Professionelles Weidemanagement ist anspruchsvoll, schliesslich ändert sich das Graswachstum während der Vegetationsperiode stetig. Dabei liegt in der Weidenutzung ein grosses Potenzial. Um das Beurteilen des Wachstums und das Bestossen der Koppeln zu vereinfachen, hat ein Team von Forschenden der Gruppe «Graslandnutzung und Wiederkäuersysteme» der Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen ein neues System entwickelt, das unter Zuhilfenahme von Drohnen und künstlicher Intelligenz zuverlässige Daten zum Graswachstum und somit eine konkrete Entscheidungshilfe liefert.
Potenzial zur Verbesserung bei den bisherigen Systemen
«Es gibt verschiedene technische Lösungen zum Weidemanagement und zur Erfassung der Trockensubstanz, aber die allermeisten sind zu ungenau oder arbeitsintensiv für den Landwirt», weiss Michael Sutter. Manche dieser Tools würden etwa nur eine Teilfläche einer Weide erfassen und den Befund anschliessend auf das Ganze hochrechnen, moniert Sutter. Eine brauchbare Lösung müsse aber präziser sein und dabei innert kurzer Zeit eine grosse Fläche abdecken und detaillierte Daten liefern können, bekräftigt Sutter.
Drohnen sind die ideale Unterstützung
Auf der Suche nach einer geeigneten Lösung startete die Gruppe Graslandnutzung 2019 an der HAFL ein neues Projekt, bei dem Weiden mit einer Drohne überflogen werden und anschliessend unter der Zuhilfenahme eines 3-D-Modells die Grashöhe einer Weide berechnet werden kann.
Die kleine Drohne, die dabei einsetzt wurde, war mit einer leistungsfähigen Kamera bestückt, um hochauflösende Fotos der Fläche zu schiessen. Zur präziseren Positionsbestimmung war das fliegende Vehikel zusätzlich mit einem RTK-Empfänger ausgerüstet. Diese Technologie erlaubt im Unterschied zu GPS eine zentimetergenaue Verortung eines Objekts.
Mit der handlichen Drohne wurden die Testflächen abgeflogen und die Weiden fotografiert: Ein erster Flug im Februar/März lieferte Referenzdaten, weitere Überflüge in den folgenden Monaten zeigten die Entwicklung des Grasbestandes. «Die RTK-Technologie erlaubte bei diesem Vorgehen ein Übereinanderlegen der beiden Fotografien. Die Differenz zwischen den Bildern zeigt, wie weit das Gras gewachsen ist», erklärt Michael Sutter, der neben der Arbeit an der HAFL mit seinem Vater einen Landwirtschaftsbetrieb führt.
Verstärkung an Bord geholt
Motiviert durch erste Erfolge intensivierte das Team, welches von Beat Reidy geleitet wird, im vergangenen Jahr die Arbeit am Projekt. So setzte es auf eine neue Drohne, die mit einer Multispektralkamera ausgerüstet ist, welche die Strahlung im blauen, roten, grünen, red-edge und nah-infraroten Bereich erfassen kann. Zusätzlich holten sie mit dem Physiker Philippe Aebischer Verstärkung ins Boot. «Philippe Aebischer hat viel Erfahrung mit der Erfassung und Verarbeitung von Bilddaten. So ergänzen wir uns perfekt», zeigt sich Michael Sutter zufrieden. Dank derneuen Technik funktioniert die Drohne heute viel effizienter: «Wir erfassen jetzt bei einem einzigen Überflug eine enorme Menge an Daten und verarbeiten diese in einem neuen Modell», sagt Sutter.
Die per Drohne erhobenen Daten speisen Sutter und Aebischer in ein komplexes Berechnungsmodell, ein sogenanntes Random Forest Model. Diesem Modell liegt ein Algorithmus zugrunde, der die Ergebnisse einer Vielzahl von virtuellen Entscheidungen kombiniert, um letzten Endes im Idealfall immer die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Aufgrund dieser Entscheidung kann das Modell präzise Vorhersagen treffen. Das Verfahren gehört in den Bereich des Machine Learning und findet heute auf verschiedensten Gebieten Einsatz.
Das optimierte Verfahren funktioniert
Wie das Weidedrohnen-Projekt beweist, lässt sich das Verfahren auch zur Berechnung der Trockensubstanz auf Weiden einsetzen: «Wir ‹füttern› das Modell mit verschiedenen Informationen aus den multispektralen Bilddaten. In unsere Berechnungen beziehen wir pro Überflug ein 3-D-Modell, verschiedene Vegetations-Indizes sowie zahlreiche andere Faktoren mit ein, etwa den Monat und die Nutzungsart. Damit können wir heute relativ genaue Analysen vornehmen und Prognosen treffen», freut sich Michael Sutter.
Um das Funktionieren ihrer Methode zu überprüfen, haben die Forscher ihre Drohne über 200 Versuchsflächen fliegen lassen und danach die vorhandene Trockensubstanz berechnet. «Anschliessend haben wir die Flächen gemäht und die Mengen gemessen. So haben wir gesehen, dass unser Ansatz wirklich gut funktioniert», berichtet Sutter. Die Datengrundlage dazu konnte dank einer Zusammenarbeit mit Agroscope weiter ausgedehnt werden.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Das Weidedrohnen-Projekt ist bislang auf grosse Beachtung gestossen. Besonders aus dem Ausland sei die Resonanz sehr positiv gewesen, berichtet Michael Sutter. Besonders dort, wo die Landwirtschaft stark auf Grasland fokussiert ist, dürften Landwirte dank der Analyse ihrer Flächen froh sein um die Hilfe aus der Luft. «Das Verfahren ermöglicht dem Landwirt ein effizienteres Arbeiten, indem sich der richtige Zeitpunkt zum Beweiden einfach und ohne ein zeitraubendes Ablaufen der Flächen ergibt», zeigt sich Sutter überzeugt. Zudem liefere es eine Unterstützung beim Planen und Entscheiden, weil sich anhand der Berechnungen das aktuelle Graswachstum präziser einschätzen lasse.
Bis Weideflächen allerdings im grossen Stil aus der Vogelperspektive analysiert werden, dürfte es noch eine Weile dauern, sagt Sutter. So ist beispielsweise die rechtliche Situation in Bezug auf autonom arbeitende Drohnen noch nicht geklärt; die Weidedrohne fliegt vorerst nur mit einem Piloten. Auch die lokale Speicherkapazität der Drohne und die Datenübermittlung werden die Forscher künftig noch beschäftigen. An einem geeigneten Übermittlungssystem werde bereits im Rahmen eines Innosuisse-Projektsantrages in Zusammenarbeit mit einer anderen Fachhochschule gearbeitet, erzählt Sutter. «Man kann sich das in etwa wie ein 5G-WLAN fürs Feld vorstellen», erklärt er. Damit könnte die Drohne ihre Daten dereinst in Echtzeit an einen Computer schicken. So liesse sich das Weidemanagement zu grossen Teilen automatisieren.