Eine Königin zu treffen, hat durchaus Seltenheitswert. Doch mit ihrem gewinnenden Wesen macht es einem die Braunviehkönigin Alessia Sonderegger leicht: Das Eis bricht schnell, als die BauernZeitung die junge Frau im Stall ihrer Familie in Flums-Kleinberg im Kanton St. Gallen besucht.

«Die braune Kuh gehört einfach in diese Region»

«Ich habe Tiere sehr gern und Kühe liegen mir besonders am Herzen. Allen voran natürlich die Braunen», sagt die 22-Jährige lächelnd, während sie mit ruhigen Handgriffen eine Kuh fürs Melken vorbereitet. Dass ein Fotograf sie dabei ablichtet, bringt sie nicht aus der Ruhe. Obwohl erst kurze Zeit im Amt, scheint Sonderegger mit Medienleuten schon so routiniert umgehen zu können wie mit Kühen und Kälbern.

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«Die braune Kuh gehört einfach hierher in diese Region», fährt die Ostschweizerin einen Moment später fort. Seit Kindesbeinen an sei sie begeistert von der Rasse. Dass sie diese nun als Braunviehkönigin für die nächsten Jahre im In- und Ausland repräsentieren würde, das hätte sie nie gedacht. Umso grösser seien die Freude über den Titel und die Vorfreude auf alles, was während ihrer Amtszeit auf sie zukommt.

Sonderegger schätzt die Nähe zum Tier

«Wir haben immer schon Braunvieh gehalten und gezüchtet», sagt die Flumserin und schiebt ihr weisses Stirnband zurecht. Ihre Familie bewirtschaftet im Nebenerwerb einen Betrieb mit Brown-Swiss-Kühen am Kleinberg über Flums. Vater Ruedi arbeitet selbständig als Stahlbaumonteur, die Aufgaben auf dem Hof erledigt die vierköpfige Familie gemeinsam.

«Aktuell stehe ich leider nicht mehr so oft im Stall, wie ich gerne würde», sagt die gelernte Landwirtin mit Bedauern. Zurzeit absolviert sie eine Zweitlehre als tiermedizinische Praxisassistentin, da bleiben ihr oft nur die Abendstunden und Wochenenden, um nach den eigenen Tieren zu sehen.

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Draussen beginnt es inzwischen zu dämmern, die Wolken am Himmel kündigen Schnee an und ein kalter Wind streicht über den Flumserberg herab. Doch Sonderegger hat keine Zeit für lange Wetterbeobachtungen, schliesslich gibt es noch einiges zu tun. Die tägliche intensive Nähe zum Rindvieh habe sie während ihrer landwirtschaftlichen Lehrjahre besonders geschätzt, meint sie. Im Vorbeigehen streicht sie einem ihrer Tiere über die Flanke, auch ein neugieriges Kalb bekommt ein paar Streicheleinheiten.

Lehrreiche Jahre auf verschiedenen Betrieben

DossierDossierTier & Technik 2023Freitag, 17. Februar 2023 Das erste Lehrjahr hat Alessia Sonderegger im sankt-gallischen Benken bei Brown-Swiss-Züchter Titus Kraaz absolviert. Dass dieser mit seinen Tieren auch an Schauen gefahren sei, sei «wie dr 5-er und ds Weggli» gewesen, erinnert sich die begeisterte Brown-Swiss-Züchterin.

«Während des zweiten Lehrjahres habe ich dann bei Reto Tanner hier in Flums gearbeitet», fährt sie fort. Auf Tanners Betrieb kam die Lernende erstmals täglich in Kontakt mit anderen Milchviehrassen in der gemischten Herde. «Es war ein gutes und spannendes Jahr. Aber mein Eindruck hat sich dann schon bestätigt: Braunvieh passt mit seinem ruhigen Charakter am besten zu mir», sagt die Braunviehkönigin mit einer guten Portion Schalk in der Stimme. Auch sie sei eine zielstrebige und moderne Frau, aber gleichzeitig auch eine ruhige Person mit viel Freude an Tradition.

Viehzucht ist mehr als «nur» ein Hobby

Inzwischen ist es draussen dunkel geworden, ein kalter Januarregen hat eingesetzt. Während Mutter Sandra und Bruder Samuel Sonderegger die letzten Arbeiten im Stall erledigen, macht sich Alessia auf den Weg nach Hause. Am Küchentisch lässt es sich einfacher reden als zwischen Stalltür und Melkmaschine.

Nachdem man sie im Stall gesehen hat, wird noch deutlicher, wie gerne Alessia Sonderegger Landwirtin und Viehzüchterin ist. Schon von klein auf sei sie in Sachen Braunvieh eine «Angefressene», sagt sie und lacht. Das habe sie von ihrem Vater: «Ich habe mit ihm regelmässig Viehschauen besucht und dabei haben wir immer gefachsimpelt: ‹Was gefällt dir an dieser Kuh? Wie beurteilst du diese oder jene? Welches Tier würde zu uns passen?› Das wollte ich dann irgendwann vertiefen und bin mit 14 den Jungzüchtern beigetreten. Da habe ich angefangen, selber ‹Rindli› vorzuführen.»

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Noch immer fahren Alessia und Ruedi Sonderegger gerne gemeinsam an eine Viehschau. Und sie sprechen auf Augenhöhe miteinander, wenn es um die Qualitäten einer Kuh geht. «Ich glaube, es freut ihn, dass er sein Wissen weitergeben kann und dass wir an der Schau an einer Latte stehend die längste Zeit miteinander diskutieren können.»

So bestimmt die Tochter heute auch mit, wenn es um das Besamen der eigenen Tiere geht. Die Familie remontiert ihren Bestand selbst, aktuell stammen alle Tiere bis auf zwei aus eigener Zucht. Die Stierenwahl ergebe zwischen Vater und Tochter manchmal «dann doch ein wenig» Gesprächsstoff, meint die junge Frau. «Wir haben nicht zwingend immer die gleichen Vorstellungen, was es denn sein soll und daraus ergeben sich dann eben genau die züchterisch spannenden Gespräche.» Nicht selten habe am Ende dann sie das letzte Wort bei der Stierenwahl, gibt sie schmunzelnd zu Protokoll.

Die grosse Freude am eigenen Tier

«Mir gefällt bei Brown Swiss der eher ein wenig modernere Typ, die eher etwas milchbetonteren, geschliffeneren Kühe. Aber letzten Endes kommt es immer darauf an, dass eine Kuh auf den Betrieb passt und auch zum Züchter», sagt Alessia Sonderegger, während sie ihre tiermedizinischen Fachbücher vom Tisch räumt.

Ihre Lieblingskuh Alana hat sie selbstverständlich selbst gezüchtet. Die Mutter des Tiers habe sie als Kalb gekauft, schon diese sei ein schönes Tier gewesen, erzählt sie. Als es an der Zeit war, habe sie mit Glenwood besamt. Der Stier vereint die Gene von Vetsch’s Nesta Calvin und Pius Schuler’s Glenn Glena. Alanas Geburt sei dann allerdings eher schwierig verlaufen: «Das Ganze war eine anstrengende Sache, meine Mutter und ich haben geholfen, so gut es ging. Als Alana am Schluss gesund auf der Welt war, war ich überglücklich», erzählt sie. Jetzt, wo Alana eine grosse, schöne Kuh sei, sei die Freude umso grösser: «Es ist schön, wenn du ein Tier so von Anfang an begleiten kannst und wenn es gleichzeitig ein züchterischer Erfolg ist.»

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Ihr Wissen um die Viehzucht kommt Alessia Sonderegger nun auch in ihrer zweiten Lehre entgegen. «Als Tierarztpraxis besamen wir auch, da sehe ich auch immer, welche Stiere sich im Moment gut bewähren.» Sonderegger hat kürzlich den Enthornungs-Kurs absolviert, auch auf dem Betrieb daheim werden die Kälber enthornt. Weshalb setzt sie nicht auf genetisch hornlose Stiere? «Das werde ich künftig möglicherweise in Erwägung ziehen», sagt die Züchterin im Hinblick auf das Tierwohl.

Der lange Weg zum Braunvieh-Krönchen

«Als Ehrendame bin ich erst im Rahmen meiner Kandidatur unterwegs gewesen», sagt Alessia Sonderegger, als das Gespräch auf ihren Titel und die Wahl zur Braunviehkönigin kommt. Die Monate vor der Entscheidung am dritten Dezember 2022 an der Swiss Classic in Brunegg AG seien wunderschön, aber auch anstrengend gewesen, blickt sie zurück: «Ich bin den ganzen Herbst über an viele Schauen gefahren, fast jedes Wochenende und durch die halbe Schweiz. Manchmal hatte ich sogar zwei Termine am gleichen Tag. Ich habe meine Ferien dafür eingesetzt und manchmal – natürlich in Absprache mit meinem Chef – auch den einen oder anderen Arbeitstag. Es war mir wirklich wichtig, viele Anlässe besuchen zu können.»

An den Viehschauen habe sie jeweils viele neue und ganz unterschiedliche Leute kennengelernt – schöne Begegnungen, die ihr bewusst gemacht hätten, dass es ein Privileg sei, im Sägemehl zu stehen und die Rasse zu vertreten, resümiert Sonderegger die Zeit ihrer Kandidatur.

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Doch wie ist sie überhaupt darauf gekommen, sich ins Rennen um das Krönchen zu stürzen? Hatte es etwa einen Einfluss, dass Patrizia Hobi, Braunviehkönigin von 2017 bis 2019, ebenfalls aus Flums kommt? «Dass Patrizia den Titel geholt und den Job zwei Jahre lang so gut gemacht hat, habe ich natürlich mitbekommen, klar. Aber der Grund für meine Kandidatur war sie nicht unbedingt», räumt Sonderegger ein. «Ich habe vielleicht heimlich schon davon geträumt, auch einmal Brauviehkönigin zu sein, aber für eine Kandidatur hat mir der Mut lange Zeit gefehlt», gibt sie zu. Angemeldet habe sie sich schliesslich am letzten Tag der Frist und auch nur, weil ihr Umfeld ihr gehörig Mut gemacht und den entscheidenden Schubser gegeben habe.

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«Während der Kandidatur hatte dann jeder Auftritt seinen Reiz», erzählt Sonderegger. Von der kleinen Regionalschau bis hin zum Auftritt vor viel Publikum an der Olma sei jeder Anlass einzigartig gewesen, mit ganz eigener Atmosphäre. «An der Olma hatte ich schon etwas Bammel, als ich mich vor dem Kälberwettbewerb als erste vor so einem grossen Publikum vorstellen sollte. Aber zum Glück ist bei mir und bei den anderen alles glatt gelaufen.»

Kaum im Amt, gehts schon los für Alessia Sonderegger

Der Tag der Entscheidung, der 3. Dezember 2022, ist Alessia Sonderegger noch gut in Erinnerung, jedes Detail hat sie gespeichert. «Man steht an diesem Tag schon ziemlich unter Druck. Vom frühen Morgen über die Fahrt nach Brunegg bis zum entscheidenden Moment in der Vianco Arena nimmt das immer noch zu», sagt sie. Vor dem letzten Auftritt habe sie deshalb unbedingt noch einmal durch den Stall gehen und die Kühe anschauen wollen, um noch ein wenig zur Ruhe zu kommen und zu fokussieren.

Bisherige Braunviehköniginnen
Barbara Rohrer 2011 bis 2013

Barbara Reidt 2013 bis 2015

Andrea Furrer 2015 bis 2017

Patrizia Hobi 2017 bis 2019

Eliane Berner 2019 bis 2022

Ihr finaler Auftritt sei danach «tiptop» gelaufen. «Als am Ende mein Name ausgerufen wurde, war ich schon echt überwältigt. Man realisiert es in diesem Moment gar nicht so richtig. Du gibst lange Vollgas und dann stehst du am Ende erfolgreich am Ziel. Unbeschreiblich!», schildert sie.Richtig angekommen sei sie dann in den Tagen nach der Wahl, als sie von Verwandten und Bekannten, aber auch von völlig fremden Leuten viel Zuspruch erhalten habe. Und schon eine Woche darauf hatte sie in Cazis GR ihren ersten Auftritt an der «Kuhakrobatik». «Das war super, ich hatte viel Spass bei meinem ersten Einsatz.»

Der «braunviehkönigliche» Terminkalender ist denn auch schon gut gefüllt: «Ich will möglichst viele Schauen besuchen», nimmt sich Alessia Sonderegger vor. «Ein besonderes Highlight wird die Brown-Swiss-Europaschau 2023 in Imst in Österreich, da bin ich mit dabei. Das wird sicher etwas Aussergewöhnliches, wenn ich unsere Rasse im Ausland vertreten darf», freut sie sich.

«Chrut & Rüebli» mit Alessia Sonderegger
Was wäre deine liebste Superkraft?
Fliegen zu können.

Welches Ziel möchtest du im Leben erreichen?
Einen grossen Stall mit einer grossen Braunvieh-Herde.

Was sind deine Hobbies?
Skifahren, Wandern und die Jungzüchter.

Hast du aktuell einen «Braunviehkönig»?
Nein, ich bin Single.

Welche Rechnungen nerven dich?
Die von Zalando (lacht).

Wohin gehst du am liebsten in den Ausgang?
An die Festli nach den Viehschauen.

Kerzenlicht oder Discobeleuchtung?
Eher Disco …

Welche ist deine liebste Traktorenmarke?
Steyr.

Gemüse oder Fleisch?
Auf jeden Fall Fleisch.

Extensiv oder intensiv?
Intensiv.

Alphütte oder Strand?
Unbedingt Alphütte!

Mathe oder Turnen?
Viel lieber Turnen.

Volksmusik oder Electro?
Beides zur jeweils richtigen Zeit am richtigen Ort.

Tracht oder Dirndl?
Da in unserer Region die traditionellen Trachten leider etwas vergessen gegangen sind, trage ich Dirndl.