Das Interesse namhafter Medien für die Jahresmedienkonferenz des Schweizer Bauernverbands (SBV) war gross. Am 3. Januar setzten sich in der kalten Maschinenhalle der Familie Schürch-Wyss in Kirchberg zahlreiche Medienschaffende an die vorbereiteten Festbänke. Zu festen gab es allerdings wenig: Denn das Thema des Anlasses war das landwirtschaftliche Einkommen von Bauernfamilien. Dieses liegt gemäss der neusten Agroscope-Studie bei durchschnittlich 17 Franken pro Familienarbeitskraft und Stunde.
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Die gastgebende Bauernfamilie, die einen 33 ha grossen Biobetrieb bewirtschaftet, erläuterte ihr landwirtschaftliches Einkommen und ihren Stundenlohn. Mit 18 Franken pro Stunde liegt Letzterer in ihrem Fall leicht über dem Durchschnitt. Der SBV dankte für die Offenheit des Betriebsleiterpaares, ihre Zahlen offenzulegen. Dieser Schritt sei das Resultat der öffentlichen Diskussion rund um den tiefen Stundenlohn von Landwirten, Landwirtinnen und Bäuerinnen.
Landwirtschaftliches Einkommen der Familie Schürch
Einnahmen |
|
Verkauf der Produkte, landwirtschaftliche Arbeiten für Dritte und Mietzinseinnahmen | 196’039 |
Weiteres (Entschädigung auswärtiger Arbeiten, Kinderzulagen)
| 42’564 |
Direktzahlungen | 95’620 |
Ausgaben |
|
Angestelltenlöhne, Hypotheken, Versicherungen | -256’196 |
Einkommen | 78'027 |
«Ihr Bauern wohnt ja gratis»
Diese Diskussion hat in den letzten Monaten insbesondere auch in diversen Kommentarspalten hitzige Auseinandersetzungen entfacht. An der Medienkonferenz in Kirchberg fragte ein Anwesender die Bauernfamilie, warum sie denn ihren Stundenlohn mit einer Person aus dem Gewerbe vergleiche, zumal sie ja Direktzahlungen erhielten. Nicht zuletzt würden die Bauern kostenlos wohnen, fügte er an.
Allerdings fliessen die Direktzahlungen in die Berechnung des landwirtschaftlichen Einkommens ein. Laut der Steuerbehörde sind Direktzahlungen und Beitragszahlungen «zu einem wichtigen Bestandteil des landwirtschaftlichen Einkommens» geworden. Also fiele der Stundenlohn einer Familienarbeitskraft ohne die integrieren Direktzahlungen noch tiefer aus als auf die aktuell verbreitete Berechnungsweise.
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Der Bundesrat missachte den Gesetzesauftrag
Zu reden gibt momentan Artikel 5 des Landwirtschaftsgesetzes. Dieser regelt die Einkommensfrage und sieht vor, «dass nachhaltig wirtschaftende und ökonomisch leistungsfähige Betriebe im Durchschnitt mehrerer Jahre Einkommen erzielen können, die mit den Einkommen der übrigen erwerbstätigen Bevölkerung in der Region vergleichbar sind». Weiter sollte der Bundesrat laut diesem Gesetzesartikel befristete Massnahmen ergreifen, wenn dieses Einkommen wesentlich unter das vergleichbare Niveau sinkt. Aus diesem Grund wirft der SBV dem Bundesrat vor, «den Gesetzesauftrag zu missachten».
Nachhaltige Produkte, die niemand will
Diese Situation ist für viele Betriebsleitende eine Quelle von Frust. Gabi Schürch-Wyss und ihr Ehemann Beat Schürch erklärten ihre Sichtweise: «Manchmal sind wir desillusioniert, weil nachhaltigere Produkte eine tiefe Nachfrage haben», sagt Schürch-Wyss im anlässlich der Medienkonferenz erschienen Fokusheft des SBV. So mussten Schürchs die produzierte Milch nach der Umstellung auf Bio im Jahr 2018 noch ein halbes Jahr in den konventionellen Kanal liefern, weil ein Absatzproblem bestand. Nach 2022 hatten sie zudem Schwierigkeiten, ihr Holz zu verkaufen, «obwohl das ein sehr nachhaltiger Energieträger ist», so das Betriebsleiterpaar. Zu schaffen machten ihnen besonders die gestiegenen Produktionsmittelpreise, die allfällige Preiserhöhungen beispielsweise bei der Milch «direkt auffressen».
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28 % machen in ihrem Fall die Direktzahlungen aus
Die Familie Schürch-Wyss äusserte an der Medienkonferenz den Wunsch, ihr Einkommen hauptsächlich aus ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft erwirtschaften zu können. Heute stammen 72 % ihres Einkommens aus dem Erlös der landwirtschaftlichen Produkte wie Milch, Holz, Biogas-Strom und Getreide. 28 % machen in ihrem Fall die Einnahmen aus den Direktzahlungen aus.
Eckdaten aus dem SBV-Fokusheft:
Die Zahlen des landwirtschaftlichen Einkommens bestehen aus Buchhaltungszahlen von 2500 repräsentativen Schweizer Betrieben.
Die Direktzahlungen sind etwa für einen Fünftel der Betriebserträge verantwortlich.
In der Talregion machen die Direktzahlungen rund 15% des Ertrags aus, im Berggebiet durchschnittlich 40%.
Der Arbeitsverdienst ist seit 2021 deutlich gesunken.
Grund dafür ist gemäss SBV der Zinswende, schlechtes Wetter und anhaltend hohe Kosten für Produktionsmittel.
Am unteren Ende der Einkommensskala stehen reine Milchbetriebe sowie Mutterkuh- und Gemischtbetriebe (Pferde, Ziegen, Schafe oder Rindvieh).
Laut einer Agroscope-Studie steigt der Arbeitsverdienst sowohl mit höherem Tierbestand als auch mit mehr Fläche.
Laut BFS verfügen lediglich 58% der Betriebsleitenden, welche ausschliesslich auf dem Betrieb arbeiten, über eine 2. Säule.
Die Burnout-Rate ist in der Landwirtschaft doppelt so hoch wie in der übrigen Gesellschaft.
Und was ist mit Ferien?
Angestellte haben in der Regel einen fixen Ferienanspruch von mehreren Wochen pro Jahr. Für Bauernfamilien sind Ferien oft eine Seltenheit und mit viel Aufwand für die Organisation einer vertrauenswürdigen Vertretung verbunden. Familie Schürch versucht, jährlich ein bis zwei Wochen Ferien zu nehmen. «Das hat mit Wertschätzung gegenüber sich selbst zu tun», so die 52-jährige Bäuerin, die sich als Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen und Landfrauenverbands (SBLV) beruflich mit sozialen Themen beschäftigt.
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Angst, etwas zu übersehen
Diese kurzen Auszeiten vom Arbeitsalltag seien wichtig, um die Belastungen ausbalancieren zu können. Da ist sich das Betriebsleiterpaar einig. Eine dieser Belastungen ist laut den beiden die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen. So zum Beispiel die jährlichen Anpassungen bei den produktionstechnischen Vorschriften. «Da kommt eine gewisse Angst auf, etwas übersehen zu haben», erklären sie im SBV-Fokusheft.
Betriebsspiegel Familie Schürch
33 ha landwirtschaftliche Nutzfläche
7 ha offene Ackerfläche (Dinkel, Ganzpflanzensilage-Mischung)
22 ha Grünland (Wiesen und Weiden)
4 ha Biodiversitätsförderflächen
35 Milchkühe und Aufzucht, saisonale Abkalbung und Vollweide-System
Seit 2018 Bio Suisse zertifiziert
Betriebsführung nach den Ansätzen der Regenerativen Landwirtschaft
19 ha Wald
Kleinbiogasanlage und Holzschnitzelheizung, Strom für 15 Einfamilienhäuser, Wärme für 3 Häuser, fällt die Aussentemperatur unter 5°C wird zugeheizt
Anschluss an Fernwärmenetz des Nachbars