Rund 1'200 Patienten zählt die Wiederkäuerklinik pro Jahr. Über drei Viertel der Behandlungen finden an Rindvieh statt, gefolgt von Schafen, Ziegen und Neuweltkameliden. Erst seit ca. 15 Jahren machen die Neuweltkameliden einen relevanten Bestandteil der zu behandelnden Tiere aus. Genau wie die Tierkategorien haben sich auch die Krankheitsbilder über die Jahre verändert.

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Tierwohlproblem Nummer eins

Adrian Steiner, Leiter der Wiederkäuerklinik, spielt dabei vor allem auf Mortellaro an. "Die sogenannte Erdbeerkrankheit ist beim Rind weltweit das Tierwohlproblem Nummer eins", so der Tierarzt und Professor. Dabei werde die Krankheit, die sich in der Schweiz erst in den letzten zehn Jahren stark ausbreitete, von den Tierhaltenden in der Schweiz nach wie vor unterschätzt.

Das zeigte sich besonders deutlich, als sich rund 20 Landwirte gemeldet hatten, die ihre angeblich "Mortellaro-freie" Herde für Untersuchungen zur Verfügung stellen wollten. Nach ersten Kontrollen stellte sich heraus, dass bloss ein Zehntel der angemeldeten Herden frei von Mortellaro waren. Trotzdem ist die Schweiz im internationalen Vergleich nicht so schlimm dran: rund 30% der Schweizer Kühe sind von Mortellaro betroffen, in Deutschland weise aber in Milchviehbetrieben mehr als jede zweite Kuh die Krankheit auf, so Steiner. Die Wiederkäuerklinik arbeitet als wissenschaftlicher Partner an einem Ressourcenprojekt des Bundesamtes für Landwirtschaft mit, welches die Förderung der Klauengesundheit zum Ziel hat.

 

Management ist A und O

"Dabei spielt das Management der Herde eine sehr grosse Rolle", wie der Tierarzt David Rediger bemerkt. Rund 40 Landwirtschaftsbetriebe nehmen das Angebot zur Bestandesbetreuung an und werden alle zwei bis vier Wochen von einem Tierarzt der Wiederkäuerklinik besucht. Dieser versucht, anhand von auftretenden Problemen auf den Hof zugeschnittene Lösungen zu bieten, berät und begleitet den Landwirten in tiermedizinischen Fragen. "Bei einer übertragbaren Krankheit wie Mortellaro oder auch bei Fruchtbarkeits- und Eutergesundheitsproblemen, macht es am meisten Sinn, ein Auge auf die ganze Herde zu werfen", so Tierarzt Rediger.

Zudem gebe die Arbeit mit den Landwirten den Tierärzten einen Einblick, was gerade so abläuft und die Landwirte beschäftigt. Die Forschungsgebiete der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern sind möglichst praxisnah. Beispielsweise wurde an einer Strategie zur Bekämpfung von Mastitis geforscht. Eine Testgruppe im Tessin, wo es viele alpende Kühe gibt die einander anstecken können, wurde versucht, das Bakterium Staphylococcus aureus auszumerzen. Um die Übertragung von einer Kuh zur anderen zu verhindern, soll das gereinigte Melkgeschirr zuerst für negative Kühe benutzt werden und erst zuletzt sollen die positiven Kühe damit gemolken werden.

Mehr frische Luft, weniger Antibiotika

Eine Studie vom Tierspital Bern, die zu grossem medialen Echo geführt hatte, konnte auch aufzeigen, dass ein gutes Management des Landwirts zu weniger kranken Tieren und sogar weniger Antibiotika-Einsatz führen kann. Die "Freiluftkalb-Studie" sagte aus, dass Kälber seltener erkranken, wenn sie sich öfters an der freien Luft aufhalten, nur gesunde Kälber angekauft werden und diese direkt und ohne Kontakt mit anderen Kälbern vom Erzeugerbetrieb zum Mastbetrieb transportiert werden. Rund 1'900 Kälber auf gesamthaft 38 IP-Suisse Betrieben wurden im Rahmen der Studie in Zusammenarbeit mit Migros untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Tiergesundheit verbessert und der Einsatz von Antibiotika rein durch diese Management-Massnahmen um 80% gesenkt werden kann.

Auch überfüllte Euter sind eine Sache, mit der sich das Tierspital Bern auseinandergesetzt hat. Man konnte dank einer Studie aufzeigen, wann Euter überfüllt sind und wie Tierärzte Ultraschall-Untersuchungen zu dem Zweck durchführen können.

Auch in Zukunft wichtig

Die Bestandesbetreuung hat zum Ziel, die Tiergesundheit zu verbessern und die Behandlungsintensität von Tieren zu senken. Sie steht für die nachhaltige Produktion von gesunden Lebensmitteln tierischer Herkunft. Der Leiter der Wiederkäuerklinik Adrian Steiner zeigt sich zuversichtlich, dass das Tierspital Bern auch in Zukunft die zentrale Rolle im Bereich der Tiergesundheit einnehmen wird: "Die kommende Agrarpolitik will den Landwirten mehr Geld zur Verfügung stellen, wenn ihre Tiere nachgewiesenermassen gesund sind."