Im Jahr 2013 hat die Insel Big Island in Hawaii den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) verboten. Dem Verbot gingen Proteste und Debatten zwischen Gegnern und Befürwortern eines Anbaus voraus.

Von Viren und genmodifizierten Papayas

Zu den Befürwortern des Anbaus zählten zahlreiche Wissenschaftler sowie die Landwirte der Insel. [IMG 4] Letztere profitierten nämlich vom Anbau einer genetisch modifizierten und virusresistenten Papaya, einer tropischen Frucht und Hauptexportgut der Insel. Bei ihnen ging es sprichwörtlich um die Wurst, also die Papaya, denn ein Anbau von nicht genetisch modifizierten Papayas war aufgrund eines Virus, des «Papaya ringspot virus», unmöglich geworden. Die Wissenschaftler argumentierten wissenschaftlich, nämlich mit zahlreichen Studien, welche die Unschädlichkeit der Pflanzen belegten.

Emotionen und Annahmen gegen wissenschaftliche Argumente

Bei der Gegnerschaft stachen vor allem emotionale Argumente hervor. So wurden zum Beispiel die Befürworter als «verrückte Wissenschaftler» bezeichnet, und es wurde behauptet, dass GVO Krankheiten wie Hepatitis, Grippe und Aids mitverursachen. Am Ende überzeugten die Argumente der Gegnerschaft mehr, und das Verbot wurde ausgesprochen.

Das besagte Beispiel stammt aus dem Film «Food Evolution». Mit diesem Ausschnitt des Filmes wurde die Podiumsdiskussion «Zwischen Protest und Potenzial», welche am 24. Oktober in Zürich stattfand, eröffnet.

Der Film kann bis zum 7. November kostenlos hier gestreamt werden.

Die in der Branche bekannten Fachleute (siehe grauer Kasten unten) diskutierten über verpasste Chancen, neue Möglichkeiten (Genschere Crispr-Cas 9), neue Regulierungen (EU-Regulation für Crispr-Cas 9) und Assoziationen, welche sie hervorrufen, und die Problematik der Kommunikation.

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Killerargument von fehlenden Langzeitstudien

SaatgutGentech: Bundesrat will «behutsame Öffnung»Mittwoch, 25. Oktober 2023 Laut Beat Keller ist den meisten Menschen gar nicht bewusst, wie «unnatürlich» unsere Kulturpflanzen sind. So sei zum Beispiel die rosarote Grapefruit das Ergebnis einer Mutation durch Bestrahlung von Pflanzen. Das Killerargument der Gegnerschaft von GVO sei der Verweis auf fehlende Langzeitstudien und eine fehlende Bereitschaft zur Akzeptanz neuer Erkenntnisse. In diesem Sinne habe er unter anderem die Bundesverwaltung als äusserst technologiefeindlich eingestellt wahr-genommen, sagte Keller.

Heile Natur, schöne Welt

Hier argumentierte Urs Niggli, dass die Gegner der GVO mit «schönen Bildern» einer heilen Natur argumentierten, welche jedoch nicht der Realität entsprächen. So habe der Mensch bereits unweigerlich mit «dem Ziehen der ersten Furche» in die Natur eingegriffen, dieser und weitere technologische Eingriffe haben unsere Zivilisation jedoch erst ermöglicht. Auch ist es gemäss Urs Niggli wichtig, zwischen der Technologie per se und wirtschaftlichen/sozialen Gegebenheiten wie dem Drang, Monokulturen anzubauen, zu differenzieren.

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Eine Frage der Dringlichkeit

AboGentechnikNeue gentechnische Verfahren: Reaktionen in der Schweiz nach EU-GesetzesentwurfSamstag, 8. Juli 2023 Gemäss Gabi Buchwalder braucht es diese Unterscheidung auch zwischen den alten und neuen gentechnischen Verfahren. Für Angela Bearth ist es schliesslich eine Frage der Dringlichkeit. Man könne es sich in Europa und der Schweiz (noch) erlauben, auf GVO zu verzichten. Nehme die Dringlichkeit jedoch zu, sinke auch die Hemmschwelle gegenüber neuen Technologien. Wie auch das Beispiel aus dem Film zeigt. Der Anbau von GVO wurde im anfangs erwähnten Beispiel zwar verboten; im Gesetz wurde jedoch eine Ausnahmeregelung zugelassen. Es war jene für die Papaya.

 

«Zwischen Protest und Potenzial»

Die Veranstaltung wurde organisiert von swiss-food.ch, einer Wissensplattform für Landwirtschaft und Ernährung, welche von Bayer und Syngenta getragen wird.

Reto Brennwald – Leitung und Moderation

Angela Bearth, Consumer Behaviour Group ETH Zürich (Konsumentenverhaltensforschung) und Vizepräsidentin Forum Genforschung (SCNAT)

Gabi Buchwalder, Vorstand Sorten für morgen

Beat Keller, Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie, Universität Zürich

Urs Niggli, Präsident Institut für Agrarökologie – ehemaliger Direktor des FiBL