Im komplexen Milchmarkt tönt das fast zu einfach, um wahr zu sein: Einige Milchproduzent(innen) gründen eine Genossenschaft, erhandeln sich bei Abnehmern einen kostendeckenden Preis von einem Franken, nennen das ganze «Die faire Milch» und verkaufen diese zu höherem Preis.
Viele sollen profitieren
Das ist kein Landwirtschaftsmärchen, sondern für 60 Produzenten Realität. Oder zumindest teilweise Realität. Denn auch für diese «Wundermilch» gelten die Gesetze des Markts. Der Absatz wächst kontinuierlich aber nicht mit Riesensprüngen. Deshalb können die Mitglieder nur einen Teil ihrer Milch zum höheren Preis absetzen, denn profitieren sollen nicht nur einzelne, sondern möglichst viele.
Ermöglicht hat dieses Konzept die in der Westschweiz aus der Taufe gehobene Organisation Faireswiss. Ursprünglich war das Ganze ein Projekt von Uniterre. Deshalb ist Uniterre-Sekretärin Berthe Darras immer noch an Bord, im Übrigen sei Faireswiss aber heute unabhängig von der Bauerngewerkschaft.
Es ist nicht das erste derartige Modell in der Schweiz, im Zürcher Säuliamt gibt es schon seit 2017 «Di fair Milch», welche auf einem ähnlichen Konzept beruht. Anders als das Zürcher Projekt hat Faireswiss aber nationale Ambitionen. Bereits heute sind neben vielen Romands und einigen Bernern auch ein gutes Dutzend St. Galler aus der Region Abtwil an Bord. Insgesamt sind zurzeit 60 Produzenten dabei, davon ein Drittel aus der Deutschschweiz. Weitere 120 stehen auf der Warteliste und sollten per Ende Jahr beitreten können.
Ziel: Ein Liter pro Einwohner
Präsidentin von Faireswiss ist Anne Chenevard aus Corcelles-le-Jorat im Kanton Waadt. Sie sprudelt nur so, wenn sie auf das Projekt angesprochen wird. Offensichtlich hat sie viel Herzblut bzw. -milch investiert. Sie träumt von einem Absatz von 8,5 Millionen Liter jährlich: «Ein Liter faire Milch pro Einwohner», so Chenevards Traum. In Belgien, wo sich faire Milch schon länger im Regal hält, ist es bereits so weit.
Hierzulande ist der Weg noch etwas weiter. 2020 wurde aber immerhin bereits 1 000 000 kg abgesetzt, schon heuer soll es das Doppelte sein. Davon profitieren neu auch Martin und Madleina Zbinden aus Rüschegg Heubach. Sie sind Cremo-Direktlieferanten und wollen mittelfristig mehr Milch selber verarbeiten. Faireswiss sei für sie ein Sprungbrett zu höherer Wertschöpfung, sagt Martin Zbinden. Auch Faireswiss sucht ein Sprungbrett für weitere Erfolge und kandidierte deshalb erfolgreich für den Agropreis, der im November verliehen wird.