel Spannendes über den Beruf der Bäuerin aus der Vergangenheit zu erfahren. Was waren «damals» die grössten Herausforderungen und was waren die grössten Freuden?

Oft ist zu hören, dass das fehlende Geld grosse Sorgen machte. Anna, eine 84-jährige Bäuerin aus den Innerschwyzer Bergen sagt: «Wir wussten manchmal beinahe nicht, wie wir unsere Rechnungen zahlen sollten. Natürlich hatten wir nicht allzu viele Rechnungen zu begleichen – aber es kam auch kaum Geld herein. Wir hatten mehr Kinder als Kühe … Wenn ich aber zurückdenke, überwiegen die schönen Augenblicke. Jedes unserer acht Kinder empfanden wir als Geschenk.»

«Es war in den Sechzigerjahren wohl einfacher, Kinder aufzuziehen als heute», fährt Anna weiter. «Die Kinder hingen mit grosser Liebe an uns Eltern. Sie jammerten nie, waren glücklich, wenn das Christkind kam und sie ein Päckli mit gestrickten Handschuhen oder Socken bekamen. Oder wenn sie an der Chilbi einmal mit dem Karussell mit den Holzrössli fahren durften.»

Abstimmung fürs Frauenstimmrecht, ein grosser Tag

Anna erzählt zudem, dass sie bei der Abstimmung zum Frauenstimmrecht 35-jährig gewesen sei. Ihr Mann, und auch ihre drei ältesten Kinder, hätten gewusst, dass sie auf das Frauenstimmrecht «hinfiebere» und dass sie es wichtig finde, dass Frauen mitreden, abstimmen und wählen dürfen. «Ich hätte das aber nie auswärts zu sagen gewagt! Das wäre für meinen Mann sehr peinlich gewesen.» Wenn eine Bäuerin öffentlich solche Gedanken äusserte, habe man sie als «Emanze» oder als «Weib, das die Hosen anhat» gestempelt. «Für mich war der 7. Februar 1971, als das Frauenstimmrecht angenommen wurde, ein grosser Tag», erinnert sich Anna.

 

Kein Tag der Bäuerin 

Der gut besuchte und beliebte Tag der Bäuerin an der OLMA kann 2020 Corona bedingt nichtstattfinden. Gestern, am 15. Oktober, wäre er zum 28. Mal über die Bühne gegangen. Er soll künftig wieder durchgeführt werden, das nächste Mal am 14. Oktober 2021.

So viel sei heute schon verraten: Das Thema lautet «Was mich nicht umhaut, macht mich stärker – Frauenpower in der Landwirtschaft.» Dieses Thema kann von verschiedenen Seiten ausgeleuchtet werden, das zeigt sich auch im Programm.

Die Persönlichkeiten, die sich in einem Kurzbeitrag mit dem Thema auseinandersetzen, haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Spannendes zu sagen haben.

 

Wohin geht die Reise?

Was hat sich am Beruf Bäuerin geändert? Selbstverständlich reden die Bäuerinnen mit. Entscheidungen, welche die Familie und den Hof betreffen, werden heute – hoffentlich – partnerschaftlich mit dem Landwirt zusammen gefällt. Sicher ist der Beruf der Bäuerin heutzutage körperlich weniger streng als in den genannten 60er-Jahren. Das heisst aber nicht, dass die Arbeit weniger wurde. Sie wurde einfach anders. Heute muss in der Regel sehr intensiv analysiert und geplant werden: Wollen wir diesen Betriebszweig weiterhin betreiben oder gäbe es für uns bessere Varianten? Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt werden muss. Falls anderes denkbar ist: Wie viel müssen wir investieren und wie beschaffen wir das Geld?

An einem Treffen im Rahmen ihres gemeinsamen Projekts besprachen kürzlich drei Bäuerinnen, wie sich der Bäuerinnenberuf, beziehungsweise die Rolle der Bäuerinnen weiterentwickeln könnte. Sie waren sich einig, dass der Stress wohl nicht kleiner wird – auch mit zusätzlichen technischen und digitalen Hilfsmitteln. Die Frauen waren ebenfalls einer Meinung, dass es auch künftig sehr wichtig sei, zu sagen, was man machen möchte und was nicht.

Keine Einigkeit bei der Zukunft

Alle drei Frauen glauben, dass die Zeit noch schnelllebiger werde. Zugleich waren sie sich einig, dass man Weichen selber stellen müsse – immer wieder, so dass man im vielseitigen Beruf Bäuerin möglichst glücklich und zufrieden sein könne. In den Details, wie sich der Beruf weiterentwickle, gab es kaum Einigkeiten. «Alles ist offen und wir müssen schauen, dass es uns und unseren Familien möglichst gut geht, war die letzte Aussage einer Bäuerin. Die zwei Kolleginnen stimmten ihr zu.