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Schon von Kindesbeinen an half Nino Bärtsch seinem Götti Andreas Bärtsch auf dessen nahe gelegenen Betrieb. Für den Kindergarten war der junge Bündner damals noch zu klein, und doch wuchs in ihm ein grosses Begehr: Er wünschte sich eine Kuh. Gegenwärtig steht noch immer keine solche im Stall, frisst sich genüsslich durch das Heu und versetzt mit ihrem Muhen das Trommelfell in Schwingung. Dafür wird im bündnerischen Seewis-Pardisla gemeckert, was das Zeug hält. Aber Nino Bärtsch behält als Herr im Stall fast immer den Überblick – mit 18 Jahren.


Es geht hoch zu und her


Heute halten 24 Bündner Strahlenziegen, fünf Strahlenböcke und 20 Gitzi die Familie Bärtsch auf Trab. Dazu gesellen sich zwei Pfauenziegen und ein Bock. Aber wie aus der Pistole geschossen kommen diese Angaben nicht. «Die letzte Woche ging es hoch zu und her», sagt Nino Bärtsch schmunzelnd. Zehn Tiere hätten erst kürzlich ihren Nachwuchs geboren – sprich «gegitzelt». So sei es etwas schwierig, fortwährend die Übersicht zu behalten. Zumal der Bündner überdies gerade im dritten Lehrjahr steht. Landwirt mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis will er sich bald nennen, weshalb er am Plantahof in Landquart die Schulbank drückt und fleissig lernt.

Noch kein eigener Betrieb

Was dann folgt, weiss der junge Mann noch nicht. Der Besuch einer höheren Fachschule mit dem Ziel Agrotechniker wird etwa auch ins Auge gefasst. «So hätte ich noch eine Zusatzausbildung. Und in der Schule bin ich nicht der Schlechteste», witzelt Nino Bärtsch.


Über allem steht jedoch ein grosser Wunsch, ein Vorhaben, worauf der Ziegenzüchter eifrig hinarbeitet: Dereinst – in rund fünf Jahren – will er den Betrieb seines Göttis übernehmen. Für ihren Sohn habe es nie eine andere Option gegeben, bemerkt Agnes Bärtsch: «Kaum konnte er laufen, gesellte er sich schon unter die Kühe.»


Betrieb in Aussicht


Ein Mutterkuhbetrieb mit 25 Hektaren Grünland steht somit in Aussicht, ganz in der Nähe rund 1000 Meter über Meer. Bereits vor 14 Jahren hatte sein Götti von Milchwirtschaft auf Mutterkuhhaltung umgestellt. Und weil in naher Zukunft keine Betriebsnachfolge in Aussicht steht, bietet sich für Nino Bärtsch die Möglichkeit einer noch zu verhandelnden Übernahme. Denn einen eigenen Landwirtschaftsbetrieb führen seine Eltern Agnes und Werner Bärtsch nicht.

Klein und handlich

Beide arbeiten im Kantonsspital Chur, er als Projektleiter der Bauprojekte und sie als Notfallmitarbeiterin in der Pflege. So kommt es auch, dass die über 50 Ziegen, Böcke und Gitzi einen seit 2013 gepachteten Stall ihr Zuhause nennen. Doch weshalb gerade Ziegen?


«Er wollte zu Beginn schon eine Kuh»,sagt Agnes Bärtsch herzlich lachend, «aber wo sollten wir diese unterbringen?» Über eine Bekannte verguckte sich Nino Bärtsch schliesslich in die etwas kompakteren Tiere. «Er hatte fortan nur noch Ziegen im Kopf. Also schenkten wir ihm Goja», erinnert sich Agnes Bärtsch.

Nachdem die Zwergziege zuerst bei einem befreundeten Bauern untergekommen war, zügelte sie schliesslich in einen  Baustellenwagen neben dem Haus der Familie Bärtsch. «Ziegen sind handlich, klein und so intelligente Tiere», gibt Nino Bärtsch zu verstehen. Darum sei er ihrem Charme verfallen.

Weil der Junglandwirt immer melken wollte, sich das bei den Zwergziegen aber etwas schwierig gestaltete, kamen vor bald neun Jahren mit zwei Bündner Strahlenziegen die ersten «richtigen» Ziegen dazu. Vervielfacht hat sich deren Zahl bis heute und durch die zwei Pfauenziegen und den Pfauenbock einen andersrassigen Farbtupfer erhalten.

Ganze Familie hilft mit

«Für meine Arbeit im Stall schenkte mir Nino eine Pfauenziege», erzählt Agnes Bärtsch. Aufgrund der Seltenheit beider Arten findet sich im Seewiser Stall auch eine Pro-Specie-Rara-Plakette. Deutlich bewusst ist sich Nino Bärtsch, dass seine zeitaufwendige Ziegenzucht ohne (gross-)elterlichen Support keine Milch abwerfen würde. Ist er zum Beispiel in der Schule, kümmert sich hauptsächlich seine Mutter um die Tiere. Werner Bärtsch sorgt sich leidenschaftlich gerne um die sommerliche Alpung der Ziegenböcke. «Ohne sie alle könnte ich das vergessen», betont der 18-Jährige anerkennend.


Intensive Wintermonate


Den Sommer verbringen die meisten Milchziegen im sankt-gallischen Buchs auf der Alp Malschüel. Einige Tiere bestossen die Alp Falla in Klosters GR. Die Ziegenböcke alpen mit anderen männlichen Tieren im Rahmen eines Projekts des Schweizerischen Ziegenzuchtverbands im Gebiet des Seewiser Maiensässes «Zuzischana», auf 1500 bis 1700 Metern über Meer.

Besonders arbeitsintensiv sind somit die Wintermonate. Mit der produzierten Milch – heuer wird mit 17 Tieren vergleichsweise viel gemolken – zieht Nino Bärtsch die Gitzi auf. Einige davon werden jeweils im Frühling abgegeben, junge Böcke in den Herbstmona-

ten. «Die Ostergitzi oder Metzgböckli verkaufen wir meistens an Privatkunden», erläutert der junge Ziegenzüchter. So spreche es sich herum,

erklärt Vater Werner Bärtsch. Speziell Portugiesen oder Italiener seien immer wieder am Angebot interessiert: «Ein Kunde bezieht jedes Jahr ein oder zwei Tiere.»


Alle Tiere werden enthornt


Nino Bärtsch verspürte immer eine gewisse Abneigung, wenn es ums Metzgen seiner Tiere für den eigenen Kühlschrank ging. Erst kürzlich wurde zum ersten Mal eine Ziege für den Eigengebrauch geschlachtet. Das habe so sein müssen, erzählt der junge Landwirt. Denn diese habe schon das zweite Jahr keinen Nachwuchs bekommen und sich mit den anderen Ziegen nicht recht verstanden.

Und was fordert ihn am meisten? «Die Hörner», sagt er bestimmt. Seit nunmehr drei Jahren enthornt er alle neuen Tiere zusammen mit dem Tierarzt. Nur noch sechs ältere Milchziegen im Stalle Bärtsch tragen ihren natürlichen Kopfschmuck. Wegen der grossen Verletzungsgefahr hat sich Nino Bärtsch zu diesem Schritt entschieden. «Ziegen sind manchmal richtig futterneidische und ‹traurige› Tiere untereinander.» Vor allem, wenn eine neue Ziege eingestallt werde, komme es immer wieder zu Verletzungen.


«Ich musste schon Euter verarzten und Bauchbrüche behandeln lassen, obwohl wir den Tieren zahlreiche Ausweichmöglichkeiten geschaffen hatten», erzählt er.


Noch etwas zu klein


Nino Bärtsch fokussiert sich bei seiner Zucht auf drei wesentliche Punkte: «Sehr wichtig sind mir die Euter sowie die Zitzen, und dass die Ziegen gut Milch geben.» Mit den Eutern sei er im Moment ziemlich zufrieden, an der Zitzen- oder Strichstellung müsse noch gearbeitet werden. «Und an der Grösse der Tiere», gibt er zu. Denn etwas zu klein seien seine Ziegen noch. Mit relativ grossen Böcken versucht er nun, in diesem Bereich etwas Boden gutzumachen respektive eine grössere Distanz zu ebendiesem herzustellen.


Sorgfältig im Schlafzimmer aufgehängt, erinnern zahlreiche verschiedenfarbige Fähnchen an die erfolgreichen Ziegenschau-Teilnahmen des jungen Züchters. Gerade einmal zwölf Jahre zählte dieser bei seiner ersten Beständeschau der Ziegenzuchtgenossenschaft Prättigau. Für seinen wohl grössten Erfolg zeichnete sich 2013 seine heute 6-jährige Ronja verantwortlich, die in Cazis den Miss-Graubünden-Titel für sich beanspruchen konnte. «Damit hätten wir niemals gerechnet», bemerkt Agnes Bärtsch.


Immer mit Ziegen unterwegs


Mit Blick auf die erstrebte Betriebsübernahme: Welchen Platz nehmen die Ziegen auf dem Hof «Nino Bärtsch» ein? Eine Aufstockung auf eine stattliche Anzahl «Meckerer» liege durchaus im Bereich des Möglichen, denkt Nino Bärtsch. Jedoch hätten 
bereits viele Betriebe im Tal auf Ziegenmilch umgestellt oder befänden sich aktuell in der Umstellungsphase. Deshalb wolle er vorab noch nicht allzu weit vorausschauen und die Marktlage genau beobachten. «Sicher ist, dass ich immer ein paar Ziegen halten werde.» Denn letztlich sind die gewitzten Tiere die grosse Passion des jungen Mannes, sein ganz grosses Hobby. «Eigentlich gibt es nur die Ziegen für mich», schliesst er schmunzelnd.   

Curdin à Porta