Sie gehören schon fast zum Schweizer Kulturgut: Das Komikerduo Ursus (Urs Wehrli) und Nadeschkin (Nadja Sieger).

15 Jahre nach der Uraufführung, nach 5 Staffeln mit 63 Vorstellungen und über 70 000 Besucher(innen) gehen Sie und das Sinfonieorchester Camerata Schweiz in den nächsten Tagen mit dem Stück «Im Orchester graben» auf Abschiedstournee. Warum das letzte Mal, wenn es doch offensichtlich so gut funktioniert?

Ursus und Nadeschkin: Aus einer simplen Mailanfrage der Dirigentin Graziella Contratto wurde ein so wunderbares Werk. Ob wir eventuell Lust hätten, ihr ­Orchester «aufzuräumen», war ihre initiale Frage, und seither staunen wir: «Im Orchester graben» wurde zum zeitlosen Konzerttheater. Ein Stück Kultur, das die verschiedensten Menschen über Generationen hinweg begeistert. Als wir uns während der Corona-Pause fragten, was wir am allerliebsten mal wieder spielen würden, tauchte genau dieser Wunsch als Allererstes auf: eine weitere Tournee mit «Im ­Orchester graben». Und den erfüllen wir uns jetzt!

Der Dirigentin Graziella Con­tratto machen Sie das Leben dabei ziemlich schwer, Sie nennen es im Interview mit der «Coopzeitung» beschwichtigend «eine Herausforderung». Offenbar schweisst Sie beide das zusammen, denn Ursus und Nadeschkin ziehen diesmal am selben Strick, streiten kaum. Eine ganz neue Erfahrung? [IMG 2]

Eine ganz grossartige Erfahrung. Komik spielt immer mit Gefälle, Gegensätzen und Kontrasten. Normalerweise teilen wir uns das im Duo auf, aber hier stehen wir der strengen Dirigentin und ihrem 40-köpfigen Orchester gegenüber, stapfen durch Beet­hovens Sinfonie und sind mit bestem Wissen und Gewissen einfach nur fehl am Platz. Eine wunderbare Spielwiese für zwei Clowns! Noch nie waren sich ­Ursus und Nadeschkin so einig wie in diesem Programm …

Bezüglich Zugmaschinen gefallen uns natürlich die polnischen «Ursus-Traktoren»!

Ursus & Nadeschkin


Sie stehen seit 36 Jahren gemeinsam auf der Bühne, sind aber laut diversen Interviews sehr unterschiedlich. Warum funktioniert es trotzdem?

Es funktioniert, weil wir so unterschiedlich sind. Unsere Geschichten wären furchtbar langweilig, wenn wir im Duo einfach nur harmonisch tickten. Es gibt viel Wichtigeres, als einfach eine gleiche Meinung zu teilen: Gegenseitiger Respekt, Neugier und das Vertrauen, dass man sich versteht, auch wenn man sich gerade nicht versteht. In der Komik ist nicht die Lösung das Ziel, sondern der Umweg. Und dieser ist vor allem dann lang und lustig, wenn Ansichten komplett auseinanderdriften. Ausserdem: Humor verbindet, und wir haben das Glück, dass wir den gleichen seit Anbeginn teilen.

Bald auf Tournee

Nach einer über achtjährigen Spielpause starten Ursus und Na­deschkin mit ihrem Programm «Im Orchester graben» am 6. September 2023  zu einer kleinen Abschiedstour.

Beethovens berühmte «Tätätätaa»-Sinfonie steht an diesem Abend auf dem Programm, das Sinfonie­orchester Camerata Schweiz spielt unter der Leitung der Dirigentin Graziella Contratto. Ein ganz normaler Konzertabend also, wären da nicht zwei, die da gar nicht hingehören: Ursus und Nadeschkin.

Mit ihren Fragen verwandeln sie die Konzertbühne in ein Tummelfeld der wahnwitzigsten Experimente: Was fehlt, wenn die Dirigentin fehlt? Kann ein Orchester improvisieren? Gibt es Komik ab Blatt?

 

Ideen haben Sie offenbar ständig, so kam Ihnen in einem Café in Zürich unlängst die Idee, aus der Frage «Hafer- oder Kuhmilch?» könnte man «prima eine Nummer machen». Warum?

Die Hafer- oder Kuhmilch-Frage steht für eine neue Multiple-Choice-Gesellschaft, die in den letzten Jahren oder Jahrzehnten auf verschiedenen Ebenen gedieh und die viele Leute im Alltag vor neue Herausforderungen stellt. Dass wir im Café nicht einfach einen Kaffee bestellen und ihn bekommen, sondern neu ­einen Fragenkatalog von Dutzenden Kaffee-Kategorien und Unterkategorien zu beantworten haben, birgt eine einfache Lösung: Auf Wasser umzusteigen. Aber auch hier gibts die Frage: mit oder ohne?

Ist es manchmal anstrengend, wenn die Ideen ständig sprudeln?

Nein, das ist nicht anstrengend. Es ist ein Luxus.

Was darf es denn für Sie sein, Hafer- oder Kuhmilch? Und wie sehr beschäftigen Sie Ernährungsthemen privat?

Persönlich mögen wir Kuhmilch lieber. Aber wir sind hier even­tuell in einem Alter, wo man einfach Freude hat, dass diese ewig langen, düsteren Filterkaffee-Jahre vorbei sind und man plötzlich weltweit das Wort Latte macchiato versteht … Hafermilch ist aber eine feine Alternative, wenn man zum Beispiel nachts aufwacht und Lust auf ­etwas Süsses hat, das nicht ganz so schwer ist wie Kuhmilch!

Sie leben beide im Raum Zürich, also in urbanen Gefilden. Welches Verhältnis und welchen Bezug haben Sie zur Schweizer Landwirtschaft?

Der eine oder die andere im Duo sammelte schon als Ferienkind viel Erfahrung auf dem Melkstuhl, auf dem Zwetschgenbaum oder Traktor. Man muss frühmorgens in die Stiefel steigen, denn es gibt viel zu tun, damit unsere Agrarflächen und Natur gesund und schön bleiben.  Auf Tour klappts nicht, aber zurück bei unseren Familien schauen wir immer, dass einheimische Produkte auf den Tisch kommen!

Das wird unsere Leser(innen) sicher freuen. Was wünschen Sie den Schweizer Bäuerinnen und Bauern?

Durchhaltevermögen, Freude an der Arbeit, eine gute Mischung zwischen Tradition und Innovation, Anerkennung der Gesellschaft … und Subventionen, die die Richtigen erreichen.

Welche ist Ihre Lieblingskuhrasse und welchen Traktor würden Sie gerne fahren?

Das wunderbare, stattliche schweizerische Braunvieh – oder doch das kleine, wendige Rätische Grauvieh? Egal, Hauptsache, die Kuh hat Hörner! Bezüglich Zugmaschinen gefallen uns natürlich die polnischen «Ursus-Traktoren»!

Sie haben noch ein grosses Ziel: Einen Sommerhit schreiben. Worum würde es darin gehen?

Um «Göteborg», «La Bambele» oder «Bring en hei». Aber leider gibts die alle schon …

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Ursus und Nadeschkin

Nadja Sieger (Nadeschkin) ist Komikerin, Regisseurin, Autorin und Schauspielerin – sie mag verschiedene Rollen. 1987 gründete sie mit Urs Wehrli Ursus und Nadeschkin.  Die 55-Jährige lebt mit ihrem 13-jährigen Sohn am Stadtrand von Zürich.

Urs Wehrli (Ursus) ist gebürtiger Aargauer. Der 54-Jährige hat ursprünglich Typograf gelernt und schon mehrere Bücher über das Aufräumen von Kunst veröffentlicht.  Mit seiner Partnerin und seinem 17-jährigen Sohn lebt er in Zürich.