BauernZeitung: Welche Schwerpunkte setzen die Schweizer Milchproduzenten 2015?
Hanspeter Kern: In den Märkten wollen wir alles unternehmen, um eine möglichst gute Stabilisierung der Marktpreise zu erreichen. Denn stark schwankende Preise nützen niemandem etwas. Im Milchmarketing setzen wir noch mehr auf «Swissness» und die weitere Stärkung des positiven Images von Milch und Milchprodukten.
Auf der politischen Ebene werden wir im kommenden Jahr die Auswirkungen der AP 2014–17 auf die Milchproduktion genau analysieren. Wo es angezeigt ist, werden wir gemeinsam mit dem Bauernverband rasche Korrekturen einfordern. Bei der weiteren Entwicklung der Agrarpolitik setzen wir uns für die Förderung einer produktionsorientierten nachhaltigen Land- und Milchwirtschaft ein.
Mit welchen Marktentwicklungen rechnen Sie?
Wir gehen davon aus, dass das Produktionsniveau in den nächsten Monaten weltweit einen Höchststand erreichen wird. Und dann werden wir auch mit sehr tiefen Preisen konfrontiert sein. In der zweiten Jahreshälfte wird allgemein mit einer Stabilisierung oder sogar einer leichten Erholung gerechnet.
In der EU wird im April die Milchquote aufgehoben. Was bedeutet das für die Schweizer Milchproduktion?
Für das zu Ende gehende Jahr 2014 rechnet man in der EU mit einer Mengenzunahme von 5 Prozent. Zwar dürfte in einzelnen Ländern die Produktionsmenge auch im kommenden Jahr weiter ausgedehnt werden. Doch die Motivation dazu wird in einer Phase mit sehr tiefen Milchpreisen nicht mehr so hoch sein. Hinzu kommt, dass viele Produzenten, die ihre Produktion ausdehnen wollen, das bereits gemacht haben.
Weil wesentlich mehr als die Hälfte unserer Milch im direkten internationalen Wettbewerb steht, können wir deshalb primär dafür sorgen, dass die Preisdifferenz zwischen EU- und Inlandpreis erhalten bleibt. Aber auch in den Segmenten, bei denen wir einen wirksamen Grenzschutz haben, bezahlt niemand marktfremde Preise. Die Märkte entwickeln sich dynamisch, und der Importdruck bleibt hoch. Diesen Marktentwicklungen müssen wir uns zu einem gewissen Grad anpassen.
Was heisst das für den Milchproduzenten?
Dass auch im Milchmarkt mit Marktzyklen und schwankenden Preisen zu rechnen ist. Dabei muss jeder Produzent selbst entscheiden, wie er damit umgehen will. Natürlich haben wir aber das Interesse, die Milchproduktion in der Schweiz auf dem aktuellen Niveau zu halten.
Ist das realistisch?
Wir sind ein ausgesprochenes Gras-, Milch- und Käseland. Und da sind wir überzeugt, dass wir diese Menge längerfristig produzieren und zusammen mit unseren Schweizer Milchverarbeitern mit guter Wertschöpfung vermarkten können.
Was erwarten die SMP im kommenden Jahr von den Milchverarbeitern?
Im Sinne dieser Ausrichtung ist meine Erwartung, dass die Milchverarbeiter wie auch der Handel die Produktion und den Absatz von wertschöpfungsstarken Qualitätsprodukten weiter fördern. Nur mit einer guten Wertschöpfung haben wir die Möglichkeit, einen guten Milchpreis zu erzielen. Und erst damit ist es auch für die Landwirte möglich, wirtschaftlich nachhaltig Milch zu produzieren.
Dabei erhalten die Milchproduzenten aber immer weniger vom Konsumentenfranken. Gerade bei Produkten mit hoher Wertschöpfung ist der Preisunterschied besonders hoch.
Die Produzenten- und Konsumentenpreise haben sich bei allen Agrargütern auseinander entwickelt. Aber bevor man darüber diskutieren kann, wer wie viel vom Kuchen bekommt, muss der Kuchen als Ganzes grösser werden. Das heisst, wir müssen dafür sorgen, dass unsere Milch in den wertschöpfungsstarken Segmenten die Marktanteile steigern kann. Dann sind wir in der Lage, auch einen entsprechenden Milchpreis zu lösen. Was im Laden nicht verkauft wird, kann auch nie beim Produzenten ankommen.
Damit stellt sich aber auch die Frage, ob die Verhandlungsposition der Milchbauern genügend stark sein wird.
Verhandlungen sind Auseinandersetzungen zwischen den Lieferanten und Abnehmern, wie sie überall in der Wirtschaft zu finden sind. Das ist nichts Ungewöhnliches. Klar ist aber, dass die Produzenten für ihre Anliegen einstehen und sich wehren müssen.
Sie vertreten rund 23'000 Milchproduzenten, die in ganz verschiedenen Strukturen Milchwirtschaft betreiben. Wie gehen Sie mit dieser Vielfalt um?
KERN:Das ist eine unserer grössten Herausforderungen. Grundsätzlich unternehmen wir alles, dass es den Milchbauern besser geht. Ausserdem brauchen wir die Produzenten im Berggebiet ebenso wie diejenigen im Talgebiet. Während die Bergbauern besonders zum Image unserer Landwirtschaft beitragen, ermöglichen die Talbauern eine rationelle Milchproduktion.
Damit das überhaupt möglich ist, braucht es aber Solidarität zwischen den verschiedenen Regionen. Ein Teil dieser Solidarität wird über die Direktzahlungen abgegolten. Diese haben im Berggebiet eine grössere Bedeutung für das Betriebseinkommen als im Talgebiet. Andererseits hat der Milcherlös für die Betriebe im Talgebiet die grössere Bedeutung als für Bergbauern.
Wir brauchen deshalb Vermarktungsorganisationen, die untereinander eine gewisse Solidarität pflegen. Es darf nicht vorkommen, dass sich jemand zulasten der anderen die Rosinen rauspickt. Als Dachorganisation versuchen wir deshalb, diese Kultur zu vermitteln.
Die Lactofama AG stützt den C-Milchpreis. Es gibt nun Stimmen, die befürchten, dass damit eine Umverteilung des Geldes von der West- in die Ostschweiz stattfindet. Widerspricht das nicht dem Grundgedanken der Solidarität?
Grundsätzlich werden nahezu 100 Prozent der eingezogenen Gelder für die Massnahmen eingesetzt, die über den Milchpreis vollumfänglich wieder den Milchproduzenten zugute kommen. Das eigentliche Ziel der Lactofama ist nicht die Stützung der C-Milch, sondern die Stützung der Preise im A- und B- Segment, indem die C-Milch möglichst schnell vom Markt genommen wird. Damit wird Preisdumping im A- und B-Segment verhindert. Der C-Milchpreis ist eigentlich sekundär, denn wenn die A- und B- Preise sinken, betrifft das sehr schnell die ganze Schweiz und nicht nur einzelne Regionen oder Organisationen.
Da die Lactofama von den 14 grossen Organisationen getragen wird, die den Grossteil der Schweizer Milchmenge vermarkten, ist auch die Zusammenarbeit gegeben. Und noch etwas ist wichtig: Die SMP erbringt bei der Lactofama eine Dienstleistung, indem die Geschäftsstelle geführt wird.
Sie sagten, dass die SMP die Verantwortung für alle Milchproduzenten trägt. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?
Das ist nicht so einfach. Einerseits verstehen viele Milchproduzenten nicht, dass die SMP jeweils für alle eine gute Lösung finden muss. Andererseits sind die Zusammenhänge im Milchmarkt mit den vielen Akteuren, dem riesigen Produktesortiment und dem bedeutenden Aussenhandel sehr komplex. Die SMP ist heute eine Dienstleistungsorganisation und wir müssen immer wieder aufs Neue beweisen, dass wir für unsere Milchproduzenten Positives bewirken können. Dafür geben wir täglich unser Bestes.
Interview Hansjürg Jäger