Die negativen Folgen von zu viel Stickstoff in der Umwelt ist bekannt: als wichtigster Nährstoff für das Pflanzenwachstum ist er limitierend für die Vegetation an Land. Werden Magerwiesen und Wälder mit Stickstoff überdüngt, verändert sich die Artenzusammensetzung und die Biodiversität nimmt ab. 

In zwei Formen aus der Landwirtschaft

Ein grosses Problem ist dabei, dass beim Düngen in der Landwirtschaft Stickstoff in Form von Ammoniak (NH3) in die Luft entweicht, der andernorts wieder in den Boden gelangt und so zur oben beschriebenen Überdüngung führt. Auch Lachgas (N2O), das als Treibhausgas klimawirksam ist, wird freigesetzt bzw. entsteht aus Ammoniak.  

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Die Ausbringung von Gülle mit dem Schleppschlauch verkleinert die Oberfläche, auf der Stickstoff als Ammoniak verloren gehen kann. (Bild BauZ)

Stickstoff gibt es auch in Kläranlagen 

Wie Bäuerinnen und Bauern beim Düngen mit stickstoffhaltigen Materialien hantieren, tun es Kläranlagen. Denn menschliche Ausscheidungen enthalten wie tierische wesentliche Stickstoffmengen. Diesen Nährstoff gibt es also auch in Abwasserreinigungsanlagen (ARAs).

Die Mengen lassen sich gut vergleichen, wie Thomas Kupper von der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL ausführt: «Pro Jahr gelangen rund 45'000 Tonnen Stickstoff in die ARAs der Schweiz. Der grösste Teil davon stammt aus den menschlichen Ausscheidungen. Landwirtschaftliche Nutztiere scheiden hingegen jährlich 130'000 Tonnen aus».     

Aus Kläranlagen geht weniger Stickstoff verloren 

Während die Ammoniakemissionen aus der landwirtschaftlichen Tierproduktion, d.h. von Weide, Stall, Hofdüngerlager und -ausbringung rund 48’000 Tonnen NH3 betragen, liegt emittierte Menge von ARAs bei 124 Tonnen NH3. «Pro Kilo Stickstoff, das in der tierischen Produktion anfällt, entweicht also gut 100 mal mehr Ammoniak, als pro Kilo N, das in eine ARA gelangt», rechnet Thomas Kupper vor.

Die Landwirtschaft will den Stickstoff nutzen

Grundsätzlich handelt es sich aber um zwei verschiedene Systeme, gibt er zu bedenken. Während die Abwasserreinigung zum Ziel hat, den Stickstoff aus dem Abwasser zu eliminieren, versucht die Landwirtschaft, möglichst viel vom dem von den Nutztieren ausgeschiedenen N für die Düngung zu nutzen. «Innerhalb der landwirtschaftlichen Hofdüngerkette entstehen an diversen Stellen Stickstoffverluste, die in der Praxis nicht vollständig kontrollierbar sind», erklärt der Wissenschaftler. Etwa zwei Drittel des von den Nutztieren ausgeschiedenen Stickstoffs liegen im Harn vor. Nach der Ausscheidung, z.B. auf den Boden eines Stalls werde dieser ab Temperaturen von 10 °C durch Einwirkung von Mikroorganismen innert Minuten zu Ammoniak abgebaut. Dieser Prozess wird laut Kupper durch die folgenden Grössen beeinflusst:

  1. Je grösser die verschmutzte Oberfläche, desto grösser die Ammoniakemissionen: Die Ausscheidungen der Nutztiere verteilen sich auf einer grossen Fläche im Stall. Anschliessend erfolgen Lagerung und Ausbringung als Gülle und Mist. Zusammengezählt ergibt dies eine riesige verschmutzte Oberfläche, von der Ammoniak entweichen kann. Die menschlichen Ausscheidungen gelangen dagegen in eine Kanalisation und danach in eine ARA. Verschmutzte Oberflächen wie in der Tierhaltung liegen somit kaum vor.
  2. Je grösser die Stickstoffkonzentration, desto grösser die Ammoniakemissionen: Die Ausscheidungen der Nutztiere bleiben zuerst unverdünnt auf einer Oberfläche liegen oder gelangen in einen Schwemmkanal oder Güllekeller und werden dann im Mittel auf etwa 1:1 in der Gülle verdünnt. Bereits auf der Toilette werden die menschlichen Ausscheidungen sofort auf mindestens 1:10 verdünnt. Dadurch ist die Konzentration an Stickstoff bei Gülle 100 mal grösser als im Abwasser. 
  3. Je grösser die Luftbewegung über der verschmutzten Oberfläche, desto grösser die Ammoniakemissionen: Die Luftbewegung Stall, bei offenen Güllelagern und begüllten Flächen ist gross. Die Kanalisation ist praktisch geschlossen und damit ohne Luftbewegung. Sobald das Abwasser in die ARA gelangt, wird der Stickstoff abgebaut zu Nitrat oder Luftstickstoff (N2), wie er natürlicherweise in grosser Menge in der Luft vorkommt, und kann sich so nicht mehr als Ammoniak verflüchtigen. Die über den Klärbecken stattfindende Luftbewegung spielt daher für die Emissionen keine grosse Rolle.

An diesen Punkten kann man auch ansetzen

«Die in der Landwirtschaft angewendeten Techniken und Methoden zur Emissionsminderung wenden genau diese obern aufgeführten Prinzipien an», so Kupper. Der Schleppschlauchverteiler bewirke eine Verkleinerung der verschmutzten Oberfläche und die Gülleverdünnung eine Verminderung des Emissionspotentials. Eine Güllelagerabdeckung reduziere die Luftbewegung über der Gülleoberfläche. «Würden die Ausscheidungen der Nutztiere gleich behandelt wie die menschlichen Ausscheidungen, d.h. sofortige 10-fache Verdünnung mit Wasser und Transport durch ein geschlossenes Rohr in eine ARA, liessen sich die Ammoniakemissionen auf einen Bruchteil reduzieren», fügt er hinzu. Gleichzeitig ginge aber auch der grösste Teil des Hofdünger-Stickstoffs verloren. Daher bleibt ein solches System für die landwirtschaftliche Tierhaltung ein Gedankenspiel.

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Abwasser enthält weniger Stickstoff als Gülle. Ausserdem wird dieser in ARAs mehrheitlich zu Nitrat bzw. Luftstickstoff. (Bild stu-12 / Fotolia)

Vor allem Luftstickstoff

In Kläranlagen liegt Stickstoff zu Beginn laut Thomas Kupper vor allem als Ammonium vor und wird in nicht flüchtiges Nitrat umgewandelt. Der grösste Teil des Stickstoffs verlässt die ARA in Form von Luftstickstoff (N2), wie er natürlicherweise in grosser Menge in der Luft vorkommt. Nur etwa 10 bis 20 Prozent der N-Menge im Abwasser landet im Klärschlamm. 

Das Wasserforschungsinstitut Eawag bezeichnet ARAs zwar als «bedeutende Emittenten von Treibhausgasen». Sie stossen vor allem Lachgas (N2O), Methan und CO2 aus. Der Anteil der Kläranlagen an den gesamtschweizerischen Treibhausgasemssionen beträgt aber – gemessen in CO2-Äquivalenten – lediglich weniger als ein Prozent (13,2 Prozent kommen aus der Landwirtschaft). Dabei gilt N2O als die bedeutendste Treibhausgasemission aus der Abwasserbehandlung. 

Ammonsulfat aus ARA verursacht weniger Emissionen als Gülle

«Früher wurde Klärschlamm direkt als Dünger verwertet und hat dabei pro kg Stickstoff etwa gleich viel Ammoniakemissionen verursacht wie Gülle. Wegen der Schadstoffe im Klärschlamm und dem Risiko für die Bodenfruchtbarkeit wurde dies verboten», sagt der HAFL-Wissenschaftler. Heute sei es aber möglich, aus dem Zentrat der Klärschlammentwässerung Stickstoff zurückzugewinnen. In der Schweiz wenden zwei ARA dieses Verfahren an, eine dritte Anlage ist im Bau. Dabei entsteht Ammonsulfat, ein Flüssigdünger, der keine Schadstoffe wie Medikamentenrückstände oder ähnliches enthält und für die Landwirtschaft zugelassen ist.

«Bei Ausbringung von diesem flüssigen Ammonsulfat wird viel weniger Ammoniak ausgestossen, als bei Gülle, wenn er mittels CULTAN Verfahren in den Boden injiziert wird.», gibt Thomas Kupper zu bedenken.

Mehr zu Stickstoff-Dünger aus Klärschlamm lesen Sie hier

Stickstoff in der Umwelt

Ammoniak kommt also nur in geringen Mengen aus ARAs in die Luft. Trotzdem ist die Landwirtschaft nicht die einzige Ursache für die Überdüngung über durch die Luft transportierten Stickstoff:

 

Laut dem Bundesamt für Umwelt Bafu kommen rund zwei Drittel der Immissionen, der Stickstoff-Einträge in die Umwelt also, von Ammoniak aus der Landwirtschaft. Der Rest der Stickstoff-Einträge kommt aus Verbrennungsprozessen, bei denen Stickoxide (NOx) entstehen. Zu den Emittenten gehören hier der Strassenverkehr, Feuerungen und Heizungen.  

93 Prozent des Ammoniaks stammen aus der Landwirtschaft 

Das Gas Ammoniak selbst wird in der Schweiz laut dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW  aber zu 93 Prozent von der Landwirtschaft verursacht. Für die restlichen 7 Prozent sind laut dem Bericht zu Ammoniak-Emissionen in der schweizerischen Landwirtschaft andere Quellen wie die Industrie/Gewerbe, Verkehr, Haushalte und die Abfallbewirtschaftung.

Die Abwasserbewirtschaftung macht bei den gesamten NH3-Emissionen der Schweiz deutlich unter einem Prozent aus. Personenwagen schlagen mit knapp zwei Prozent zu Buche, der Rest der sieben Prozent ausserlandwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen verteilt sich in meist unter einem Prozent grossen Portionen auf verschiedene Bereiche.