Erwartungsvoll und froh, ein wenig der tristen Witterung in der Schweiz in wärmere Gefilde entfliehen zu können, warteten zwanzig Teilnehmer(innen) der Leserreise nach Albanien am Flughafen Zürich.
Gut und günstig unterwegs
Nach knapp zweistündigem Flug empfing uns in Tirana sonniges Wetter. Schon bevor das Gepäck auf dem Band erschien, wurde eifrig Geld gewechselt oder am Automaten bezogen. Wie lange reichen wohl 20'000 albanische Lek, umgerechnet 200 Franken? Lange; das sollte sich gegen Ende der Reise noch zeigen. Bei den tiefen Preisen für Getränke, auch für den Schnaps Raki, kamen wir kaum dazu, alles Geld auszugeben.
Unser albanischer Reiseleiter Seni sowie der Buschauffeur Ramiz erwarteten uns mit einem komfortablen Reisecar. Da wir lediglich 21 Personen waren, hatten wir genügend Platz, und beinahe jeder konnte einen Doppelsitz allein belegen. Auf der Fahrt zum ersten Hotel wurde schon eifrig mit Gleichgesinnten geplaudert.
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In die Esskultur eintauchen
Am späteren Nachmittag wurden wir ins Zentrum von Tirana gefahren und konnten auf einer etwa zweistündigen Führung die wichtigsten Sehenswürdigkeiten kennenlernen. Das erste Abendessen genossen wir in einem angesagten Restaurant mit allerlei albanischen Spezialitäten wie Byrek, Oliven, Fetakäse, Tomaten, Gurken, Zwiebeln und Peperoni, alles auf Tellerchen in die Tischmitte gestellt zum Picken für alle. Dies sollte uns die ganze Woche noch begleiten. Danach gab es eine grosse Portion Fleisch, ebenfalls schon aufgeschnitten für alle.
Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück los: Der erste Fachbesuch sollte zum Grossmarkt gehen. Wenn man dort jedoch erst um 10 Uhr auftaucht, steht man vor verschlossenen Toren. Viel Freude bereitete allen der Besuch des Bauernmarktes, wo allerlei Gemüse und Früchte angeboten wurden. Die Verkäufer hatten grosse Freude am Interesse der Besucher aus der Schweiz, von Landwirt zu Landwirt sozusagen.
Bei der Firma Hako konnten wir einen Blick hinter die Kulissen der Wurstproduktion werfen. Angeliefert wird das Rohmaterial aus Albanien, Italien und Ungarn. Nach einigen «Versucherli» ging die Fahrt weiter.
Wo sind die Schafe?
Nun sollten wir eine Milchziegenfarm mit angeschlossener Molkerei besichtigen. Ach ja, die Geschichte mit den Schafen und den Ziegen! Der vorgesehene Besuch konnte nicht stattfinden, ebenso wenig der versprochene Besuch einer Schaffarm, da ab Anfang Mai das Vieh die heisse Jahreszeit meistens in den Bergen verbringt. Im Car entwickelte sich nun der Running Gag: «Wo sind die Schafe?»
Einen Ziegenstall konnten wir dann doch noch besichtigen, nachdem der lokale Organisator einige Telefonanrufe getätigt hatte. Zum Mittagessen fuhren wir in die Pampa, an einen idyllischen Ort mit einem Familienbetrieb. Hier genossen wir im kleinen Restaurant traditionelle Köstlichkeiten und konnten danach die Gewächshäuser mit Biopeperoni und -tomaten, die Reben sowie den kleinen Weinkeller besichtigen.
Die folgenden zwei Nächte logierten wir in einem grossen Hotel am Meer. Beim Abendessen und Frühstück konnten wir uns jeweils an einem sehr ausgebreiteten Buffet bedienen. Auch ein weiteres Hotel stand direkt am dichtbesiedelten Strand; jedoch wurde die Lage sehr geschätzt, um einen «Schwumm» im Meer zu machen oder auch einfach auf dem Liegestuhl etwas auszuruhen nach einem ereignisreichen Tag.
Ereignisreiche Tage erlebt
Tag für Tag standen viele Fachbesuche auf dem ziemlich gedrängten Programm. Wir besuchten Tomaten- und Peperoniproduzenten, Olivenölpressen, Imker, Ziegenhalter und die grösste Molkerei Albaniens, Lufra, die Feta, Kaçkavall (typischer albanischer Hartkäse) und Sauermilch (Ayran) herstellt.
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Aber auch bei innovativen familiären Käseherstellern konnten wir hinter die Kulissen blicken, wie auch bei einem der grössten industriellen Hersteller von Salami und Schinken in Albanien. Die Tomatentrocknerei, die Tomatenpüree vor allem nach Italien exportiert, produzierte bei unserem Besuch gerade nicht, jedoch wurden eifrig getrocknete Tomaten sowie Konzentrat gekauft. Ein Mittagessen mit Weindegustation konnten wir auf einem Agrotourismusbetrieb mit Weinberg und eigener Kelterei unter schattenspendenden Olivenbäumen geniessen.
Das privatisierte Land wird wieder verteilt
Die ehemals staatlichen Betriebe wurden nach Ende der Hoxha-Ära und des Kommunismus wieder privatisiert. Die Betriebe, die wir besichtigten, arbeiten sehr oft mit Ausrüstung, die in anderen Ländern längst ausgemustert wurde.
Unser Guide erzählte, dass das ehemals enteignete Land wieder verteilt wurde. Die zugewiesenen Parzellen werden jedoch unterschiedlich bewirtschaftet beziehungsweise liegen brach, was den Reiseteilnehmern besonders auffiel. Aber es gibt auch innovative Landwirte, die nach vielen Jahren der Diktatur nun die Chance nutzen und mit ihren Familienbetrieben das Land bewirtschaften. Leider zogen und ziehen immer noch viele Menschen in die Städte oder ins Ausland, und so fehlen auf dem Land oft die Arbeitskräfte.
Die Fahrten mit dem Reisecar führten durch spektakuläre Landschaften wie auch in die Staus der Städte. Neben der Landwirtschaft gibt es in Albanien noch viele archäologische und kulturelle Plätze zu besichtigen, die man dort nicht vermuten würde.
Kultur kommt nicht zu kurz
Auch auf unserer Reise fehlte die Kultur nicht: Vom Schloss in Berat hatten wir einen wundervollen Ausblick auf die «Stadt der 1000 Fenster». In der «Stadt der Steine», Gjirokaster, erzählte uns der Guide in einem jahrhundertealten Stadthaus aus der osmanischen Zeit viel über das Leben der Menschen zu jener Zeit.
Das Hotel in Saranda stand direkt am Strand mit glasklarem Wasser und Blick bis nach Griechenland. Von hier war es nur eine kurze Fahrt nach Butrint, wo uns ein kultureller wie auch kulinarischer Höhepunkt erwartete: zuerst die Besichtigung der archäologischen Ausgrabungen und danach eine Fahrt mit dem Boot zu den Miesmuschelbänken. Die erntefrischen Muscheln konnten wir gleich in drei unterschiedlichen Varianten geniessen: roh mariniert mit Olivenöl und Zitronensaft, gekocht sowie gegrillt – dazu gab es einheimischen Wein und den stets präsenten Raki.
Bienen fehlten auf dieser Reise auch nicht. Wer wollte, konnte beim Öffnen eines Bienenkastens ganz nah dabeistehen; die meisten bevorzugten jedoch die sichere Distanz.
Wie wird das gemacht?
Wieder ging es zurück Richtung Norden, diesmal über den spektakulären Llogara-Pass. Bei einem Olivenölproduzenten wurden uns die verschiedenen Pressungen erklärt, und wir konnten einige Öle probieren und natürlich auch kaufen. Irgendwo am Strassenrand wurde Honig angeboten, von dem einige Gläser den Weg in die Schweiz fanden.
Die letzte Nacht verbrachten wir nochmals im Hotel in Durrës. Zum Abendessen fuhren wir in ein populäres Lokal direkt am Meer, wo wir den letzten albanischen Sonnenuntergang bewundern konnten. Nach dem Essen wurde sogar noch zu albanischer Musik mit einigen Albanerinnen ein Reigen getanzt.
Der Wetterbericht sagte für die nächsten Tage Temperaturen bis 40 Grad voraus, und so waren wohl einige froh, wieder nach Hause zu kommen, obwohl alle sehr positiv auf die Reise in ein noch unbekanntes Land am Rande von Europa zurückblickten.