Ein Gewächshaus im freiburgischen Kerzers, mitten in der Gemüsekammer der Schweiz. Hier führt Gemüsegärtner Michael Moser seinen Betrieb, baut unter Glas unter anderem Gurken und Tomaten an. Um die Tomaten macht sich Moser derzeit sorgen, sie sind vom Jordan-Virus bedroht. Für einmal dient die Desinfektion vor dem Eintritt nicht dem Corona-Virus, sondern der Pflanzenkrankheit. Sorgen macht sich Moser auch um die Zukunft seines Betriebs und des Gemüsebaus in der Schweiz. Die Agrar-Initiativen schweben derzeit wie ein Damoklesschwert über der Landwirtschaft. Auf Mosers Hof geladen hatten die Gemüseproduzenten-Vereinigung der Kantone Bern und Freiburg (GVBF) – Moser ist im Vorstand vertreten – und der Verband Berner Früchte.

«Wenn etwas verboten wird, um Krankheiten oder Insekten zu bekämpfen, muss es eine Lösung geben, wie das Problem weiterhin behoben werden kann», sagt Moser. Sonst werde es schwer mit der Versorgung und ganze Felder müssten wegen ein paar Läusen oder etwas Pilzbefall vernichtet werden, weil sie sich sonst ungestört ausbreiten könnten. Er verstehe die Anliegen der Initianten durchaus, sagt Moser. Als Steuerzahler hätten sie das Recht, Einfluss zu nehmen. Und auch die Sorge um die Natur sei für ihn plausibel. «Doch der Weg über die Initiativen ist der falsche und würde die Probleme ins Ausland verlagern», sagt Moser.

Kein wirksames Mittel: Rosenkohl im Sinkflug

Ein Beispiel hat er bereit: Der Rosenkohl. Als die Behörden vor einigen Jahren ein Insektizid nicht mehr zuliessen, verbreitete sich die Weisse Fliege rasant. Sie hinterliess mit dem ausgeschiedenen Russtau den perfekten Nährboden für einen Pilz. Die Folgen waren Qualitätseinbussen beim Rosenkohl und Ertragsausfälle. Im ersten Jahr seien die Grossverteiler noch nachsichtig gewesen und hätten kleinere Fehler akzeptiert. Schon im zweiten Jahr sei das nicht mehr der Fall gewesen und die Grossverteiler hätten lieber zu perfekt aussehender holländischer Ware gegriffen, so Moser.

Die Folge: In der Region werden nur noch 25 statt zuvor 60 Hektaren Rosenkohl angebaut, denn alternativen Bekämpfungsmethoden wie das Absaugen der Fliegen klappten mehr schlecht als recht. Für Moser ist deshalb klar: «Es ist scheinheilig, wenn wir die Produktion einfach ins Ausland verlagern.» Er sieht den Rosenkohl als mahnendes Beispiel, wie es anderen Gemüsekulturen ebenfalls ergehen könnte.

 

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Im Gegensatz zu Michael Moser ist Hans-Ulrich Müller Bio-Produzent. Er führt zusammen mit seinem Sohn einen Betrieb in Bibern im Kanton Solothurn. Müller – Präsident von Biogemüse Schweiz – kämpft wie Moser gegen die beiden Initiativen. Aus seiner Sicht sind die Initiativen unfair. «Die Produktion wird massiv reglementiert und eingeschränkt, während auf Seite der Konsumenten jeder weiterhin machen kann, was er will», kritisiert Müller. Dass die Trinkwasser-Initiative Importe nicht anspricht, hält er für völlig inkonsequent.

«Gesellschaft hat Problem - Landwirtschaft ist der Sündenbock»

«Grundsätzlich haben wir ein Problem mit der Gesellschaft. Unser Lebensstil belastet die Umwelt mit verschiedensten Stoffen. Und nun ist die Landwirtschaft der Lieblings-Sündenbock, wird herausgepickt und an den Pranger gestellt», so Müller. Aber als Stimmbürger sei es natürlich viel einfacher, den Sündenbock abzustempeln, statt das eigene Verhalten zu ändern. Von Versprechen und Beteuerungen der Konsumenten hält er wenig: Diese hielten jeweils solange, bis ein günstigerer Anbieter auftauche.

Auch an den Händlern und Grossverteilern übt Müller Kritik. Diese schraubten die Qualitätsansprüche immer höher, auch bei Bioware. «Da kennen die Abnehmer mittlerweile kein Mass mehr», erklärte der Bio-Produzent.

Aus dem Schneider ist für Hans-Ulrich Müller die Landwirtschaft aber nicht. Sie müsse sich fragen, wie sie derart ins Schussfeld habe kommen können. «Die konventionelle Landwirtschaft und vor allem ihre Verbände setzten jahrelang auf den Status Quo», kritisiert Müller. Bisherige Anbau- und Tierhaltungsmethoden seien lange Zeit kaum hinterfragt worden. Er ist überzeugt davon, dass die vielen gesellschaftlichen Baustellen nur gemeinsam gelöst werden könnten. Partielle Hauruck-Übungen brächten nichts.

Ausstieg aus dem Direktzahlungssystem?

Als Gemüseproduzent ist Michael Moser nicht direktzahlungsabhängig. Rund 1,5 bis 3 Prozent machten sie für die Betriebe aus, so Moser. Also Ausstieg aus dem Direktzahlungssystem bei Annahme der Trinkwasser-Initiative? Das könne er nicht abschliessend beurteilen, sagt Moser. Die Frage sei nämlich auch, was die Abnehmer dann verlangten. Klar ist für ihn: Seinen Betrieb will er auf keinen Fall einfach so aufgeben.

 

Grosse Kampagne der Verbände

Die Gemüseproduzenten-Vereinigung Bern Freiburg und der Verband Berner Früchte setzen für ihre Nein-Kampagne rund 100'000 Franken ein. «Nicht weil wir klotzen wollen, sondern weil wir uns für die gesunde, frische und regionale Ernährung einsetzen», sagte Nationalrätin Nadja Umbricht Pieren, Präsidentin des GVBF. Die Initiative sei extrem, radikal und gefährlich. Sie gefährde einen grossen Teil der Gemüse- und Obstbetriebe in der Region.